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Politik: Die französische Linke kritisiert dominante Rolle des Premiers

In der Pariser Linkskoalition knistert es. Der französische Premierminister Lionel Jospin ziehe zu viele Entscheidungen an sich, klagen die an der Regierung beteiligten Kommunisten und Grünen.

In der Pariser Linkskoalition knistert es. Der französische Premierminister Lionel Jospin ziehe zu viele Entscheidungen an sich, klagen die an der Regierung beteiligten Kommunisten und Grünen. In der Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik kämen die kleinen Koalitionspartner kaum zum Zuge, kritisieren Parlamentsabgeordnete. Bei der Vorbereitung der Kommunalwahlen 2001 wollten die majoritären Sozialisten zu wenig Zugeständnisse machen, heißt es in Städten und Gemeinden.

Bisher wurde die Kritik meist hinter vorgehaltener Hand vorgetragen. Doch seit einigen Tagen lockern sich die Zungen. "Die Lage in der Regierung spannt sich immer mehr an", erklärte die grüne Umweltministerin Dominique Voynet. "Die Politik der Linken muß viel weiter links angesiedelt werden, sonst verlieren wir die nächsten Wahlen", warnte Kommunistenchef Robert Hue. Sogar Sozialistenführer Francois Hollande, ein Jospin-Vertrauter, wagte sich vor: Die Budgetpolitik der Regierung sei nicht transparent genug, es sei höchste Zeit für eine "demokratische Debatte".

Im Kern kreist die Kritik um die dominierende Rolle von Premierminister Jospin. Der beliebte und erfolgreiche Sozialist, der sich im Jahr 2002 zum Staatspräsidenten wählen lassen möchte, zieht immer mehr Entscheidungen an sich. Jospin gilt in Paris seit dem Rücktritt von Dominique Strauss-Kahn nicht nur als heimlicher Finanzminister. Auch der Umwelt- und Klimapolitik drückte er nach der Ölpest in der Bretagne und den verheerenden Weihnachtsorkanen seinen sozialliberalen Stempel auf.

Dass Jospin unangefochten regiert, liegt allerdings auch an der Schwäche seiner Partner. Präsident Chirac, ein natürliches Gegengewicht in der Pariser "Kohabitation", hat wegen der verlorenen Parlamentswahl 1997 kaum Einfluss auf die Regierungsarbeit. Kommunistenchef Hue ist durch interne Kritiker und das schlechte Ergebnis bei der Europawahl 1999 geschwächt. Und Umweltministerin Voynet hat sich selbst ins Abseits katapultiert, als sie die Ölpest in der Bretagne herunterspielte.

Voynet gilt denn auch als das schwächste Glied der Pariser Linksregierung. Bei einer Vorstandssitzung am vergangenen Wochenende wurde sie aus den eigenen Reihen scharf kritisiert. Der grüne Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit warf den französischen Grünen per Zeitungsinterview sogar "kollektives Versagen" vor. Letztlich aber erklärten sich die Grünen mit Voynet solidarisch und gelobten gemeinsam Besserung.

Einen anderen Weg aus der Krise suchen die französischen Kommunisten. Beim XXX. Parteitag Ende März in Martigues (Südfrankreich) stehe eine "demokratische Revolution" bevor, versprach KP-Chef Hue. Alle bestehenden Führungsstrukturen, die noch auf das leninistische Muster mit ZK und Politbüro zurückgehen, sollen abgeschafft werden. An der Abstimmung nahm allerdings nur jeder dritte Kommunist teil. Die Basis ist verunsichert, viele Genossen erkennen sich in der Pariser Regierungspraxis nicht wieder.

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