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SPD-Generalsekretär Hubertus Heil präsentiert die Plakatkampagne der SPD für die Bundestagswahl.

© Kay Nietfeld,dpa

SPD-Wahlkampagne: Das freundliche Gesicht

Die Sozialdemokraten stellen ihre Kampagne zur Bundestagswahl vor. Sie setzt auf die Themen Bildung, Rente und Gerechtigkeit. Einen Monat lang geht Martin Schulz auf Tour durch Deutschland.

Von Antje Sirleschtov

Das Deutschland des Martin Schulz hat im Sommer 2017 ein freundliches Gesicht, friedlich und fröhlich. Muffige Schultoiletten? Alte Menschen, die in Mülleimern Pfandflaschen suchen? Herumlungernde Jugendliche? Fehlanzeige. Wenn Martin Schulz’ Genossen in ein paar Tagen überall in Deutschland ihre Wahlplakate aufkleben, dann schaut uns ein netter junger Mann an, sauber gekleidet, der neben einem Roboter auf der Bank sitzt. Oder eine strahlende junge Frau umarmt ihre Mutter im schicken neuen Pullover mit Goldkette. Und zwei Vorschulkinder zeigen frech ihre Zahnlücken.

Gesund und heile scheint die Welt

Wenn man das Deutschland des Martin Schulz im Sommer 2017 so ansieht, dann könnte man fast auf die Idee kommen, es fehlt uns an nichts. Ein bisschen ist es wie in den Werbefilmen für Voltaren oder Nutella: Gesund und heile scheint diese Welt. Nur noch ein Klecks Salbe aufs Knie oder etwas Leckeres auf dem Brötchen fehlt zum Glück.

Da liegt wahrscheinlich auch das Problem, das Martin Schulz mit dem Deutschland im Sommer 2017 hat. Er will Angela Merkel aus dem Kanzleramt vertreiben. Dazu wäre es schön, ein paar wirklich griffige Argumente zu haben, um der CDU-Chefin nachzuweisen, wie sie Deutschland ins Verderben gestürzt hat. Stattdessen geht es dem Land gut, die Arbeitslosigkeit ist niedrig, im Metallgewerbe zahlen Arbeiter Spitzensteuersätze und für die Abschaffung von Armutslöhnen hat sich die sozialdemokratische Arbeitsministerin Andrea Nahles gerade erfolgreich in der großen Koalition eingesetzt. Wie also soll Martin Schulz in einer solchen Lage die Bundestagswahl in sieben Wochen gewinnen? Umfragen sehen ihn zwischen 22 und 24 Prozent und die Wahlprofis sagen unisono: Merkel muss goldene Löffel stehlen, um das Rennen noch zu verlieren.

Die Kraft der Suggestion

An diesem Dienstag setzt Hubertus Heil auf die Kraft der Suggestion. „Das Rennen ist offen“, sagt der fast neue Generalsekretär der SPD oder: „Es kommt immer auf den Sprint am Ende an.“ Und auch: „Wir wollen, dass Martin Schulz Kanzler von Deutschland wird.“ Aufrecht steht Heil im Willy-Brandt-Haus, erläutert die Ziele seiner Partei und versucht sie in Einklang zu bringen mit den schönen Menschen auf den Plakaten hinter ihm. Mehr Gerechtigkeit für Bildung und Frauen, mehr für Renten, Generationengerechtigkeit. „Die Zukunft braucht neue Ideen“, heißt es auf einem Plakat. Es ist das einzige, auf dem Martin Schulz zu sehen ist und es steht drauf, dass die Zukunft noch dazu „einen (braucht), der (diese Ideen) umsetzt“. Gemeint ist damit natürlich der Kandidat selbst. 24 Millionen Euro steckt die SPD in seine Kampagne. Plakate, Twitter, Facebook und eine „Live-Tour“ von Martin Schulz. In 30 Tagen quer durch das Land. Nächste Woche geht es in Sachsen los, am Tag vor der Wahl kämpft Schulz in Aachen zum letzten Mal. Dann soll möglichst jeder seine Vorstellungen vom besseren Regieren kennen, seine Ideen für Deutschland.

Merkels Plan sieht nicht viel anders aus

Wie schwer es ist, mit guten Ideen gegen Merkel anzukommen, hat der Herausforderer allerdings gerade wieder erfahren müssen. Vergangene Woche warf er der Kanzlerin vor, sie wolle das Flüchtlingsthema aus dem Wahlkampf heraushalten, tue nicht genug, um zu verhindern, dass sich der Zustrom aus dem Süden vom vorvergangenen Jahr wiederholt. Schulz’ Plan: Sicherung der europäischen Außengrenzen, gerechtere Verteilung der Flüchtlinge in Europa und wirkungsvollere Bekämpfung der Fluchtursachen. Alles richtig, wenn man mal für einen Moment vergisst, dass Merkels Plan nicht viel anders aussieht.

Doch es gibt zwei Probleme für den Sozialdemokraten Schulz. Erstens: Zur Umsetzung braucht er – genau wie Merkel – die europäischen Nachbarn und die sträuben sich hartnäckig. Täten sie das nicht, wenn der deutsche Kanzler Schulz hieße und ihnen noch dazu mit dem Entzug von EU-Mitteln droht? Wohl kaum.

Keine einheitliche Linie

Das zweite Problem: Genau wie zwischen CDU und CSU gibt es auch in Schulz’ eigener Partei ganz unterschiedliche Vorstellungen davon, wie eine Flüchtlingswelle vom Ausmaß von 2015 zu verhindern ist. So plädiert etwa der niedersächsische Innenminister, Boris Pistorius, in der SPD-Spitze für innenpolitische Fragen zuständig, dafür, Flüchtlinge noch auf afrikanischem Territorium in Auffanglagern zu sammeln und dort ihre Asylanträge zu prüfen. Es gehe darum zu „verhindern, dass sich Menschen ohne Perspektive (also ohne Chance auf Asyl in Europa, A.d.R.) auf den Weg machen, um dann in einem Elend in Italien zu stranden“, sagte er der Süddeutschen Zeitung. Auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hat das schon gefordert.

Doch in der SPD gibt es dazu bis heute keine einheitliche Linie. Außenminister Sigmar Gabriel will diesen Weg nicht gehen, der Kanzlerkandidat selbst spricht von „nicht umsetzbaren“ Plänen und SPD-Vize Ralf Stegner sieht in Pistorius’ Plan gar „keine sozialdemokratische Lösung“. Schließlich könne es nicht richtig sein, das europäische Asylrecht „auszuhöhlen“ und nach Afrika outzusourcen. Wie heißt es auf den SPD-Plakaten? „Die Zukunft braucht neue Ideen. Und einen, der sie umsetzt.“ Ob Martin Schulz die Wähler in den nächsten Wochen davon überzeugen kann, dass er das besser als Merkel kann?

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