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Griechenland-Krise: Was haben die Griechen bisher geleistet?

Mittlerweile redet auch die FDP von einem Schuldenschnitt für Griechenland. Und auch beim Treffen von Angela Merkel mit Nicolas Sarkozy am Nachmittag in Berlin wird das wohl ein Thema sein. Aber was hat Griechenland eigentlich selbst schon geleistet?

Am Nachmittag treffen sich der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy und Budneskanzlerin ANgela Merkel in Berlin. Es geht um Griechenland und den Euro. Und vermutlich wird es auch um einen Schuldenschnitt für Griechenland gehen. Die FDP-Spitze hält eine Umschuldung Griechenlands mittlerweile für notwendig. "Griechenland ist nicht wettbewerbsfähig", sagte Fraktionschef Rainer Brüderle bei der zweiten FDP-Regionalkonferenz am Sonntag in Dortmund. "Es wird der Punkt X kommen, wo Griechenland umschulden muss." Parteichef Philipp Rösler bezeichnete den Weg als "Resolvenz". Es gehe aber nicht darum, dass ein Land einfach unter einem anderem Namen wieder aufmache. Die Rettungsschirme seien ein erster Schritt eines Resolvenzverfahrens. Die Deutsche Presse-Agentur berichtet davon, dass aktuell in der Eurogruppe Szenarien für einen Schuldenschnitt von bis zu 60
Prozent durchgespielt würden. Gläubiger Griechenlands müssten dann auf diesen Anteil ihrer Forderungen verzichten. In Regierungskreisen heißt es laut dpa, in Sachen Schuldenschnitt sei es zu früh für eine abschließende Bewertung. Die Analyse der "Troika" - Experten von Europäischer Union (EU), Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) - zur Schuldentragfähigkeit Griechenlands liege noch nicht vor. Diese Troika hat den Griechen zahlreiche Auflagen zur Sanierung und Haushaltskonsolidierung gemacht. Sie kritisierte am Wochenende erneut die fehlenden Strukturen zur Umsetzung der beschlossenen Sparmaßnahmen. Was aber ist auf den einzelnen Feldern bisher passiert? Eine Übersicht:

STEUEREINTREIBUNG

Wer in Griechenland eine Steuerschuld von mehr als 150.000 Euro hat, ist von Finanzminister Evangelos Venizelos an den Internet-Pranger gestellt worden. Das hat aber bislang nichts daran geändert, dass zahlreiche Griechen trotz rechtskräftiger Steuerbescheide beim Fiskus in der Kreide stehen: 900.000 Einzelpersonen und Unternehmen schulden dem Staat die Summe von rund 41 Milliarden Euro. Ganz oben auf der von der Regierung veröffentlichten Liste der Unternehmen mit Steuerschulden steht die staatliche Eisenbahn, die nach Medienberichten 1,26 Milliarden Euro nicht bezahlt hat. Zu den größten Steuerschuldnern zählen zudem Athens Verkehrsbetriebe sowie Fußball- und Basketballclubs.

FINANZVERWALTUNG

Auf zwölf Milliarden Euro wird der Betrag geschätzt, der dem griechischen Staat pro Jahr durch Steuerhinterziehung entgeht. Die mangelnde Steuerehrlichkeit hängt nicht zuletzt mit der Ineffizienz der griechischen Finanzbehörden zusammen. Die Mitarbeiter in den Behörden haben in den vergangenen eineinhalb Jahren erhebliche Gehaltseinbußen hinnehmen müssen und sind daher kaum zu einer verstärkten Jagd auf Steuersünder zu motivieren. Zwar soll es nach einer Justizreform nicht mehr möglich sein, Steuerverfahren jahrelang zu verschleppen. Damit Steuerhinterziehern künftig tatsächlich das Handwerk gelegt wird, schlägt der Experte George Tzogopoulos vom Athener Forschungsinstitut Eliamep dennoch eine drastische Strukturreform vor: „Die Finanzbehörden müssen privatisiert werden, damit Kontrollen und Buchprüfungen künftig Wirkung zeigen.“

