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Die EU-Fahne weht über der Akropolis in Athen.

© dpa

Fünf Jahre Griechenland-Krise: Griechenland taumelt am Abgrund

Seit fünf Jahren hält Griechenland die Europäer in Atem. Die Krise ist eine Geschichte von politischem Druck aus Berlin, einer langfristigen Reaktion in der Euro-Zone und politischen Ränkespielen in Athen.

Und immer wieder Griechenland - unter diese Überschrift lässt sich die Euro-Krise stellen, welche die EU seit 2010 beschäftigt. Auf dem Höhepunkt der Krise in den Jahren 2011 und 2012 bestand sogar die Sorge, dass die Überschuldung zahlreicher Euro-Länder auch zu einer Krise der gesamten Weltwirtschaft führen könnte. Die Sorge erwies sich als unbegründet. Nichts geändert hat sich aber daran, dass Griechenland am Abgrund taumelt. Eine Chronologie des griechischen Trauerspiels und der Euro-Krise.

April 2010: Griechenland bittet um Hilfe

Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou muss entgegen seinen vorherigen Versicherungen in einer Fernsehansprache zugeben, dass Hellas Milliardenhilfen der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF) benötigt. Zuvor hat er noch erklärt, dass sein Land die Schuldenkrise aus eigener Kraft bewältigen könne. Zur Kehrtwende kommt es, als Griechenland sich an den internationalen Finanzmärkten nicht mehr refinanzieren kann.
Die europäische Schuldenkrise hat ihren Ursprung in der Weltfinanzkrise, die wiederum mit dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers begonnen hat. Die Finanzkrise trifft die teils hoch verschuldeten EU-Staaten mit einer Wucht, die sich mit der Gewalt eines Sturms vergleichen lässt. Als erstes Gebäude wird dabei gewissermaßen jenes Haus in der europäischen Dorfgemeinschaft weggerissen, das am fragilsten ist – Griechenland. Hellas hat sich dank der Mitgliedschaft im Euro billig verschuldet und bereits vor der Lehman-Pleite einen immensen Schuldenberg aufgehäuft. Als die griechische Wirtschaft im Jahr 2009 wie auch anderswo in Europa einbricht, explodiert in Hellas automatisch der Anteil der Gesamtverschuldung am Bruttoinlandsprodukt.
Nach Papandreous Hilferuf erklärt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die Bedingung für eine deutsche Beteiligung an einem Hilfspaket sei ein „glaubwürdiges Sparprogramm“ Griechenlands. Es ist der Beginn eines jahrelangen Tauziehens zwischen der griechischen Regierung und den Geberländern über die mit den Hilfszahlungen verbundenen Auflagen.

Mai 2010: Erster Hilfskredit von 110 Milliarden Euro

Im Mai 2010 beschließen die EU-Finanzminister ein Hilfspaket für Griechenland mit einem Volumen von 110 Milliarden Euro. 80 Milliarden Euro kommen dabei von den Euro-Staaten und 30 Milliarden Euro vom Internationalen Währungsfonds (IWF).

Ab November 2010: Andere Euro-Länder müssen unter den Rettungsschirm

Die Krise bleibt nicht auf Griechenland beschränkt. Im Verlauf des Jahres 2010 kommt an den Finanzmärkten das auf die Staaten Portugal, Irland, Italien, Griechenland und Spanien gemünzte und verächtlich gemeinte Schlagwort „Piigs“ auf. Der Grund: An den Märkten wird darauf spekuliert, dass neben Hellas noch weitere Krisenländer an den Rand der Pleite geraten könnten. Weil die Zinsen für die Anleihen der Krisenstaaten aufgrund der Spekulation in die Höhe schnellen, bestätigt sich die Prognose. Im November 2010 muss sich Irland unter den Euro-Rettungsschirm begeben; das Land erhält eine Kreditzusage über 85 Milliarden Euro. Zuvor haben die Steuerzahler auf der Grünen Insel mehr als 60 Milliarden Euro aufbringen müssen, um einen Zusammenbruch des Finanzsystems zu verhindern. Fünf Monate später folgt im April 2011 Portugal, das einen Kredit von 78 Milliarden Euro erhält. Im Juni 2012 bekommt Spanien die Möglichkeit, auf einen Kredit von maximal 100 Milliarden Euro zur Rettung der Finanzinstitute zurückzugreifen. 2013 erreicht die Euro-Krise Zypern, dessen aufgeblähter Bankensektor durch einen Schuldenschnitt für private Investoren in Griechenland an den Rand des Zusammenbruchs geraten ist. Im März 2013 wird die Mittelmeerinsel mit einem Kredit in Höhe von zehn Milliarden Euro gestützt.

