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Bundesinnenminister Thomas de Maiziere will die Sicherheitsbehörden zentralisieren.

© Kay Nietfeld/dpa

Sicherheitsdebatte in Deutschland: Die CDU prescht vor

Thomas de Maizière hat die CDU wieder ins Zentrum des Diskurses gebracht. Nicht ohne Widersacher.

Von Antje Sirleschtov

Dieses Mal könnte es gelungen sein: Die Deutschen fragen sich nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt einmal mehr, ob das Land noch sicher ist und ob Politik und Behörden den Bedrohungen durch Terrorismus überhaupt gewachsen sind. Und Thomas de Maizière, der Bundesinnenminister, lässt keine Zeit verstreichen und gibt schon am dritten Tag des neuen Jahres Antworten. Aufsehen erregende Antworten zumal. Er will die Bundespolizei stärken, stellt die Landesverfassungsämter in Frage und will nationale Ausreisezentren schaffen. Und zugleich grundsätzliche Antworten: Der Staat, sagt de Maizière, müsse „vorbereitet sein auf große Krisen und große terroristische Bedrohung“.

So stellt man sich einen Innenminister in bedrohlichen Zeiten vor: entschlossen und ohne Scheu vor Konfrontation. Oft war der CDU-Politiker de Maizière in den vergangenen zwei Jahren für seine Amtsführung kritisiert worden. Von der Wucht des Flüchtlingszuwanderung schien er überrollt, in Fernsehinterviews wirkte er zaghaft, zuweilen überfordert. Auf jeden Fall nicht zupackend. Und im Ringen mit politischen Gegenspielern hatte man nicht selten den Eindruck, dieser Minister sei lediglich Teilnehmer einer Sicherheitsdebatte, aber kaum ihre treibende Kraft.

Eigene sicherheitspolitische Agenda

Mit seinen „Leitlinien für einen starken Staat in schwierigen Zeiten“, die er am Dienstag ganzseitig in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ veröffentlichte, könnte sich diese Sicht auf seine Person ändern. Vom eher umständlichen Verwalter hin zum entschlossenen Gestalter. Statt die unterschiedlichsten Vorschläge zur Verbesserung des Schutzes vor Anschlägen, die im politischen Raum kursieren, wahlweise zu kommentieren oder abzuwehren, wie er es lange Zeit tat, spricht er nun von „nationalen Katastrophen“ und reißt das Szenario einer neuen – schlagkräftigeren – Sicherheitsarchitektur als Abwehr dagegen auf. Seine Botschaft: Große Bedrohungen des Landes verlangen große Maßnahmen. Und wohl auch den Mut des Verantwortlichen, ins Offene zu gehen.

Schon lange hadert de Maizière mit den Mühen zersplitterter föderaler Strukturen und der Handlungsunfähigkeit, die das mit sich bringt. Immer jedoch tat er das im Stillen, ganz der abwägende Politiker, wie man ihn kennt aus seiner ersten Amtszeit im Ressort und auch in den vergangenen drei Jahren.

Nun hat Thomas de Maizière zum erstmals eine eigene sicherheitspolitische Agenda vorgelegt. Er hat das weit verbreitete Gefühl von Kompetenzgerangel und Handlungsunfähigkeit aufgegriffen, hat Zentralisierung und Konzentration vorgeschlagen und ganz nebenbei auch noch Tabus angefasst: den Einsatz der Bundeswehr im Inneren etwa, im Katastrophenfall. Und auch, wenn der Chor der Ablehnenden sofort lautstark Protest ruft, die Kritiker wirken am Ende wie kleinmütige Verteidiger kleinstaatlicher Claims. Ganz unabhängig davon, ob der Innenminister für seine Vorschläge im Bundestag und der Länderkammer Zustimmung bekommen kann: Vor dem Hintergrund einer nationalen Bedrohungen werden es andere schwer haben, adäquate Gegenvorschläge zu machen. Mit ein bisschen mehr hier oder ein wenig mehr dort wird man nach de Maizières Vorlage nur schwer überzeugen können.

Doch nicht nur für sein Image als starker Innenminister sind die Vorschläge – in Zeitpunkt und Formulierung – wichtig. Beinahe noch entscheidender dürfte ihre Wirkung mit Blick auf die nahenden Landtagswahlen und vor allem die Bundestagswahl sein. Als erstes im Binnenverhältnis zur Schwesterpartei CSU, die quasi seit einem Jahr den innenpolitischen Ton im Unionslager angibt und die CDU mit ihrer Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtlinge vor sich hertreibt. De Maizière hat dem nun erst einmal ein Stoppschild entgegengehalten. Ein Land unter Sicherheitsbedrohung hat wichtigeres zu tun, als die Frage zu debattieren, ob nun 200 000 oder 250 000 Asylsuchende aufgenommen werden – so schallt es aus dem Innenministerium in Berlin pünktlich zum Beginn des traditionellen CSU-Treffens in Bayern. All jene in der CDU, die sich monatelang von den Bayern gedemütigt sahen, weil deren pointierter Kurs in der Flüchtlings- und Sicherheitspolitik die CDU wie ein schwankendes Fähnlein im Wind aussehen ließ, werden die Leitlinien des Innenministers begrüßt haben. Auch wenn sie nicht in jedem Punkt dahinterstehen. Denn mit einem Schlag ist die CDU zurück im Zentrum der Diskussion.

Für die Kanzlerin und CDU-Chefin wird das die eigentliche Wirkung des de Maizièreschen Vorstoßes sein. Angela Merkel muss im Bundestagswahlkampf nämlich einen ganz besonderen Beweis überzeugend antreten: Mit der CDU an der Macht ist Deutschland den Gefahren des Terrorismus nicht ausgeliefert. Dazu braucht Merkel einen entschlossenen obersten Sicherheitspolitiker, der die Dimension der Bedrohung erkennt und Konzepte hat. Thomas de Maizière, das hat er jetzt dokumentiert, will dieser Wahlkämpfer an Merkels Seite sein.

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