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Peer Steinbrück zum getrennten Sportunterricht: „Ich würde da Rücksicht nehmen auf religiöse Überzeugungen. Aber da denkt vielleicht jeder anders.“

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Getrennter Sportunterricht: Steinbrück ist für Rücksichtsnahme gegenüber muslimischen Schülern

Während Peer Steinbrück für religiöse Toleranz wirbt, meint Angela Merkel, dies sei integrationspolitisch ein falsches Signal - dabei findet auch heute schon oft ein getrennter Sportunterricht zwischen Jungen und Mädchen statt.

Als SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück am Mittwoch bei einer Diskussionsveranstaltung Schulen ermunterte, getrennten Sportunterricht für Mädchen und Jungen anzubieten, ahnte er vermutlich nicht, welche Empörung er auslösen würde. Sogar die Bundeskanzlerin mischte sich am Wochenende in die Debatte ein. Es sei das „völlig falsche integrationspolitische Signal“, getrennten Sportunterricht für muslimische Jungen und Mädchen anzubieten, ließ Angela Merkel ihren Regierungssprecher Georg Streiter ausrichten. Merkel sehe die Integration als ganz wichtiges Anliegen, sagte er der „Rheinischen Post“. „Wenn Menschen voneinander getrennt werden, ist das das Gegenteil von Integration.“

Steinbrück war mit Blick auf Forderungen eines muslimischen Vaters nach getrenntem Sportunterricht gefragt worden, wie weit seine Toleranz hier reiche. Daraufhin warb er für eine Trennung, wenn Schulen dies einrichten könnten. „Ich würde da Rücksicht nehmen auf religiöse Überzeugungen. Aber da denkt vielleicht jeder anders.“ Ihm sei die Problematik bewusst wegen Schilderungen seiner Frau, die Lehrerin in Bonn ist, sagte Steinbrück. Oft würden muslimische Mädchen durch Krankmeldungen vom gemeinsamen Schwimmunterricht ferngehalten. Ehe dies geschehe, sei es sinnvoll, andere Lösungen zu finden.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) warf Steinbrück daraufhin vor, von Integrationspolitik „keine Ahnung“ zu haben. Jungen und Mädchen wüchsen in Deutschland gemeinsam, gleich geachtet und gleichberechtigt auf. „Bei aller Toleranz gegenüber dem Islam dürfen wir nicht die Gleichberechtigung von Mann und Frau infrage stellen“, sagte Herrmann dem „Focus“. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann konterte, in vielen Ländern sei zwischen Jungen und Mädchen getrennter Sportunterricht die Regel. „Selbst das CSU-regierte Bayern schreibt den Schulen vor, Sport grundsätzlich in zwischen Mädchen und Jungen getrennten Sportklassen anzubieten“, sagt der SPD-Mann.

In der Tat sieht der bayerische Lehrplan vor, dass in den Jahrgangsstufen fünf bis zehn im Sportunterricht geschlechtsspezifische Gruppen gebildet werden. Mädchen sollen dabei von weiblichen und Jungen von männlichen Lehrkräften unterrichtet werden. Ausnahmegenehmigungen gibt es nach Angaben des bayerischen Kultusministeriums nur dann, wenn die Sporthallensituation dies erfordert – für maximal ein Jahr. Sportarten wie Basketball, Eishockey, Fußball, Handball und Hockey sollen getrennt unterrichtet werden.

Aber auch in anderen Bundesländern wird nach der Grundschulzeit zumindest teilweise getrennt. So empfiehlt etwa der Berliner Lehrplan, in den Stufen sieben bis zehn den Sportunterricht zu trennen. In dieser Altersstufe zeigten sich verstärkt „Unterschiede des Bewegungsbedürfnisses, der geschlechtsspezifischen Interessen sowie der motorischen Eigenschaften und des Bewegungsverhaltens bei Mädchen und Jungen“, heißt es zur Begründung.

Hinzu kommt: Muslimische Eltern können sich auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1993 berufen. Danach ist die staatliche Schulverwaltung verpflichtet, „alle ihr zu Gebote stehenden, zumutbaren organisatorischen Möglichkeiten auszuschöpfen“, jedenfalls für Mädchen ab dem Alter von zwölf Jahren einen nach Geschlechtern getrennten Sportunterricht einzurichten und anzubieten. Ansonsten besteht – aus religiösen Gründen – Anspruch auf Befreiung vom Unterricht.

Der generelle gemeinsame Unterricht von Mädchen und Jungen wurde in Deutschland in den 50er und 60er Jahren eingeführt. Auch unter Pädagogen ist umstritten, wie Sportunterricht organisiert werden muss, um Mädchen und Jungen gleiche Bildungschancen zu ermöglichen.

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