Oktober 2011: Papandreou will ein Referendum abhalten

Der griechische Ministerpräsident Papandreou kündigt im Oktober 2011 an, dass er ein Referendum über die von Athen zu diesem Zeitpunkt verlangten Reformen abhalten will. Zur Frage, warum sich Papandreou kurze Zeit später gegen ein Referendum entscheidet, gibt es unterschiedliche Schilderungen. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat am vergangenen Mittwoch im Bundestag erklärt, die Darstellung sei nicht richtig, dass die Bundesregierung das Referendum seinerzeit verhindert habe. Nach Angaben der „Welt am Sonntag“ hat Schäuble aber damals unmittelbar, nachdem er von dem Referendum erfahren habe, die Kreditanstalt für Wiederaufbau angewiesen, eine anstehende Tranche der Hilfsgelder nicht an Athen auszuzahlen. Diese Darstellung bestätigt auch Papandreou gegenüber der Zeitung: „Schäuble hat die Gelder gestoppt, obwohl wir noch mitten im vereinbarten Reformprogramm waren. Diesen Druck konnten wir gar nicht gebrauchen.“ Widerstand gegen das Referendum kam aber seinerzeit offenbar nicht nur aus Berlin, sondern auch aus Brüssel. Nach der Schilderung des Journalisten Peter Spiegel von der „Financial Times“ hat der damalige EU-Kommissionschef José Manuel Barroso während eines G-20-Gipfels in Cannes den Athener Finanzminister Evangelos Venizelos zur Seite genommen und ihm erklärt: „Wir müssen dieses Referendum killen.“ So kam es dann auch. Venizelos war ein innerparteilicher Rivale von Papandreou, der seinen Referendums-Plan abblies und im November 2011 als Ministerpräsident zurücktrat. Ähnlich wie zum gegenwärtigen Zeitpunkt schien Merkel auch in der damaligen Phase der Euro-Krise unentschlossen, ob sie es auf einen „Grexit“ ankommen lassen soll oder nicht. Nach der Darstellung von Peter Spiegel war es 2011 vor allem Schäuble, der die Ansicht vertrat, dass ein „Grexit“ den übrigen Euro-Staaten die Möglichkeit zu einer engeren Kooperation eröffnen würde.

Februar 2012: Zweites Hilfspaket von 130 Milliarden Euro

Das erste Hilfspaket hat nicht ausgereicht, um Griechenland vor der Pleite zu bewahren. Im Februar 2012 beschließen die EU-Finanzminister ein zweites Rettungspaket mit neuen Krediten in Höhe von 130 Milliarden Euro.

Juni 2012: Samaras wird Ministerpräsident

Der Konservative Antonis Samaras bildet nach der Wahl vom Juni eine Regierung, nachdem aus einer Parlamentswahl im Mai kein klarer Sieger hervorgegangen ist.

Oktober 2012: Der dauerhafte Rettungsschirm ESM tritt in Kraft

Während ein Land nach dem anderen von den Euro-Partnern und dem IWF gerettet werden muss, verstärkt die EU ihre Anti-Krisenmechanismen. Zunächst wird der Euro-Rettungsschirm EFSF geschaffen, den die europäischen Staats- und Regierungschefs im März 2011 auf 440 Milliarden Euro aufstocken. Im Oktober 2012 tritt anschließend der dauerhafte Rettungsschirm ESM mit einem Volumen von 500 Milliarden Euro in Kraft. Zuvor hat der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, die Märkte mit einer deutlichen Ansage beruhigt. Der Italiener kündigt im September 2012 an, dass die EZB notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenländern aufkaufen werde, um diese flüssig zu halten.
Gleichzeitig gehen auf europäischer Ebene die Arbeiten an den Institutionen weiter, mit deren Hilfe künftig verhindert werden soll, dass marode Geldhäuser erneut mit den Milliarden der Steuerzahler gestützt werden müssen. Im November 2014 übernimmt die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main die Kontrolle über die 120 wichtigsten Geldhäuser in der Euro-Zone. Zuvor hat das EU-Parlament im April 2014 dem Aufbau eines einheitlichen Mechanismus zur Abwicklung maroder Geldhäuser (SRM) zugestimmt.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben Irland, Portugal und Spanien den Euro-Rettungsschirm wieder verlassen. Das Sorgenkind Nr. 1 der Euro-Zone bleibt aber Griechenland. Hier ist unter dem Druck der Sparpakete, die das Land im Gegenzug für die internationalen Hilfszahlungen schnüren muss, die Wirtschaftskraft des Landes zwischen 2008 und 2014 um rund ein Viertel zurückgegangen. 2014 verzeichnet Hellas allerdings auch erstmals wieder ein leichtes Wirtschaftswachstum.

Januar 2015: Tsipras wird Ministerpräsident

Die ersten positiven wirtschaftlichen Signale können nicht verhindern, dass die politische Krise Ende 2014 in Athen wieder aufflammt. Nachdem Samaras’ Präsidentschaftskandidat, der ehemalige EU-Kommissar Stavros Dimas, im Dezember 2014 die notwendige Mehrheit im Parlament verfehlt hat, muss der Regierungschef für den 25. Januar Parlamentswahlen ansetzen. Dabei gewinnt das von Alexis Tsipras geführte Linksbündnis Syriza mit deutlichem Abstand. Im Januar 2015 lässt die Bundesregierung nach einem Bericht des „Spiegel“ durchblicken, dass sie anders als noch im Jahr 2012 einen Ausstieg Griechenlands aus der Euro-Zone nicht mehr für ein undenkbares Szenario hält. Regierungssprecher Steffen Seibert sagt anschließend, es bleibe das Ziel der Bundesregierung, den Währungsraum mit all seinen Mitgliedern und damit einschließlich Griechenlands zu stärken. Dies bleibt auch in den folgenden Monaten, in denen die Griechenland-Krise vorerst im Referendum vom vergangenen Sonntag eskaliert, die offizielle Sprachregelung der Bundesregierung.

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