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Große Koalition: Drei Mal einig, drei Mal nicht

Beiträge zur Arbeitslosenversicherung werden günstiger. Über die Bahn wird weiter gestritten. Die Ergebnisse des Koalitions-Spitzentreffens im Überblick.

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Wird es einen Mindestlohn in der Postbranche geben?

Nein. Die Union lehnte die Forderung der SPD ab, den zwischen der Deutschen Post und Verdi in einem Tarifvertrag verabredeten Mindestlohn von acht bis 9,80 Euro für die gesamte Branche festzuschreiben. Die Vertreter von CDU und CSU machten im Koalitionsausschuss drei Vorschläge, welche die SPD allesamt ablehnte. Die Union wollte den Mindestlohn nur für diejenigen vorschreiben, die vollberuflich Briefe zustellen. Der Briefträger, der für den Post-Konkurrenten Pin oder TNT arbeitet, hätte danach den Mindestlohn erhalten, der Taxifahrer, der gelegentlich Zeitungen zustellt, nicht. Zweitens regte die Union an, die Lohnuntergrenze bei acht Euro zu ziehen, was die SPD als Eingriff in die Tarifautonomie ablehnte. Ein dritter Vorschlag sah vor, den Mindestlohn nur für lizensierte Briefunternehmen einzuführen. Das hätte laut SPD jedoch dazu führen können, dass die Unternehmen Mindestlöhne unterlaufen, indem sie Subunternehmer beschäftigen. Die SPD wird nach Angaben von Finanzminister Peer Steinbrück dennoch nicht versuchen, das zum 1. Januar anstehende Aus für das Briefmonopol der Post zu stoppen. Das heißt, dass ausländische Unternehmen mit Billiglöhnen auf den deutschen Markt drängen können.

Wie stark sinkt der Arbeitslosenbeitrag?

Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung wird zum 1.1.2008 von derzeit 4,2 auf 3,3 Prozent gesenkt – stärker als die bisher geplanten 3,9 Prozent. Davon profitieren Arbeitgeber und Arbeitnehmer (siehe Grafik), allerdings steigen gleichzeitig die Pflegebeiträge. Wegen der guten Konjunktur hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) mehr Geld zur Verfügung – sie nimmt mehr Beiträge ein und muss weniger Unterstützung zahlen. Bereits Anfang 2007 war der Beitrag von 6,5 auf 4,2 Prozent gesunken. Falls der Beitrag in wirtschaftlichen Schwächephasen nicht mehr reichen sollte, wird er wieder angehoben.

Bekommen ältere Arbeitslose künftig länger Arbeitslosengeld I?

Ja. In Zukunft sollen bereits 50-Jährige, die ihren Job verlieren, 15 Monate lang Arbeitslosengeld I (ALG I) erhalten. Derzeit rutschen sie bereits nach einem Jahr ins Arbeitslosengeld II. Wer mindestens 55 Jahre alt ist, soll künftig 18 Monate ALG I bekommen, so wie heute auch. Profitieren soll, wer 58 Jahre und älter ist – für diese Personengruppe soll die BA 24 Monate lang ALG I zahlen. Voraussetzung für die verlängerte Zahlung ist, dass die Betroffenen innerhalb der vorangegangenen fünf Jahre Versicherungszeiten von 30, 36 beziehungsweise 48 Monaten vorweisen können. Die Neuregelung soll nach Angaben des CDU-Arbeitsmarktexperten Ralf Brauksiepe „schnellstmöglich“ in Kraft treten – Anfang Januar 2008 sei aber gesetzgeberisch nicht zu schaffen.

Was kostet die Verlängerung des Arbeitslosengeldes I?

