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Nancy Faeser, damals Generalsekretärin der hessischen SPD, auf einem Archivbild von 2019.

© dpa/Swen Pförtner

Erst die Partei, dann das Land: Faeser fehlt das politische Feingefühl

Nancy Faeser hat das Bundesinnenministerium als Sprungbrett für ihre Kandidatur in Hessen genutzt – und will es als Sicherheitsnetz behalten. Das geht nicht.

Ein Kommentar von Felix Hackenbruch

Die Überraschung glückte Olaf Scholz. Bis unmittelbar vor Bekanntgabe hatte der damals noch designierte Bundeskanzler sein Ministerpersonal geheim gehalten.

Ein bisschen stolz auf diese Verschwiegenheit stellte Scholz im Willy-Brandt-Haus seine SPD-Auswahl vor – und begann mit Nancy Faeser, die als erste Frau in der Geschichte der Republik, das Bundesinnenministerium leiten sollte. Eine „Ehre“ sei der Job, sagte Faeser damals.

„Nancy wer?“, fragten sich selbst politisch Interessierte an jenem 6. Dezember 2021. Denn auch wenn sich Faeser im hessischen Landtag 16 Jahre innenpolitisch profiliert und um die Aufarbeitung der NSU-Verbrechen und des Mordes am Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke verdient gemacht hatte, war ihr Name außerhalb von Wiesbaden wohl nur SPD-Kennern ein Begriff.

Nicht einmal 14 Monate später will Faeser den ehrenvollen Job schon wieder aufgeben und zurück nach Wiesbaden – nun mit einem Namen, der bundesweit in den Schlagzeilen war. In einem „Spiegel“-Interview verkündete sie ihre Kandidatur, stellte aber zugleich klar, dass sie im Falle einer Wahlniederlage in Hessen dann doch lieber in Berlin bleibt.

Das Hessen-Gerücht begleitet Faeser schon lange

Mit ihrer Entscheidung beweist Faeser mangelndes politisches Feingefühl. Das Bundesinnenministerium als Sprungbrett für ihre Spitzenkandidatur zu benutzen, ist schon problematisch genug.

Sich nun auch noch an das Ministerium als Sicherheitsnetz im Falle eines Scheiterns zu klammern, zeugt von fehlendem Respekt für dieses wichtige Amt.

Seit dem Tag ihrer Vorstellung verfolgt Faeser im politischen Berlin der Vorwurf, sie bereite im Innenministerium ihre Kandidatur bei der Hessenwahl vor. Ein Gerücht, das die damalige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) bereits ein halbes Jahr nach dem Ampel-Start quasi bestätigte, indem sie in einem Interview sagte, sie „setze darauf“, dass Faeser im kommenden Jahr Spitzenkandidatin werde.

In den vergangenen Monaten hat sich Faeser sichtlich bemüht, sich ein Law-and-Order-Profil zuzulegen und öffentlich bekannt zu werden.

Mit seinem Faeser-Schachzug hat Olaf Scholz die Interessen seiner Partei vor die des Landes gestellt.

Felix Hackenbruch

Spätestens ihr Regenbogenbinden-Auftritt im WM-Stadion in Katar neben dem FIFA-Chef sorgte dafür, dass sie einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde. Auch die notwendige Razzia gegen die Reichsbürgerszene, bei der überraschend viele Medienhäuser vorab informiert wurden, schadete ihrem Ruf nicht. Die Spekulationen um ihre Ambitionen nährten diese Aktivitäten.

Mit Armbinde bei der Fußball-WM in Katar: Ein Bild von Faeser, das um die Welt ging.

© dpa/Tom Weller

Nun ist aus dem Gerücht Gewissheit geworden. Rückblickend muss man davon ausgehen, dass Faeser ganz bewusst nach Berlin geholt wurde, um bundesweit bekannt nach Hessen zurückkehren zu können. Denn ohne profilierte Spitzenkandidatin hätte die hessische SPD wohl keine Chance. Die Genossen im Land sind nach Jahren in der Opposition blank. Mit seinem Faeser-Schachzug hat Olaf Scholz die Interessen seiner Partei vor die des Landes gestellt.

Mitten im Ukraine-Krieg, der auch Deutschland bei der Unterbringung von Geflüchteten vor große Herausforderungen stellt, bekommt das Land nun eine Teilzeit-Innenministerin. Und selbst wenn es Faeser gelingt, ihre innenpolitische Aufgaben und ihren Wahlkampf unter einen Hut zu bekommen, werden sich die Bürgerinnen und Bürger in den nächsten Monaten fragen, ob gerade die Innenministerin oder die hessische Spitzenkandidatin der SPD zu ihnen spricht.

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Wie schwierig es ist, die Doppelrolle von Innenministerin und Spitzenkandidatin auseinanderzuhalten, zeigte sich schon am ersten Tag. Bei Twitter verkündete Faeser, dass ihr Kanal, der zuletzt vom Ministerium betreut worden war, künftig wieder ein rein privater Account für ihre Spitzenkandidatur sei. Dass sich ihre Followerzahlen seit Amtsantritt verzehnfacht haben, ist für Faeser ein angenehmer Nebeneffekt.

Dass es auch anders geht, haben die Grünen vorgemacht. Vor wenigen Wochen legte die Parlamentarische Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium, Manuela Rottmann, ihr Amt nieder, um sich auf den Oberbürgermeister-Wahlkampf in Frankfurt zu konzentrieren. Das Bekenntnis für ein Ministerpräsidentenamt sollte mindestens genauso stark sein, wie das für ein OB-Amt.

Nun muss es Faeser nicht so ergehen, wie dem früheren Umweltminister Norbert Röttgen, der nach seiner Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen am Ende ohne Job dastand. In den Details gibt es etliche Unterschiede zwischen dem CDU-Politiker und der SPD-Frau. Doch ihren Wahlkampfauftakt hat Faeser mit der nun beginnenden Doppelrollen-Debatte bereits verpatzt.

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