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Politik: Geheimdienst außer Kontrolle?

Die Geschichte könnte als Vorlage für einen schlechten Spionagefilm dienen: Der serbische Vizepremier Momcilo Perisic trifft sich mit einem US-Diplomaten in einem Restaurant außerhalb von Belgrad. Sie können gerade noch einen Schnaps und ein Mineralwasser bestellen.

Die Geschichte könnte als Vorlage für einen schlechten Spionagefilm dienen: Der serbische Vizepremier Momcilo Perisic trifft sich mit einem US-Diplomaten in einem Restaurant außerhalb von Belgrad. Sie können gerade noch einen Schnaps und ein Mineralwasser bestellen. Zum Austrinken reicht die Zeit nicht, denn der Tisch wird von Männern in Zivil umstellt. Handschellen klicken, der Vizepremier und der Diplomat werden mit einem Sack über dem Kopf schnell und diskret aus dem Lokal geführt. Die Festnahme geht schon am Donnerstagabend über die Bühne, wird aber erst knapp 24 Stunden später publik. Der US-Diplomat ist seit Freitag wieder auf freiem Fuß, Vizepremier Perisic wurde erst am Samstag freigelassen.

Klar ist inzwischen, dass die Beamten in Zivil Angehörige des militärischen Geheimdienstes (KOS) der Bundesarmee sind. Der angebliche Grund für die Festnahmen: Perisic sei dabei gewesen, dem US-Diplomaten geheime Dokumente zu übergeben. In den Belgrader Medien gingen die Spekulationen am Samstag in die gleiche Richtung: Der Vizepremier habe Dokumente aus seiner Zeit als Armeeführer aushändigen wollen, die Slobodan Milosevic vor dem Haager Tribunal belasten könnten.

Momcilo Perisic war bis kurz vor Beginn der Nato-Luftangriffe auf Jugoslawien Chef der Bundesarmee. Er wurde damals von Milosevic angeblich gefeuert, weil er vor der Konfrontationspolitik im Kosovo gewarnt haben soll. Perisic wechselte danach die Seite und ist heute wichtiger Verbündeter im Kabinett von Serbiens Premierminister Zoran Djindjic. Der ehemalige Armeeführer ist selbst kein unbeschriebenes Blatt: Zu Beginn des Kroatienkrieges soll er als Kommandeur den Beschuss der Küstenstadt Zadar verantwortet haben und wurde deshalb von der kroatischen Justiz in Abwesenheit zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt.

Von der US-Botschaft in Belgrad und aus Washington kam massiver Protest gegen die Festnahme des Diplomaten. Es soll sich um den ersten Botschaftsrat John David Neighbor handeln. Der Diplomat sei willkürlich festgenommen worden und habe während 15 Stunden weder mit der Botschaft Kontakt aufnehmen können noch sei ihm ein Übersetzer zur Verfügung gestellt worden, heißt es in der Protestnote. Die Festnahme von Diplomaten ist laut internationalem Recht absolutes Tabu. Doch auch Momcilo Perisic genießt als serbischer Vizepremier und Abgeordneter Immunität.

In Belgrad wird nun darüber spekuliert, wer die Aktion angeordnet haben könnte. Das Militär untersteht formell Jugoslawiens Präsident Vojislav Kostunica und seinem Armeechef Nebojsa Pavkovic. Beide wollen von der Aktion des Geheimdienstes aber erst danach erfahren haben. Er könne an der Aktion nichts Gesetzwidriges erkennen, erklärte Kostunica. Entsetzt äußerte sich hingegen Premier Djindjic: Er sprach von einem "erstklassigen Skandal". Der militärische Geheimdienst sei offenbar "außer Kontrolle" geraten. Die Demokratische Partei (DS) von Djindjic beschuldigte indirekt Kostunica, hinter der Aktion zu stehen: Neben Geheimdienstchef Ace Tomic sei auch Rade Bulatovic, Sicherheitsberater des Präsidenten, involviert. Präsident Kostunica und Hardliner in der Armee wollen offenbar mit allen Mitteln die Kooperation mit dem Haager Tribunal sabotieren.

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