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Politik: Ein Doktor soll die Wunden heilen

Der republikanische Fraktionschef im US-Senat, Trent Lott, musste zurücktreten – sein Nachfolger ist ein freundlicher Chirurg

Von Friedemann Diederichs,

Washington

Dass in Washington oft nur ein Satz genügt, um seinen Job zu verlieren, wusste im Umkreis von Präsident George W. Bush spätestens seit dem Abgang Larry Lindseys vor zwei Wochen jeder: Der Wirtschaftsberater hatte mit der Aussage, ein Krieg gegen den Irak könnte rund 200 Milliarden Euro kosten, zwar eine Zahl genannt, die das Weiße Haus keinesfalls in Frage stellt. Nur sagt man so etwas nicht öffentlich, so Bushs Ansicht.

Dass der stets zu launigen Sprüchen aufgelegte bisherige Senatsführer der Republikaner, Trent Lott, bei einer Geburtstags-Plauderei zu Ehren des 100-jährigen Senatskollegen Strom Thurmond in einem Anflug von kruder Nostalgie vor laufenden Kameras der Rassentrennungspolitik nachtrauerte und damit – da sind sich viele in Washington sicher – auch seine wahre Gesinnung offenbarte, qualifizierte ihn ebenfalls für das Fallbeil des Präsidenten. Dabei schien Bush allerdings eine Zeit lang noch zwischen Solidarität zu seinem langjährigen Fahnenträger auf dem Kapitol und den Eigeninteressen zu schwanken. Bis Lott dann am Freitag die Konsequenzen zog, als klar geworden war: Rückendeckung nach dem Motto „alles halb so schlimm“ wird es nicht geben.

Das Kalkül Bushs liegt auf der Hand: Die US-Wirtschaft kränkelt, der anstehende Krieg gegen den Irak birgt jede Menge Unwägbarkeiten, da wäre man langfristig schlecht beraten, es sich im Hinblick auf die Wiederwahl im Jahr 2004 mit der gesamten farbigen Wählerschaft im Land – ohnehin traditionell nicht den Republikanern zuneigend – zu verderben. Zumal Lotts Entschuldigungsversuche zögerlich und nicht überzeugend waren. Er habe es nicht so gemeint, sagte der Südstaatler, als die ersten Empörungswogen wallten. Die „Washington Post“ fragte deshalb zu Recht: Wenn er nicht meinte, was er sagte, was meinte er dann wirklich? Eine Antwort Lotts blieb darauf hin aus – wohl, weil seine Aussage, Amerika hätte sich mit einer Beibehaltung der Rassentrennung viel Ärger ersparen können, kaum in eine Richtung zum Guten zu biegen ist.

Nun soll ein Doktor der Chirurgie jenen Wundschmerz lindern, den Trent Lotts Entscheidung, sich aus der politischen Führung, wenn auch nicht aus dem Senat zurückzuziehen, bei Republikanern von Alaska bis Florida hinterlassen hat. Bill Frist lautet der Name des chancenreichsten Nachfolge-Kandidaten, ein über Washington hinaus kaum bekannter Mann, der bisher vor allem Schlagzeilen machte, weil er im Kapitolsgebäude in den letzten Jahren bereits mehrfach Kranken und Verletzten erste Hilfe leistete, unter anderem nach dem Amoklauf eines Bewaffneten.

Doch die Annahme, innerhalb der nach den Zwischenwahlen gestärkten Republikaner-Partei werde sich nun auch die politische Linie ändern, ist nicht zwangsläufig. Frist gilt als so erzkonservativ wie Lott, lehnt vehement jede Reform des stark kritisierten US-Parteispendensystems ab, ist selbstverständlich für die Todesstrafe und gegen die Abtreibung. Und er gibt – so seine bisherige Agenda – Präsident Bush vor allem eines: Sicherheit vor einer allzu lockeren Zunge.

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