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Brandenburg: Nur die Lehrlinge bleiben der geplanten Chipfabrik treu

Jugendliche reißen sich um Azubi-Stellen – obwohl das Werk wohl nie kommt

Frankfurt (Oder). Aus der Chipfabrik in Frankfurt (Oder) wird zwar höchstwahrscheinlich nichts – aber trotzdem werden eifrig künftige Mitarbeiter ausgebildet: 72 Azubis sind es seit Sommer 2002, im Sommer 2003 kommen noch 60 neue dazu. Illusionen über die Zeit nach der Ausbildung machen sich die jungen Leute nicht: „Natürlich sind unsere Azubis angesichts der unklaren Zukunft des Werkes etwas nervös“, bestätigt Jürgen Lemke-Kraft, Personalchef von Communicant, der Firma, die die Chipfabrik bauen und betreiben will. „Aber bislang sind wir nicht tot und die Jugendlichen brauchen nicht den Kopf in den Sand zu stecken.“

Dass eine noch nicht existierende Firma Nachwuchs ausbildet, ist durchaus ungewöhnlich. Communicant greift auf Angebote verschiedener Bildungsträger zurück, darunter auch die Berliner Siemens AG. Die Azubis sprechen von einer „Lehre für die Chipfabrik“ statt einer „Lehre bei der Chipfabrik“. 360000 Euro zahlt Communicant jährlich für die Ausbildung der 72 Azubis. Dieses Geld sei für dieses Jahr auf jeden Fall gesichert, sagt der Personalchef.

Ein kleiner Trost, der auch nötig ist. Die Azubis, die sich 2002 im Auswahlverfahren gegen knapp 1200 Mitbewerber durchgesetzt haben, konnten ihr Glück zunächst kaum fassen. Ihre Zukunft schien rosarot: erst eine qualifizierte Ausbildung zum Industriekaufmann, IT-System-Elektroniker, Mechatroniker oder Mikrotechnologen – und dann auch noch ein garantierter Arbeitsplatz. Besser ging es kaum in der strukturschwachen Region im Osten Brandenburgs. Das war einmal: Heute sehen sich die Azubis in einer ganz anderen Situation.

„Im Bekanntenkreis höre ich schon mal abfällige Bemerkungen, wenn ich von meiner Lehre für die Chipfabrik erzähle“, sagt die 19-jährige Kristin Ballat. „Das beflügelt mich natürlich nicht gerade.“ Aber zumindest ihre Eltern klopften noch anerkennend auf die Schulter und machten Mut zum Weitermachen. Ähnlich geht’s der 17-jährigen Julia Zech, die ebenfalls Industriekaufmann lernt. „Ich habe bestimmt 20 oder mehr Bewerbungen für einen Ausbildungsplatz geschrieben, andere sogar 40 und 50. Doch es hagelte nur Absagen“, sagt die Frankfurterin. „Da kann ich nur stolz darüber sein, dass ich bei der Chipfabrik angenommen wurde.“ Diesen Erfolg lasse sie sich nicht klein reden. An ein mögliches Aus denke sie nicht.

In der Oderregion winken die meisten Menschen beim Thema Chipfabrik inzwischen ab. So groß die Hoffnungen, die anfangs produziert wurden, so groß jetzt die Enttäuschung. Jetzt, wo immer klarer wird, dass die Chipfabrik vor dem Scheitern steht, wo immer neue Beschwichtigungen sich mit Meldungen abwechseln, dass keine Bank der Communicant AG die fehlenden 650 Millionen Dollar zur Verfügung stellen oder von anderswo her beschaffen will.

Trotzdem gibt es schon Hunderte Bewerber fürs neue Ausbildungsjahr. „Wenn die Chipfabrik wirklich kommt, erleben wir im Personalbüro eine wahre Explosion“, bleibt Lemke-Kraft optimistisch. „Dann läuft hier eine richtige Job-Maschine an.“ 1500 Stellen sehen die Planungen vor. Soweit die Theorie.

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