Die Koalition beziffert die Mehrausgaben der BA auf 1,1 Milliarden Euro. Diese Summe soll durch Einsparungen aufgebracht werden, die allerdings nicht zulasten der Jüngeren gehen sollen, wie die Union gefordert hatte. Rund 300 Millionen Euro kommen dadurch zustande, dass die Altersstaffelung nicht so in Kraft tritt, wie die SPD verlangt hatte – sie wollte bereits Arbeitslosen ab 45 Jahren länger ALG I zahlen. Der Bund muss außerdem rund 270 Millionen Euro weniger fürs Arbeitslosengeld II ausgeben. Außerdem sollen 500 Millionen Euro aus nicht abgerufenen Eingliederungsgeldern stammen. Auf Druck von Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) sollen ältere Arbeitslose einen Eingliederungsgutschein erhalten, bevor sie das verlängerte ALG I erhalten – entweder verbunden mit einem konkreten Jobangebot oder dem Auftrag, sich um eine neue Stelle zu bemühen. Der Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt soll Vorrang vor dem passiven Leistungsbezug haben.

Was ist der „Wohn-Riester“, der 2008 eingeführt werden soll?

Die Koalition will Wohneigentum in die staatlich geförderte Riester-Rente einbeziehen. Wer eine Immobilie kauft, die er selbst nutzen will, soll bei der Tilgung des Darlehens unterstützt werden. Außerdem soll es möglich sein, für den Kauf Kapital aus Riester-Verträgen zu entnehmen. Die Wohungsbauprämie soll nicht, wie von der SPD im Gegenzug gefordert, abgeschafft werden. Die Mittel aus den geförderten Bausparverträgen sollen aber nur noch für Wohnungsbaumaßnahmen eingesetzt werden.

Droht Arbeitslosen über 58 Jahren die Zwangsverrentung?

Keinen Kompromiss gab es bei der Ende 2007 auslaufenden 58er-Regelung. Diese sah bislang vor, dass ältere Arbeitslose erst dann in Rente gehen mussten, wenn sie dies ohne Abschläge von ihren Altersbezügen tun konnten. So lange sollten sie Arbeitslosenunterstützung erhalten. Ihnen droht nun eine frühere Verrentung mit Abschlägen bis zu 18 Prozent. Arbeitsminister Müntefering hatte vorgeschlagen, den Betroffenen eine Stelle anzubieten, bevor ihre Rente gekürzt wird. SPD-Chef Kurt Beck kündigte noch für diese Woche Gespräche in den Fraktionen an. Dann soll auch der von der Koalition geplante Erwerbstätigen- und Kinderzuschuss erneut auf die Tagesordnung kommen, um Bezieher von Niedrigeinkommen vor dem Abrutschen in das Arbeitslosengeld II zu schützen.

Ist über die Teilprivatisierung der Bahn AG entschieden?

Ob und wie die Bahn privatisiert werden soll, haben Union und SPD noch nicht entschieden. Das Thema ist für das nächste Koalitionstreffen, den 10. Dezember, auf Wiedervorlage gelegt worden. Bis dahin soll Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) zwei Modelle prüfen. Einerseits soll er die Vorzugsaktie auf ihre Praktikabilität untersuchen. Zum anderen wird geprüft, ob beim sogenannten Infrastruktursicherungsmodell eine Zerschlagung des Konzerns ausgeschlossen werden kann. Das Modell, dessen Urheberschaft Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) zugeschrieben wird, sieht vor, einen Teil der Verkehrs- und Logistiksparte an Investoren zu veräußern, das Gleisnetz und Bahnhöfe in der Verantwortung des Bundes zu belassen. Beide Bereiche sollen in einer Bahn-Holding vereint werden, an der der Bund 100 Prozent der Anteile hält. Das Modell wird jedoch von Privatisierungskritikern der SPD abgelehnt, weil es quasi die Trennung von Netz und Betrieb bei der Bahn strukturell festschreibt. Das Volksaktienmodell, das die SPD auf ihrem Hamburger Parteitag beschlossen hatte, scheint hingegen keine Rolle mehr für die Union zu spielen. Fraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen sagte, in der Koalitionsrunde sei kein gemeinsamer Prüfauftrag für dieses Modell erteilt worden. Die Privatisierung der Bahn in dieser Legislaturperiode ist damit weiter offen. Sollten sich die Koalitionsspitzen am 10. Dezember für das Holding-Modell entscheiden, müsste letztlich ein SPD- Sonderparteitag darüber entscheiden. Dessen Zustimmung ist jedoch fraglich.

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