STAATSBEDIENSTETE

Die Troika verlangt eine weitere Reduzierung der Stellen im aufgeblähten griechischen Beamtenapparat und die Schließung überflüssiger Staatsbetriebe. Zwar sind seit 2009 nach den Angaben des ehemaligen Finanzministers Giorgos Papakonstantinou 100 000 von 750 000 Stellen im öffentlichen Dienst weggefallen. Der Stellenabbau geht der Troika allerdings nicht schnell genug – sie verlangt von der Regierung die stufenweise Entlassung von 30 000 Staatsbediensteten. Zu Beginn der zurückliegenden Woche kündigte Regierungssprecher Ilias Mossialos an, dass bis Ende des Jahres die verlangte Zahl von 30 000 Staatsbediensteten in eine „Personalreserve“ geschickt werden soll. Die Betroffenen werden faktisch beschäftigungslos. Wer in der „Personalreserve“ landet, muss eine 40-prozentige Gehaltskürzung hinnehmen und nach einem Jahr damit rechnen, endgültig arbeitslos zu werden. Die Troika hat Zustimmung zum Plan der Regierung in Athen signalisiert, zunächst diejenigen Staatsbediensteten in die Reserve zu schicken, die ohnehin in den nächsten Jahren das Rentenalter erreichen – betroffen sind nach griechischen Medienangaben 28 000 Staatsdiener im Alter von über 53 Jahren. Ursprünglich hatte die Troika verhindern wollen, dass die „Personalreserve“ in erster Linie zur Frühverrentung genutzt wird. Nach der Entlassung der 30 000 Staatsdiener soll nach dem Willen der Troika der Personalabbau im öffentlichen Dienst fortgesetzt werden. Die jahrelange Vetternwirtschaft der beiden großen Parteien – der sozialistischen Pasok und der konservativen Nea Dimokratia – hat dazu geführt, dass etwa jeder vierte Beschäftigte für den Staat tätig ist. Die Regierung hat daher angekündigt, dass die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Sektor bis 2015 um weitere 150 000 Personen schrumpfen soll.

Was auf den Gebieten Gehaltsreform, Haushaltsdefizit, Privatisierung und "Geschlossene" Berufe passiert ist, erfahren Sie auf der nächsten Seite.

GEHALTSREFORM

Zu den Besonderheiten des Besoldungssystems im öffentlichen Sektor gehört ein völlig intransparentes System von Zulagen, die von Ministerium zu Ministerium erheblich variieren können. Unter dem Druck der Troika hat die Regierung inzwischen beschlossen, die Zahl der möglichen Sonderzahlungen von 104 auf acht zu reduzieren. Dennoch ist noch nicht absehbar, wann tatsächlich ein einheitliches Gehaltssystem für den öffentlichen Dienst eingerichtet wird, wie es die Europäer und der Internationale Währungsfonds verlangen.

HAUSHALTSDEFIZIT

Die Vorgaben der Kreditgeber aus Europa und vom IWF sahen eigentlich vor, dass die Regierung von Ministerpräsident Giorgos Papandreou das Haushaltsdefizit mithilfe eines drastischen Sparkurses in diesem Jahr auf 7,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) drücken soll. Wegen der Rezession sieht sich Papandreou aber nicht in der Lage, das Ziel zu erreichen. Die griechische Wirtschaft dürfte in diesem Jahr um rund 5,5 Prozent schrumpfen – deshalb wird jetzt in Athen mit einer Neuverschuldung von 8,5 Prozent gerechnet. Schon machen Spekulationen die Runde, dass das Defizit sogar bei über neun Prozent liegen wird. Auch im kommenden Jahr wird Griechenland voraussichtlich ein Haushaltsdefizit verbuchen, das größer ist, als es sich die Troika wünscht: Während eine Neuverschuldung von 6,5 Prozent vereinbart war, kalkuliert Athen jetzt mit einem Defizit von 6,8 Prozent. Der Schuldenberg Griechenlands wird derweil weiter wachsen – von prognostizierten 166 Prozent des BIP in diesem Jahr auf geschätzte 172,7 Prozent im kommenden Jahr. Wenn man den Anteil am BIP zugrunde legt, so hat kein Land in der Euro-Zone einen höheren Schuldenstand als Griechenland.

