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Ermittlungen gegen Sebastian Edathy: Ein Fall und viele Fragen

Ein geöffneter Brief und jetzt auch noch ein verschwundener Laptop: Der Fall Edathy wird immer verfahrener. Auf welchem Stand sind die Ermittlungen?

In der Causa Edathy ist vor allem eines klar: dass vieles unklar ist. Noch immer gibt es viele Ungereimtheiten, und es kommen immer neue dazu. So wurde jetzt bekannt, dass der Laptop des ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten verschwunden ist. Und was ist eigentlich aus den anderen Verdächtigen geworden, die im Zusammenhang mit dem aufgeflogenen kanadischen Kinderpornoring ins Visier der Ermittler geraten sind? Ein Fall und viele Fragen.

Was ist mit Edathys Laptop?

Europaweit wird derzeit nach dem ehemaligen Dienstlaptop von Sebastian Edathy gefahndet. Federführend hat das die Bundespolizei übernommen, die am Montagabend über die Landespolizei Berlin einen Antrag der Polizei beim Deutschen Bundestag erhalten hatte. Nach Angaben der Bundespolizei ist der Laptop am 31. Januar 2014 während einer Zugfahrt von Hannover nach Amsterdam abhandengekommen.

Gemeldet hat Edathy den Diebstahl aber erst am 12. Februar, zwei Tage nachdem seine Wohnung und Büroräume in Niedersachsen durchsucht worden waren. Die Bundespolizei hat den Vorgang übernommen, da es sich mutmaßlich um eine Tat in der Bahn handelt, für die die Bundespolizei zuständig ist. Der Bundestag wiederum ist ein eigener Polizeibezirk, in dem der amtierende Bundestagspräsident das Hausrecht und die Polizeigewalt ausübt.

Warum die Bundespolizei von der Polizei des Bundestages erst fünf Tage nach der Diebstahlsanzeige informiert wird und die Fahndung beginnt, beantwortete der Bundestag bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht. Tage vergehen auch, bis die Frage geklärt ist, was mit den Rechnern Edathys im Bundestag passiert. Jetzt heißt es beim Bundestag, sämtliche Computer und Speichermedien Edathys sollen untersucht werden – vorausgesetzt der Immunitätsausschuss des Parlaments stimmt dem entsprechenden Ersuchen der Staatsanwaltschaft zu. Bundestagspräsident Norbert Lammert habe diese Bitte unverzüglich an den Ausschuss geleitet, so dass er möglichst an diesem Mittwoch entscheidet. Die Parlamentsverwaltung habe die Geräte auf Bitten von Edathys Nachfolgerin Gabriele Groneberg am Montag aus dem Büro geräumt und sicher verwahrt. Die Staatsanwaltschaft Hannover hätte das gerne schneller erledigt gehabt. Deshalb habe sie am 11. Februar telefonisch darum gebeten. Das sei damals auch vom Bundestag zugesagt worden, heißt es in Hannover.

Der Bundestag sieht das anders. „Der Staatsanwaltschaft Hannover war am 11.02.2014 von der Bundestagsverwaltung telefonisch mitgeteilt worden, dass Durchsuchungen, Beschlagnahmungen und die Versiegelung eines Abgeordnetenbüros eines förmlichen Antrags und der Erfüllung weiterer rechtlicher Voraussetzungen bedürfen“, sagte ein Bundestags-Sprecher dem Tagesspiegel. Man habe sich an die Staatsanwaltschaft mit der Bitte um Aufklärung gewandt, nachdem die Vorwürfe gegen Edathy öffentlich bekannt geworden waren, nur sei das Schreiben der Staatsanwaltschaft nicht bei der Bundestagsverwaltung eingegangen. Dies war erst am Dienstag der Fall.

