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Brandenburg: Noch ist Bohlen nicht verloren

Obwohl seine Kollegen protestieren, will ein Senftenberger Hochschulprofessor den Popstar als Dozenten holen

Senftenberg. Kommt er oder kommt er nicht? Keine andere Frage scheint die Menschen in Senftenberg derzeit mehr zu bewegen. Auf dem Marktplatz, am Bahnhof und vor allem auf den Gängen der Fachhochschule Lausitz gibt es nur ein Thema. Das Lokalblatt und die Bild-Zeitung liefern fast täglich neuen Stoff. Dann streiten, lachen, freuen, meckern, jubeln oder schimpfen die Menschen über einen Mann: Dieter Bohlen.

Ausgelöst hat die Hysterie ein Professor. Erik von Grawert-May von der hiesigen Fachhochschule traf in der ARD-Sendung „Beckmann“ auf den Pop-Star und lobte in höchsten Tönen dessen Buch „Nichts als die Wahrheit“. Es passe wunderbar in seine Vorlesung über „interkulturelle Aspekte der Psychologie“, schwärmte der 58-jährige Professor. Denn Bohlens Biografie werfe eine spannende Frage auf: Warum hat ein so erfolgreicher Musiker so viele Probleme in der Liebe?

Der aus Hamburg stammende und seit 1994 in der Lausitz lebende Professor erklärte Bohlens Bestseller kurzerhand zur Pflichtlektüre für seine Studenten und ließ in einer Klausur die „Liebesfähigkeit“ des Sängers mit den Lehren des amerikanischen Psychologen Abraham Maslow vergleichen. Eine weitere Frage lautete: „Warum ist die Musik von Modern Talking in Deutschland so erfolgreich, in Amerika aber ein Flop?“

Diese Geschichte allein hätte sicher noch nicht zu den großen Kontroversen in der Stadt geführt. Doch zugleich brachte sich der umtriebige Professor mit zwei weiteren Aktionen in die Lokalpresse. In einem filmreifen Coup „entführte“ er zusammen mit einer Handvoll Studenten eine Statue der Heiligen Barbara aus dem Kreismuseum. Die Gruppe war in Weihnachtsmann-Kostümen kurz vor Schließung des Hauses ins ehrwürdige Gebäude gestürmt. Mit Geschenken lenkten sie die Kassiererin und die Aufsicht ab, um die etwa 60 Zentimeter große Statue vom Sockel zu nehmen. Zurück ließen sie einen Zettel mit dem Versprechen, die Schutzheilige der Bergleute am nächsten Tag zurückzubringen. So geschah es zwar auch, aber nun hat der Professor eine Strafanzeige des zuständigen Landrats am Hals. „Wir benötigten die Figur für eine Veranstaltung in unserer Hochschule, zumal die einstige Bergarbeiterstadt den Santa-Barbara-Tag ohne Ehrung verstreichen ließ“, erklärt Professor von Grawert-May die „Entführung“.

Außerdem kämpft der Hochschullehrer gegen den beschlossenen Umzug des Fachbereiches Wirtschaftswissenschaften von Senftenberg nach Cottbus. „Dann verliert die Stadt auf einen Schlag 500 der 3000 Studenten“, schimpft Grawert-May. Das sei besonders tragisch, da auch das Kohle-Unternehmen Laubag im nächsten Jahr seine Verwaltung mit 600 Leuten nach Cottbus verlagere. Er will deshalb öffentlich ein Sterbeglöckchen für jeden Senftenberger erklingen lassen, der die Stadt verlassen müsse.

Diese Provokationen wurden anfangs noch überwiegend als amüsant bewertet. Die Stimmung in einem Teil der Professoren- und Studentenschaft und auch in der Stadt kippte nach einem Zeitungsinterview. Darin versprach von Grawert-May Dieter Bohlen nicht nur Hilfe bei dessen Promotion, sondern auch eine Professur an der Fachhochschule. „Ich kann mich nicht mehr an jedes Interview erinnern“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler heute. „Aber Bohlen ist Diplom-Kaufmann und kann sich natürlich um eine Promotion bemühen. Ich habe ihm aber keine Unterstützung zugesagt.“

Bohlen selbst bekundete durchaus sein Interesse an einer akademischen Karriere und einer Dissertation. „Vielleicht schreibe ich über die Auswirkung von Modern Talking auf den Aktienkurs“, meinte der 48-Jährige.

„Jetzt ist Schluss mit lustig“, formulierten vier Professoren in der vergangenen Woche in einem offenen Brief an ihren provozierenden Kollegen. Sie befürchten einen Imageschaden. Auch die Präsidentin der Fachhochschule, Brigitte Klotz, reagiert auf den plötzlichen Trubel inzwischen ziemlich schroff. „Ich muss viele Fragen beantworten, ob wir eine Spaßhochschule oder eine seriöse Bildungseinrichtung sind“, sagt sie. „Natürlich ist die Freiheit der Wissenschaft groß. Aber es muss schon die Frage erlaubt sein, warum ausgerechnet das Buch von Dieter Bohlen in den Vordergrund eines Studienfaches gerückt wird.“ Als Präsidentin trage sie Verantwortung für die ganze Hochschule. Deren Ruf sehe sie durch die Aktionen in Gefahr. Auch die „Entführung“ der Barbara-Statue habe sie bestürzt.

Professor Erik von Grawert-May hält trotz aller Widerstände an seiner Einladung an Dieter Bohlen zu einem Besuch in der südbrandenburgischen Kleinstadt fest. „Ich möchte ihn gern in meiner Vorlesung zu Grundlagen der Erfolgspsychologie haben“, sagt er. Bohlen selbst hat angekündigt, bald nach Senftenberg zu kommen. Er sei erschrocken und verwundert über den Streit um die Seriosität der Hochschule, meinte er.

Präsidentin Brigitte Klotz würde den Sänger und Komponisten allerdings lieber auf dem benachbarten Lausitzring sehen: „Dann wäre der endlich wieder einmal voll.“

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