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Die drei Parteichefs Seehofer, Merkel und Gabriel

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Große Koalition: Der Mindestlohn kommt - aber wie?

Am Mindestlohn will niemand in der Koalition mehr rütteln, auch Horst Seehofer nicht. Doch ganz ohne Zwist geht es auch nicht: Vor allem über Ausnahmen für Berufseinsteiger wird bis zum Schluss debattiert.

Die drei Parteichefs von CDU, CSU und SPD haben am Dienstagabend ihr Spitzentreffen beendet. In kleinstmöglicher Runde sprachen sie über die Knackpunkte der Großen Koalition - von Mindestlohn, über Rente bis Energiewende.

SPD-Parteichef Sigmar Gabriel sagte am Mittwoch: "Dass der Mindestlohn bald im Gesetzblatt steht, ist ein gemeinsamer Erfolg der SPD, der Gewerkschaften und auch der Union.“ Kein Arbeitnehmer in Deutschland werde künftig weniger als 8,50 Euro verdienen. „Das betrifft vier Millionen Menschen“, sagte Gabriel, ohne Details einer Einigung zu nennen.

Für seine Verhältnisse gibt sich Horst Seehofer richtig sanft. „Wir wollen die Idee des Mindestlohns nicht infrage stellen“, versicherte der CSU-Chef vor dem Treffen der drei Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD und auch nach der Runde poltert er nicht drauflos und ist auffällig schweigsam. Auf ein paar Ausnahmen beim gesetzlichen Mindestlohn pocht der bayerische Ministerpräsident dann aber doch. Ehrenamtliche sowie Praktikanten in der Ausbildung müssten außen vor bleiben, fordert Seehofer im „Handelsblatt“. Es sind Spiegelgefechte, die der CSU-Vorsitzende betreibt: Bei beiden Gruppen ist seit langem klar, dass sie nicht vom Mindestlohn erfasst werden sollen.

Diskussion über Ausnahmen beim Mindestlohn

Der Mindestlohn ist das erste größere Projekt, das die Koalition seit der Edathy-Affäre anschiebt, in diesen Tagen will Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ihren Gesetzentwurf zur Abstimmung verschicken.

Auch die stellvertretende SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft sieht in den Streitfragen Mindestlohn und Rente gute Einigungschancen in der schwarz-roten Koalition im Bund. „Gerade in diesen beiden Fällen waren die Verhandlungen im Zuge der Koalitionsbildung sehr intensiv“, sagte die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

Diskutiert wird in der Koalition allerdings noch über Ausnahmen. Arbeitsministerin Nahles hatte vorgeschlagen, dass Jugendliche unter 18 Jahren keinen Anspruch auf den Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde bekommen sollen. Sie will verhindern, dass junge Menschen sich für einen Aushilfsjob entscheiden, der besser bezahlt ist als eine Lehrstelle. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt hält diese Altersgrenze allerdings – ebenso wie andere in der Union – für zu niedrig. Sie verweist auf Frankreich, wo der Mindestlohn erst ab 25 Jahren greift. Auch in Großbritannien und den Niederlanden gibt es eine Altersdifferenzierung. Belgien hingegen hat den Jugendmindestlohn 2013 wegen Altersdiskriminierung abgeschafft.

Besserung in Sicht. Friseurinnen gehören in Deutschland zu den Niedrigverdienern – noch. Doch ab kommenden Jahr gilt für sie ein Branchen-Mindestlohn von 8,50 Euro. Bei anderen Berufsgruppen soll eine gesetzliche Regelung dafür sorgen, dass junge Arbeitnehmer sich nicht gegen eine womöglich schlechter bezahlte Berufsausbildung entscheiden. Foto: imago/Caro

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Auch die Wirtschaftsverbände würden die Altersgrenze gerne deutlich anheben. Sie verweisen darauf, dass Jugendliche in Deutschland heute im Schnitt 19,8 Jahre alt sind, wenn sie eine Ausbildung anfangen. Gerade mal 29,7 Prozent der jungen Leute, die eine Ausbildung antreten, sind jünger als 18 Jahre, wie Statistiken des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) zeigen. Der designierte DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann hingegen bescheinigt der Koalition ein „eigentümliches Verständnis von Generationengerechtigkeit“.

Gewerkschaften sind gegen Ausnahmen

Um seine Ablehnung zu untermauern, legte der DGB am Dienstag ein Gutachten des Rechtswissenschaftlers Andreas Fischer-Lescano aus Bremen vor. Der kommt zum Ergebnis, dass Ausnahmen für Studenten, Rentner, Sasionarbeitnehmer, Langzeitarbeitslose oder Jugendliche rechtlich unzulässig seien. Wer diese Gruppen außen vor lassen wolle, verstoße nicht nur gegen das Grundgesetz, sondern auch gegen EU-Recht und Völkerrecht, argumentiert der Jurist.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi warnt davor, dass Ausnahmen für jüngere Menschen gerade in klassischen Niedriglohnbereichen wie dem Handel zu Verdrängungseffekten führen – sprich: dass ältere Arbeitnehmer durch junge Billigkräfte ersetzt werden. „Es ist zu befürchten, dass Lohndumping zulasten der Älteren betrieben wird“, sagte ein Verdi-Sprecher. Außerdem hätten alle neueren Studien – unter anderem von der unabhängigen Mindestlohnkommission in Großbritannien („low pay commission“) – gezeigt, dass es keine oder geringe Beschäftigungswirkungen habe, wenn es beim Mindestlohn Ausnahmen für Jugendliche gebe.

Ähnlich argumentiert Juso-Chefin Johanna Uekermann. Die Behauptung, junge Menschen würden einen Hilfsjob aufgrund der besseren Bezahlung einer Ausbildung vorziehen, sei haltlos, sagt sie: „Junge Menschen erkennen den Wert, den eine gute Ausbildung für ihr berufliches Fortkommen hat.“

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