Doch ist das nicht die einzige merkwürdige Kommunikation zwischen dem Bundestag und der Staatsanwaltschaft Hannover. Auch ein Brief der Staatsanwaltschaft, mit dem die Aufhebung der Immunität Edathys beantragt werden sollte, brauchte sechs Tage und kam zudem geöffnet an. Die Staatsanwaltschaft kann sich das nicht erklären. „Wir haben ihn verschlossen verschickt“, sagte eine Sprecherin. Der Fall werde aber untersucht. Was sich nach kleinen Details anhört, hat einen ernsten Hintergrund. Möglicherweise ist der Staatsanwaltschaft durch den verschwundenen Laptop und der erst späten Sicherung der Rechner wichtiges Beweismaterial verloren gegangen.

Was ist aus den anderen 800 potenziellen deutschen Kunden geworden?

Die Operation „Spaten“, wie die kanadischen Behörden die Aktion tauften, ist noch gar nicht abgeschlossen. Zwar wurde im Jahr 2011 der Betreiber einer Kinderporno-Webseite in Toronto verhaftet, in der Folge gab es internationale Ermittlungen und weltweit auch 341 Festnahmen. Doch die Ermittlungen laufen noch. Die kanadischen Ermittler haben im Herbst 2012 das Bundeskriminalamt (BKA) eingeschaltet und ihm eine Liste mit Hinweisen auf rund 800 potenzielle deutsche Kunden des Kinderpornorings geschickt. So kam das BKA auch Edathy auf die Spur. Doch was mit den restlichen Verdächtigen ist, will die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main nicht sagen. Sie verweist auf „laufende Ermittlungen“.

Warum Frankfurt am Main?

Das BKA hat sich mit dem Material an die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main gewandt, weil diese in ihrer operativen Zuständigkeit die sogenannte „Zentralstelle zur Bekämpfung von Internetkriminalität“ (ZIT) hat und sich bundesweit um Fälle der Internetkriminalität mit Auslandsbezug kümmert. Da der Kinderpornoring seine Ware über das Netz vertrieben hat, fällt das in den Bereich des ZIT.

Warum dauern die Ermittlungen so lange?

Im Oktober 2012 lag die Liste beim ZIT. Erst im Oktober 2013, also ein ganzes Jahr später, ging auch der Fall Edathy von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main an die zuständige Generalstaatsanwaltschaft in Celle und von dort nach Hannover. Insgesamt sind in Niedersachsen 17 Fälle aus dem Komplex des kanadischen Kinderpornorings angesiedelt. Die anderen Fälle verteilen sich auf ganz Deutschland. Von Festnahmen ist bisher nichts bekannt. Man darf sich das ZIT nicht als personalstarke Behörde vorstellen. Insgesamt arbeiten dort zwei Oberstaatsanwälte und ein alle neun Monate wechselnder Staatsanwalt an den diversen Fällen – unter anderem an der Liste der 800. IP-Adressen müssen zugeordnet und weitere Daten der Liste ausgewertet werden. Außerdem will man gerade beim Thema Kinderpornografie ganz sicher sein, bevor man zugreift. Und der Zugriff erfolgt ohnehin von anderer Stelle. Die Generalstaatsanwaltschaft leitet die Fälle an die örtlichen Staatsanwaltschaften weiter, und dort muss auch der gesamte Vorgang erst in Gang gesetzt werden.

Noch laufen die Ermittlungen zu den potenziellen Kunden des aufgeflogenen Kinderpornorings. Und die Ermittler sind nicht sonderlich glücklich darüber, dass der Fall Edathy jetzt öffentlich geworden ist. „Kontraproduktiv“ sei das, „ein Kollateralschaden der notwendigen öffentlichen Aufklärung“. Schon Mitte November 2013 haben sie die Luft angehalten, als die kanadischen Behörden vor die Presse getreten sind und von dem Kinderpornoring berichtet haben. Nur war das damals kein Abschluss der Ermittlungen, eher eine Art Zwischenfazit.

Wer das von den potenziellen deutschen Kunden damals mitbekommen hat, dürfte schon alarmiert gewesen sein und sein Material wohl vernichtet haben. Die Berichterstattung war umfangreich, aber sie hatte nicht den Raum eingenommen wie jetzt der Fall Edathy. Damit könnte nun auch der Letzte gewarnt sein.

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