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OB-Kandidaten: SPD-Frau macht Wahlkampf gegen die eigene Partei

Drei Bewerber wollen Frankfurts Stadtchef werden. Der Kandidat von SPD, CDU und FDP muss zittern.

Von Sandra Dassler

Frankfurt (Oder) - Wenn Katja Wolle vom Frankfurter Rathaus zu ihrem Lieblingscafé am Markt eilt, muss sie oft Hände schütteln. „Wir wählen Sie“, sagen viele: „Jetzt erst recht.“ Das zielt darauf, dass Katja Wolle zwar seit 2002 für die SPD Bürgermeisterin und Dezernentin für Kultur und Soziales ist, ihre Partei sie aber für die Wahl des Oberbürgermeisters am heutigen Sonntag nicht aufgestellt hat. „Die machen hier lieber wie in der DDR einen auf Nationale Front“, sagt die zierliche 54-Jährige verächtlich.

Tatsächlich hat die Frankfurter SPD im Dezember den Parteilosen Martin Wilke zu ihrem OB-Kandidaten gewählt. Der ist Geschäftsführer des Investorcenters Ostbrandenburg, einer Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Stadt. Er wirbt damit, dass er „echter Frankfurter“ ist, und möchte zweiter Geschäftsführer bleiben, auch wenn er zum Oberbürgermeister gewählt wird. Wenig später erklärte die Frankfurter CDU, dass sie ebenfalls Wilke unterstützt. FDP, Bürgerbündnis und die „Frauen für Frankfurt“ schlossen sich an. Nur die Linke stellte einen eigenen Kandidaten auf. Und Wolle ignorierte die Parteiausschluss-Drohungen einiger ihrer Genossen und tritt als Einzelkandidatin an.

Chancenlos dürfte sie nicht sein. Sie nennt ihren Einsatz um den Erhalt städtischer Arbeitsförderprogramme, Kultur- und Sportstätten „engagiert“, für andere ist er „unrealistisch“. Wolle habe durch ihre „Egozentrik“ wesentlich zum Unfrieden im Rathaus beigetragen, heißt es etwa im Umfeld des jetzigen CDU-Oberbürgermeisters Martin Patzelt. Der hatte schon 2006 einen Abwahlantrag gegen seine Stellvertreterin Wolle gestellt – erfolglos.

Patzelt wäre gern weitere acht Jahre im Amt geblieben, ist aber laut Kommunalwahlgesetz zu alt dafür. Dass seine Partei keinen eigenen Kandidaten aufstellt, erfüllt ihn mit Gram. „Auch wenn ich Martin Wilke für einen guten Mann halte, hatte ich doch immer Nachfolger aus meiner eigenen Partei im Blick“, sagt er. Und meint vor allem den brandenburgischen Ex-Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns, der aus Frankfurt kommt. Aber Junghanns wollte das Amt ebenso wenig wie Patzelts Kämmerer Markus Derling.

Auch bei den Linken gab es Streit um Kandidaten. Einer, der wollte, durfte nicht wegen möglicher Stasi-Verstrickung. So musste einer ran, der erst überhaupt nicht wollte: Stefan Ludwig, von 2002 bis 2009 Bürgermeister von Königs Wusterhausen, kandidierte 2009 für den Landtag, war an den Koalitionsverhandlungen zur Bildung der rot-roten Landesregierung beteiligt und galt gar als Ministerkandidat. „Ich wollte, dass ein Frankfurter antritt, aber es gab keinen Geeigneten“, sagt der 42-Jährige, der den Bürgern schonungslos offerierte, dass die Probleme nicht kleiner werden würden – auch wenn nicht mehr so viele Menschen abwandern und hunderte Jobs durch Callcenter und Solarfirmen geschaffen wurden.

„Viele dieser Jobs sind aber nicht existenzsichernd“, kritisiert Gewerkschaftssekretär Volker Kulle: „Das will Ludwig, der im Gegensatz zu Wilke Verwaltungserfahrung hat, ändern.“ Kulle muss für Ludwig sein: Der 1991 vom Niederrhein an die Oder gewechselte ehemalige SPD-Mann sitzt jetzt für die Linke in der Stadtverordnetenversammlung. „Die etablierten Parteien haben einen gemeinsamen Kandidaten aufgestellt, um ihre Pfründe zu sichern“, sagt er: „Ich nenne das die Kommunale Front.“

Auch der Ex-Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, Henning Krüger, fragte unlängst, „ob die Präsentierung eines gemeinsamen Kandidaten nicht die demokratische Direktwahl des Oberbürgermeisters durch die Bürger untergräbt.“ Das sei „wenig praxistauglich“, wies CDU-Chef Derling diese Kritik zurück. Aber so ist das mit Theorie und Praxis an der Oder: Theoretisch müsste das Rennen zwischen dem Kandidaten der Linken und dem der restlichen Parteien entschieden werden. Praktisch ist denkbar, dass die Frankfurter etwas ganz anderes tun. Befürchtet jedenfalls Oberbürgermeister Patzelt: „Katja Wolle hat so eine Art Mythos um sich aufgebaut“, sagt er. Und sie sei – wie viele Frankfurter – gegen eine Straßenbahn ins benachbarte Slubice. Das könnte reichen.

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