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Brandenburg: Pinnow: Hoffen auf den Millionenauftrag

Wer ist der Mann in der Rakete? Amerikaner, Franzosen und Deutsche rätseln, die Russen halten sich zurück.

Wer ist der Mann in der Rakete? Amerikaner, Franzosen und Deutsche rätseln, die Russen halten sich zurück. In einem zur Hälfte demontierten Kriegsungetüm hockt eine Büste. "Etwa Felix Dzierzynski?" fragt ein früherer Offizier der US-Streitkräfte. Die russischen Kollegen nicken.

Tatsächlich, der Gründer des sowjetischen Ministeriums für Staatssicherheit ziert im Museum der Firma für Munitionsentsorgung im uckermärkischen Pinnow eine frühere Interkontinentalrakete. Besichtigt wurde das Nammo-Buck-Werk vergangene Woche von Militärexperten und Politikern im Auftrag der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

Der Gag mit der Büste war dabei jedoch fast der einzige Anlass für ungezwungene Unterhaltung. Technische Details der unterschiedlichen Waffen und Munition bestimmten die Visite in dem von der Außenwelt streng abgeschirmten Werk der skandinavischen Nammo-Gruppe in der Nähe von Schwedt. "Wir haben schließlich mehrere Dutzend Millionen Mark zu verteilen", sagte OSZE-Delegationsleiter Oswald Schneidratus. Das Geld sei für die umweltverträgliche Entsorgung von 40 000 Tonnen Munition bestimmt. Diese Menge, die nach Angaben von Schneidratus der anderthalbfachen Sprengkraft der Hiroshima-Atombombe entspricht, lagert viele 100 Kilometer südöstlich von Brandenburg: in der Transdnestrischen Moldauischen Republik. Dieses international nicht anerkannte Gebilde entstand nach dem blutigen Bürgerkrieg Anfang der neunziger Jahre, als die frühere Moldauische Sowjetrepublik zerfiel.

"Die Lagerung der Munition ist katastrophal", erklärt der OSZE-Experte. "Sie ist weder gegen Blitzschlag geschützt, noch streng bewacht." Sie könnte also leicht in falsche Hände geraten. Deshalb sucht die OSZE Entsorgungsbetriebe. Bis Ende 2002 soll der Auftrag erledigt sein. Das Werk in Pinnow muss sich gegen Konkurrenz aus den Niederlanden und Belgien, gegen das Spreewerk und eine Firma in Sachsen durchsetzen. Ministerpräsident Manfred Stolpe will den lukrativen Auftrag, dem bei einem Erfolg weitere Geschäfte folgen würden, auf jeden Fall im Land behalten. Und besonders gerne in der Uckermark, dem Landkreis mit extrem vielen Arbeitslosen.

70 Frauen und Männer sind in Pinnow derzeit noch mit der Munitionsentsorgung beschäftigt. Die Lieferungen kommen zum größten Teil aus Nato-Staaten, da den Osteuropäern für eine ordnungsgemäße Verschrottung Geld fehlt. Für das Werk spricht die große Erfahrung. Unmengen an Muntion der aufgelösten NVA gingen hier seit 1991 in den Schredder, in Sprengkammern oder in andere Spezialmaschinen zur Demontage. Allein rund 420 000 Raketen sowjetischer Bauart und amerikanische Splitterbomben wurden in jenen Hallen entsorgt, in denen bis zur Wende Panzerabwehrraketen produziert worden waren. An den meisten Anlagen klebt noch heute der Schriftzug "Buck Pinnow". Doch Ende 1998 musste die süddeutsche Firma Konkurs anmelden, das skandinavische Konsortium übernahm das Ruder. "Wir entsorgen heute alle Waffen und deren Munition", sagte Geschäftsführer Eduard Herbst.

Und irgendwann ist sicher auch Dzierzynski dran.

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