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Brandenburg: Neue Klagen gegen märkischen Canale Grande

Auch Naturschützer wollen jetzt Ausbau des Sacrow-Paretzer-Kanals stoppen Doch die Wasser- und Schifffahrtsdirektion hält an ihren Plänen fest

Potsdam - Die hitzige Debatte um einen Ausbau des knapp 13 Kilometer langen Sacrow-Paretzer-Kanals westlich von Potsdam führt zu einem Novum in der jüngeren Brandenburger Geschichte. Alle bei den Kommunalwahlen am Sonntag in Potsdam antretenden demokratischen Politiker lehnen das rund 65 Millionen Euro teure Vorhaben ab, obwohl die auf Bundes- und Landesebene regierenden großen Koalitionen die Bagger schon im kommenden Frühjahr in Bewegung setzen wollen. Diese sollen die Wasserstraße um vier bis fünf Meter verbreitern und die Fahrrinne um 80 Zentimeter vertiefen. Dann könnten auch große Binnenschiffe von Magdeburg nach Berlin starten und in dem vor mehr als 100 Jahren gegrabenen Kanal gefahrlos an entgegenkommenden Schiffen vorbeifahren. Das Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit Nummer 17“, das die Schifffahrt zwischen dem Ruhrgebiet und Berlin erleichtern soll, hätte dann kein Nadelöhr mehr.

Doch was sich in den Argumenten des bundeseigenen Wasserstraßen-Neubauamtes so einleuchtend anhört, wird von der Gegnerschaft als „unsinnigstes Verkehrsprojekt“ seit der Wiedervereinigung bekämpft. Das sagte gestern der Vorsitzende des Naturschutzbundes (Nabu) Brandenburg, Thomas Kirschey. „Es wird völlig am Bedarf der Binnenschifffahrt vorbei geplant und unnötig wertvolle Naturlandschaft zerstört.“ So müssten 900 alte Bäume weichen. Auch acht Hektar Biotopfläche würden verloren gehen, während der Wasserspiegel in der Havel um bis zu zehn Zentimeter fallen werde.

Der Nabu reichte deshalb zusammen mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sowie zahlreichen weiteren Umweltverbänden eine Klage gegen den Ausbau beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ein. „Wir vertrauen auf den gesunden Menschenverstand der Richter und sind deshalb vom Erfolg unserer Klage überzeugt“, versicherte Tilmann Heuser, Landesgeschäftsführer des BUND in Berlin. „Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost hält in ihrem aktuellen Planfeststellungsbeschluss nach wie vor an den Prognosen vom Anfang der neunziger Jahre fest“, kritisierte Heuser. „Damals war von einer Steigerung des Gütertransports auf 14 Millionen Tonnen jährlich die Rede gewesen, tatsächlich wurden im Vorjahr auf der Strecke nur 2,6 Millionen Tonnen befördert.“ Die Zeit der großen Kohle- und Baustoffmengen sei vorbei. Die Bundesbehörde verhalte sich einfach stur und reagiere nicht auf veränderte Prognosen und auf Vorschläge zu einem ampelgesteuerten Einbahnverkehr im Kanal.

Für das Wasserstraßenneubauamt hingegen ist – wie für das Bundes- und Landesverkehrsministerium – ein breiterer und tieferer Kanal dringend erforderlich. „Wir brauchen ihn als Wasserstraße zum Berliner Westhafen, zum Teltowkanal Richtung Eisenhüttenstadt und zur Havel-Oder-Wasserstraße Richtung Stettin“, sagt der zuständige Fachmann Friedhelm Busch. Und wenn es bessere Verkehrswege gäbe, würde auch ein höheres Transportaufkommen folgen.

Überdies seien die zu fällenden Bäume teilweise stark überaltert und geschädigt. Es käme durch den Kanalausbau zwar zu einer geringen Absenkung des Wasserspiegels, die aber nicht zu Beeinträchtigungen von Natur und baulichen Anlagen in Ufernähe führe.

Die Gegner, zu denen das Berliner Abgeordnetenhaus, die Stadt Potsdam und die Schlösserstiftung gehören, spekulieren nicht zuletzt auch auf fehlende finanzielle Mittel zum Kanalausbau. Dieser Umstand führte schon vor fünf Jahren zur endgültigen Beerdigung eines anderen Wasserstraßenprojektes – der Anhebung oder gar des Abrisses der Glienicker Brücke zwischen Potsdam und Berlin. Damals sollte der Teltowkanal bis zum Berliner Osthafen für große Schiffe ausgebaggert werden. Doch die Kosten liefen ins Unermessliche. Auch damals war ein riesiges Verkehrsaufkommen der Binnenschifffahrt vorausgesagt worden.

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