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Was hat Alexis Tsipras vor?

© Reuters

Welche Folgen hätte ein Ausstieg?: Ein Grexit könnte Griechenland helfen - und der EU

Angeblich will keiner den Grexit - Europas Politiker warnen vor einer Katastrophe. Doch welche Zukunft hat Griechenland im Euro überhaupt? Warum ein Euro-Ausstieg und weitere EU-Hilfen kein Gegensatz sein sollten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Fabian Leber

EZB-Präsident Mario Draghi sagt: „Wir sprechen nicht über einen Grexit.“ EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker meint: „Es wird niemals einen Grexit geben.“ Der griechische Premier Alexis Tsipras beteuert: „Ich schließe einen Grexit aus.“

In diversen Katastrophenszenarien wird seit etlichen Jahren vor dem Grexit gewarnt, einem Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone. Tatsächlich wäre ein Ende des Euro dort kein Spaziergang, weshalb keiner der beteiligten Politiker ein Interesse daran hat. Dass alle dasselbe sagen, muss dennoch misstrauisch machen. Es kann ja auch das genaue Gegenteil richtig sein. Erstens: Der Grexit ist nur noch eine Frage der Zeit. Und zweitens: Er muss, zumindest langfristig, nicht die schlimmen Folgen haben, die ihm ständig vorausgesagt werden.

Die Lebenslüge der Links-Rechts-Regierung in Athen

Andersrum gefragt: Welche Zukunft hat Griechenland mit dem Euro überhaupt? Oft wird so getan, als seien die öffentlichen Schulden das größte Problem Athens. Über Ostern stand gerade wieder die Frage im Raum, ob fristgerecht Kredite an den IWF zurückgezahlt werden. Zwar waren die Staatsschulden tatsächlich der Ausgangspunkt der Krise. Inzwischen aber ist der Haushalt ausgeglichen. Die Zinsen sind niedrig, eine Rückzahlung nach hinten gestreckt. Denn nicht mehr private Banken sind die größten Gläubiger, sondern die Steuerzahler in anderen Euro-Ländern.

Ein offizieller Schuldenerlass würde also wenig bringen – außer dass Tsipras vor den Griechen einen symbolischen Sieg erringen könnte. Aus dem Euro raus will er angeblich nicht. Das aber ist die Lebenslüge der Links-Rechts-Regierung. Statt starke Sprüche zu klopfen, müsste sie zwei Dinge verbessern – die Wirtschaft konkurrenzfähiger machen und den Abfluss von Vermögen stoppen. Im Moment passiert genau das Gegenteil. Griechenlands Banken sind klinisch tot, weil die Griechen ihr Geld logischerweise auf ausländischen Konten parken. Und die Wirtschaft kommt nicht voran, weil es nicht reicht, einfach nur die Löhne zu drücken. Es muss auch investiert werden, in Maschinen und neue Ideen.

Wenn Tsipras ehrlich zu sich selber wäre, dann müsste er zugeben, dass sein Programm nur ohne Euro funktioniert. Doch er hat wohl genauso Angst vor dem Grexit wie die Mehrheit der Griechen auch. Ein unkontrollierter Ausstieg würde die Banken dort zum Einsturz bringen, Firmenpleiten und Privatinsolvenzen wären wohl die Folge. Unsozial wäre er allemal. Denn die, die ihr Geld ins Ausland gebracht haben, würden doppelt belohnt. Sie würden ihre Euro-Guthaben nicht verlieren und könnten später zu einem guten Kurs in Drachmen tauschen.

Trotzdem: Ein Ende mit Schrecken ist oft besser als ein Schrecken ohne Ende. Nur müssten drei Dinge zusammengedacht werden, die bisher als Gegensätze gelten: Der Euro-Ausstieg, ein Schuldenerlass und eine Art Marshallplan. Ein (halbwegs kontrollierter) Grexit scheint notwendig, wenn die Griechen in die Lage versetzt werden sollen, wieder selbst über ihr Land zu entscheiden. Tsipras könnte nicht mehr auf die Deutschen zeigen, er müsste für seine eigene Politik geradestehen. Und zumindest mittelfristig könnte die griechische Wirtschaft durchaus von billigeren Preisen profitieren. Ähnlich wie Polen zum Beispiel, das im Moment ja ausdrücklich nicht in die Euro-Zone will.

Für die deutsche Regierung würde das Desaster ihrer Euro-Politik deutlich

Ein formaler Schuldenerlass wäre sinnvoll, auch wenn die Griechen schon jetzt kaum Zinsen zahlen. Der Bundesregierung wäre das natürlich ein Dorn im Auge, das ganze Desaster ihrer Euro-

Politik würde schlagartig deutlich. Aber Griechenland könnte so – ebenfalls mittelfristig – wieder Zugang zu den Kapitalmärkten bekommen, viele der angemahnten Reformen müssten fortgesetzt werden. Bis es so weit ist, müsste die EU den wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufbau stützen, schon allein um ein Abdriften Griechenlands in Richtung Russland oder China zu verhindern. In der EU bleiben sollte es ohnehin.

Warum aber den Griechen den Grexit auch noch mit einer Abfindung versüßen? Weil auch die Rest-Euro-Zone davon profitieren kann. Italien oder Spanien würde signalisiert, dass der Euro nicht unabdingbar ist. Das kann so oder so wirken: Als Ansporn, weiter den Weg der Anpassung an Deutschland zu gehen. Oder als Anlass, um auch die Option eines eigenen Ausstiegs zu prüfen. Jedenfalls gäbe es dann eine Debatte darüber in diesen Ländern, und das wäre gut so. Möglich ist ja, dass es Griechenland in vier bis fünf Jahren besser geht als jetzt, wenn Kapital zurückgeflossen ist. Auch ein späterer Wiedereintritt in die Euro-Zone wäre nicht ausgeschlossen.

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