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Fahnen der SPD. Besonders im Süden und Osten Deutschlands hat es die Partei derzeit schwer.

© dpa

SPD: Aufbruch unter Schmerzen

Der Fortbestand der SPD als Volkspartei ist in Gefahr - vor allem weil sie im Süden extrem schwach ist. Aufgeben sollte sie dort aber nicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Da haben sie wirklich Glück, dass im Moment alle staunend auf die Union schauen. Also auf den Schwesternstreit zwischen CSU und CDU. Auf die jüngste Philippika des früheren Langzeitregierungschefs in Bayern, Edmund Stoiber, gegen den Kurs von Langzeitbundeskanzlerin Angela Merkel. Auf die harschen Worte des Rekordbundeskanzlers Helmut Kohl in der Flüchtlingsfrage gegen Merkel und seine positive Beurteilung von Viktor Orban in Ungarn. Das beherrscht die Schlagzeilen wie die Gemüter. Gäbe es das alles nicht – die SPD stünde im Fokus.

Und zwar mit allen Facetten dieser Wochen und Tage. Das Abschneiden der Genossen bei den Wahlen im Süden und im südlichen Osten der Republik ist nämlich erbarmungswürdig. Aber nicht nur das, es ist gefährlich für den Fortbestand der SPD als Volkspartei. Hier in Kürze die bittere Wirklichkeit, wenngleich in aufsteigender Linie: 10,6 Prozent in Sachsen-Anhalt, 12,4 in Thüringen, 12,4 in Sachsen, 12,7 in Baden-Württemberg, 20,6 in Bayern.

Kein Wunder, dass jetzt – zum Beispiel – in Baden-Württemberg die Frage nach der Führung gestellt wird. Nils Schmid ist der Landesvorsitzende und noch der Landesfinanzminister. Er ist zweifellos sehr kenntnisreich, als Person integer, nur kein Frontmann für die Partei, keiner, der mitreißt. So hört er es aus seinem Landesverband, so liest er es in Briefen. Ein wenig erinnert das an das Schicksal von Dieter Spöri, der auch in einer großen Koalition ein kundiger Landesminister war – für Wirtschaft –, und zwar unter Erwin Teufel (CDU). Dann aber hatte er 1996 mit 25,1 Prozent das bis dahin schlechteste Ergebnis für die SPD seit Landesgründung zu verantworten. Und ging. Spöris Nachfolger würden heute bei 25 Prozent auf den Schultern getragen.

"Spagat einer Neuaufstellung ohne Atempause"

Personelle Konsequenzen sind allerdings nur das eine, die strategische Ausrichtung ist das andere. Da gibt Sachsen-Anhalt einen Hinweis: Mag das Ergebnis dort auch schlecht sein – noch schlechter wäre für die SPD, in der Opposition ganz in Vergessenheit zu geraten. Der neue Landesvorsitzende, der Magdeburger Bundestagsabgeordnete Burkhard Lischka, hat eine treffende Beschreibung für das gefunden, was die SPD jetzt leisten muss: den "Spagat einer Neuaufstellung ohne Atempause". Genau darum geht’s, für den ganzen Bund. Denn behebt die Sozialdemokratie ihre Schwäche vor allem Richtung Süden nicht, wird sie das am Ende auch in jenen Ländern Stimmen kosten, wo sie gegenwärtig noch stärker ist. Schlicht weil die Wähler ihr das Siegen nicht mehr zutrauen.

Für die Bundestagswahl wäre das fatal. In den Landesregierungen zu bleiben, auch wenn der eindeutige Regierungsauftrag ausgeblieben ist, bietet den Genossen immerhin die Chance, sich als unverändert gestaltungsfähig zu erweisen. Und wenn dann der Streit der Unionsschwestern so weitergeht, sich die Union augenfällig entzweit, sogar Angela Merkel davon genervt erscheint – dann können für die SPD auch wieder bessere Zeiten anbrechen.

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