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Richtung Westen. Am zentralen Busbahnhof der bulgarischen Hauptstadt Sofia laden Reisende ihr Gepäck in einen Bus, der nach Westeuropa fährt.

© dpa

Freizügigkeit für Arbeitnehmer: EU-Sozialkommissar Andor wehrt sich

EU-Sozialkommissar Laszlo Andor will den Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen, dass seine Behörde dem Bezug von Hartz-IV-Leistungen durch europäische Jobsucher Tür und Tor öffne. „Es gibt keine automatische Berechtigung, wenn jemand in ein anderes Land kommt“, sagte der Ungar am Montag in Brüssel.

EU-Sozialkommissar Laszlo Andor hat den Vorwurf zurückgewiesen, die EU-Kommission öffne dem Bezug von Hartz-IV-Leistungen durch europäische Jobsucher Tür und Tor. „Es stimmt nicht, dass Brüssel darauf dringt, ab dem ersten Tag jedermann mit Sozialleistungen zu versorgen“, sagte Andor am Montag in Brüssel. „Es gibt keine automatische Berechtigung, wenn jemand in ein anderes Land kommt“, sagte der Ungar bei der Vorstellung eines Leitfadens zur Freizügigkeit auf dem europäischen Arbeitsmarkt.

In der vergangenen Woche hatte eine Stellungnahme der EU-Kommission in einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einigen Wirbel in Deutschland verursacht. In dem Fall fordert eine 24-jährige, in Deutschland lebende Rumänin Hartz IV, obwohl sie nicht arbeitet. Nach der Einschätzung der Kommission können die deutschen Behörden den Anspruch nicht generell ablehnen, sondern müssen jeweils den Einzelfall prüfen. Aus der CDU/CSU hagelte es daraufhin Kritik an Brüssel. Es sei „zum Verzweifeln, wie wenig diese EU-Kommission die Lebensrealität der Menschen in Europa zur Kenntnis nimmt“, sagte CSU-Chef Horst Seehofer. Auch CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sekundierte, es sei „schockierend, wie die EU-Kommission leichtfertig die nationalen Sicherungssysteme damit torpediert“.
Der Brüsseler Sozialkommissar Andor sagte hingegen, es seien „Mythen“ hinsichtlich der Haltung seiner Behörde in der Frage der Sozialleistungen für Jobsucher und Arbeitslose verbreitet worden. Allerdings stellte der Ungar auch klar: Nach EU-Recht müsse es immer dann eine individuelle Prüfung geben, wenn Migranten aus anderen EU-Ländern nach einem dreimonatigen Aufenthalt Sozialleistungen verwehrt werden. In den ersten drei Monaten ihres Aufenthaltes sind deutsche Behörden nach dem europäischen Recht überhaupt nicht verpflichtet, Sozialleistungen für Arbeitssuchende zu gewähren.
Andor ging auch darauf ein, dass nach der EU-Freizügigkeitsrichtlinie der Missbrauch von Sozialleistungen sogar mit Ausweisungen und Wiedereinreisesperren geahndet werden kann. Das Aufenthaltsrecht für EU-Ausländer habe Grenzen, wenn die Zuwanderer beschäftigungslos seien, keine Verwandten im Gastland hätten und auch keine finanziellen Mittel vorweisen könnten. „In der Praxis gibt es nicht viele derartige Fälle“, erklärte Andor, der sich für „angemessene Antworten“ im Umgang mit in Not geratenen Arbeitsmigranten aussprach.
Ohnehin seien Menschen, die wegen eines Jobs in einen anderen EU-Staat wechselten, normalerweise keine Bürde für die Sozialsysteme in den Gastländern, stellte Andor klar. Die EU-Arbeitsmigranten nähmen zudem in aller Regel den einheimischen Beschäftigten keine Jobs weg, sondern besetzten freie Stellen. 14 Millionen Studenten, Beschäftigte und Rentner arbeiten inzwischen in einem anderen EU-Land.

Cameron legt sich mit Brüssel an

Trotz der Vorteile der Freizügigkeit hat der britische Regierungschef David Cameron Probleme mit einem speziellen Aspekt des europäischen Binnenmarkts: Migranten haben selbst dann einen Anspruch auf Kindergeld, wenn ihre Kinder in der Heimat geblieben sind. Der konservative Londoner Regierungschef hatte die Änderung der EU-Verträge verlangt, um Kindergeld-Zahlungen an die in Großbritannien arbeitenden EU-Ausländer – in erster Linie Polen – auszuschließen. Auch der liberaldemokratische Vize-Premier Nick Clegg unterstützte den Vorstoß. Dagegen sagte EU-Kommissar Andor der Zeitung „Independent“, dass ausländische Arbeitnehmer, die im Gastland Steuern zahlten und dort die Sozialkassen füllten, beim Kindergeld nicht diskriminiert werden dürften. An diesem Grundsatz werde die Kommission auch künftig nicht rütteln, sagte er in Brüssel.

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