PRIVATISIERUNG

50 Milliarden Euro sollen die Privatisierung staatlicher Firmen und der Verkauf von Immobilien bis zum Jahr 2015 nach den Plänen von Premier Papandreou bis zum Jahr 2015 erbringen. Doch Experten halten es für ausgeschlossen, dass diese Summe tatsächlich hereinkommt. Obwohl die Troika bei der Privatisierung aufs Tempo drückt, wurde in den letzten Monaten lediglich ein zehnprozentiger Anteil an der griechischen Telefongesellschaft OTE im Wert von 400 Millionen Euro an die Deutsche Telekom verkauft. Deshalb dürfte auch das Ziel, wonach bis zum Ende dieses Jahres ein Erlös von insgesamt fünf Milliarden Euro durch Privatisierungen erzielt werden soll, verfehlt werden. Auf der Liste der Privatisierungskandidaten stehen beispielsweise der Athener Wasserversorger EYDAP, die Eisenbahngesellschaft OSE, die sich zu 49 Prozent im Staatsbesitz befindet, und der internationale Flughafen von Athen, der zum Teil bereits dem deutschen Baukonzern Hochtief gehört. Kritiker werfen der sozialistischen Regierungspartei Pasok vor, die Privatisierung zu verschleppen, um ihre Wählerklientel in den betroffenen Staatsbetrieben nicht zu verprellen. Der Verkauf von öffentlichem Besitz kommt aber auch deshalb nur langsam voran, weil potenzielle Investoren häufig wegen des großen Einflusses radikaler Gewerkschaften in vielen Staatsbetrieben abgeschreckt werden.

„GESCHLOSSENE“ BERUFE

In Griechenland gibt es 140 Berufe, die sich mit strikten Zugangsberechtigungen gegen den Wettbewerb abschotten. Die Regierung will die starren Regeln dieser Berufsgruppen abschaffen – und erntet bei den Betroffenen heftigen Widerstand. So wehren sich die Rechtsanwälte dagegen, dass sie von ihren Mandanten nach den Plänen der Regierung keine fixen Vergütungssätze mehr verlangen dürfen. Apotheker wollen nicht zulassen, dass mit den Reformplänen ihre Gewinnmargen schrumpfen. Das Problem bei der Öffnung der „geschlossenen“ Berufe liegt indes vor allem bei den Lkw- und Taxifahrern, die sich häufig durch den Erwerb teurer Lizenzen ihren Eintritt in den Beruf erkauft haben. So war es in der Vergangenheit keine Seltenheit, dass Taxifahrer mehr als 100 000 Euro für eine Lizenz hinblättern mussten. Weil die Regierung nun eine größere Liberalisierung beim Taxitransport verlangt, befürchten die Fahrer, dass ihre Lizenzen wertlos werden. Deshalb treten sie seit Monaten immer wieder in den Ausstand. Ohne Erfolg blieb bislang auch die von der Regierung vor über einem Jahr beschlossene Aufhebung der Zugangsbeschränkungen bei den Lkw-Fahrern. „Obwohl im Juli 2010 ein Gesetz zur Beseitigung der Barrieren im Bereich des Straßenverkehrssektors beschlossen worden ist, bedeutet das nicht unbedingt, dass es auch angewandt wird“, sagt George Tzogopoulos vom Forschungsinstitut Eliamep. Der Experte sieht darin auch ein Grundübel in der griechischen Politik: „Obwohl das griechische Parlament neue Gesetze beschließt, ist die Regierung oft nicht in der Lage, sie durchzusetzen.“

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