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Andreas Audretsch, Fraktionsvize von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag

© dpa/Fabian Sommer

Debatte über Bürgergeld: Grünen-Fraktionsvize Audretsch hält Streichung für verfassungswidrig

Der Grünen-Politiker hat eine genaue Prüfung der geplanten Bürgergeld-Verschärfungen angekündigt. Der Paritätische Gesamtverband warnt unterdessen vor einer Klagewelle.

Der Fraktionsvize der Grünen im Bundestag Andreas Audretsch hält die geplante Streichung des Bürgergelds für Arbeitsverweigerer für voraussichtlich verfassungswidrig. „Das Bundesverfassungsgericht hat 2019 geurteilt, dass Sanktionen im Regelfall nur bis zu einer Höhe von 30 Prozent gerechtfertigt werden können“, sagte er der „Rheinischen Post“ aus Düsseldorf (Mittwochsausgabe).

„Diese Sanktionshöhe gibt es schon jetzt im Bürgergeld“, so Audretsch. Darüber hinaus habe das Gericht entschieden, dass das Existenzminimum in Deutschland zu jeder Zeit gesichert sein müsse.

„Diese Vorgaben sind Grundlage unserer Verhandlungen, darauf prüfen wir den Vorschlag der Bundesregierung nun im parlamentarischen Verfahren genau“, betonte Audretsch.

SPD-Linker Stegner verteidigt Bürgergeld-Streichung

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner hingegen verteidigte die geplanten Sanktionen gegen Kritik auch von Sozialdemokraten. „Das Bürgergeld ist kein leistungsloses Grundeinkommen“, sagte der Parteilinke der „Rheinischen Post“. „Die Menschen, die jeden Tag hart arbeiten und Steuern und Sozialabgaben zahlen, hätten kein Verständnis dafür, dass Bürgergeld-Empfänger, die nicht arbeiten wollen, keine Konsequenzen fürchten müssen.“ Daher finde er die Änderungen „richtig und vertretbar“, betonte er.

Stegner fügte hinzu, das Thema sei „maßlos überschätzt“, da die möglichen Sanktionen nur eine sehr kleine Gruppe von Menschen beträfen. Die große Mehrheit der Bürgergeld-Bezieher halte sich an die Regeln und wolle arbeiten. Teile der SPD-Fraktion wollen die Bürgergeld-Änderungen bislang dagegen nicht mittragen.

Das Bundeskabinett hatte am Montag grünes Licht für die geplanten Verschärfungen beim Bürgergeld gegeben. So sollen Jobcenter künftig Arbeitslosen das Bürgergeld für maximal zwei Monate komplett streichen können, wenn die Betroffenen eine Arbeitsaufnahme nachhaltig verweigern. „Die Möglichkeit der Arbeitsaufnahme muss tatsächlich und unmittelbar bestehen und willentlich verweigert werden“, heißt es nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur im entsprechenden Entwurf eines Haushaltsfinanzierungsgesetzes.

Die Regierung beruft sich darauf, dass das Verfassungsgericht grundsätzlich auch einen kompletten Leistungsentzug als möglich erachtet hat, wenn ein Bürgergeld-Empfänger ohne wichtigen Grund ein konkret bestehendes und zumutbares Arbeitsangebot verweigert.

Der CDU-Haushaltsexperte Christian Haase sagte den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland vom Mittwoch: „Das Bürgergeld setzt falsche Anreize.“ Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sei zwar nun „etwas mehr in der Realität angekommen“ und verschärfe die Leistungskürzung für arbeitsunwillige Bürgergeldempfänger. Das Credo müsse aber „weniger Hängematte, mehr Fordern und Fördern“ sein. Dies gelte erst recht nach der Bürgergelderhöhung von elf Prozent 2023 und zwölf Prozent 2024. Eine entsprechende Lohnerhöhung habe die „arbeitende Gesellschaft“ nicht bekommen.

Arbeitsminiser Heil will „Totalverweigerer“ sanktionieren

Heil hatte kürzlich angekündigt, „Sanktionsmöglichkeiten gegen Totalverweigerer“ verschärfen zu wollen. Lediglich die Wohnkosten soll der Staat dann noch übernehmen, damit die Betroffenen nicht obdachlos werden. Die Streichung der Bürgergeld-Bezüge soll aber auf zwei Monate befristet sein.

Sollte das Gesetz beschlossen werden, kommt nach Auffassung des Paritätischen Gesamtverbands eine Welle der Widersprüche auf Jobcenter zu. „Ich kann die Jobcenter nur warnen, von der Möglichkeit, das Bürgergeld komplett zu streichen, viel Gebrauch zu machen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands, Ulrich Schneider, der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“ (Mittwoch). „Es wird Widersprüche hageln.“

Wer beim Bürgergeld auf null gekürzt werde, habe nichts zu verlieren. „Dort, wo Arme mit Sanktionen belegt werden und sich allein kaum wehren können, werden die Sozialverbände bei der Formulierung des Widerspruchs helfen.“ Die Fälle würden auch vor Gericht ausgefochten – „notfalls geht es bis vors Bundesverfassungsgericht“. (AFP, dpa)

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