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Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD).

© Holger Hollemann/dpa

Flüchtlingspolitik der SPD: Boris Pistorius will Auffanglager für Flüchtlinge in Libyen

Niedersachsens Innenminister Pistorius will Flüchtlinge außerhalb der EU registrieren. Er greift damit ein umstrittenes Thema in der SPD auf.

Vor der Bundestagswahl im September rückt die SPD das Thema Flüchtlingspolitik in den Fokus. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) hat sich für ein Aufnahmelager für Geflüchtete außerhalb der EU-Grenzen ausgesprochen. "Die Leute sollten nicht in Italien sitzen, sondern möglichst schon außerhalb der EU Ansprechpartner finden, in Anlaufstellen", sagte Pistorius in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". Die Lager könnten entweder von Europäern oder der UN betrieben werden, sagte Pistorius.

Zu der Frage, ob die Libyer solche Auffanglager zulassen würden, sagte Pistorius: "Das ist eine Frage von Geld, wie so oft im Leben. Die Libyer müssen ein Interesse daran haben, dass ihr Staatswesen auf die Beine kommt." Man müsse eh davon ausgehen, dass ein großer Teil der Menschen aus Afrika keinen Anspruch auf Asyl haben. Pistorius glaubt, dass Auffanglager dafür sorgen könnten, dass weniger Menschen Schlepper bezahlen, die sie über das Mittelmeer bringen. 

Pistorius, der im Wahlkampfteam von Martin Schulz für das Thema innere Sicherheit zuständig ist, greift damit eine in der Partei umstrittene Forderung auf. Parteikollege Stefan Studt aus Schleswig-Holstein hatte etwa im März in einem Interview mit "Zeit Online" gesagt: "Libyen versinkt im Kriegschaos. Es ist schlichtweg nicht möglich, dort funktionierende Auffanglager einzurichten, die auch nur grundlegenden humanitären Ansprüchen gerecht werden." 

Justizminister Heiko Maas (SPD) hatte bereits 2015 Bedenken geäußert, ob solche Auffangstellen überhaupt die gewünschte Wirkung zeigen könnten. "Wenn die Flüchtlinge diese Zentren nicht als Tür, sondern als Mauer wahrnehmen, werden sie sich leider nicht abhalten lassen, weiter den Weg über das Meer zu suchen", sagte er der "Rheinischen Post".  

Wenn sich Europa und die USA der Verantwortung kaufen wollen, wird das teuer. Eine Lösung kann nur die Verteilung der Personen in Europa nach Gemeindeschlüssel sein und zwar europaweit. Auch wenn eine ungarische Kommune dann drei Personen aufnehmen muss.

schreibt NutzerIn A.v.Lepsius

Italien schafft es nicht mehr

Die CDU hat hingegen immer wieder Lager in Nordafrika gefordert, in denen sich Geflüchtete registrieren können. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat sie vorgeschlagen – allerdings im vergleichsweise stabilen Tunesien, nicht im Kriegsland Libyen. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann unterstützt die Idee.

Befürworter der Auffanglager in Tunesien oder Libyen hoffen, dass diese Menschen, die keine Chance auf Asyl haben, von der gefährlichen Überfahrt über das Mittelmeer abzuhalten. Auf EU-Ebene wurde 2015 ebenfalls die Idee von sogenannten Willkommenszentren diskutiert. 

Zentrale Registrierungsstellen gibt es bereits in EU-Grenzländern wie Italien und Griechenland. Dort arbeiten Experten der EU-Grenzbehörde Frontex und der europäischen Asylagentur EASO mit den jeweiligen nationalen Behörden zusammen, um Migranten zu registrieren. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte vergangene Woche angekündigt, noch in diesem Sommer sogenannte Hotspots in Libyen zu errichten. Allerdings müsste die Sicherheitslage ausreichend gut sein, damit französische Beamte entsendet werden könnten. Dies sei derzeit nicht der Fall.

Seit dem Sturz des Machthabers Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 kontrollieren mehrere bewaffnete Gruppen Teile Libyens, darunter auch die radikal-islamische Miliz des "Islamischen Staates". Vergangene Woche hatte Macron einen Waffenstillstand zwischen Libyens Premierminister Fajes al-Sarradsch und dem Warlord Chalifa Haftar vermittelt.  

Von Libyen aus versuchen Hunderttausende Geflüchtete über das Mittelmehr nach Europa zu gelangen, 2016 erreichten auf diesem Weg 180.000 Menschen Europa. Mehr als 5.000 Menschen ertranken. Die italienische Regierung hat bereits mehrmals die EU-Partnerländer aufgefordert, zu helfen. Das Land schaffe es nicht mehr, die Geflüchteten zu versorgen. 

"Wir brauchen eine Lösung, sonst kollabiert Italien. Was das wiederum bedeutet für die nächsten Wahlen in Italien, die auch anstehen, kann man sich ausrechnen. Und für die Stabilität der EU. Wir müssen Italien helfen", sagte Pistorius der Süddeutschen Zeitung. Am Freitag hatte die italienische Regierung beschlossen, die eigene Marine vor der libyschen Küste einzusetzen, um Menschenschmuggler aufzuspüren.

Dieser Text erschien zuerst auf zeit.de.

Camilla Kohrs

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