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© dpa

Hessen: Auf die Koalitionsprobe stellen

In der SPD überlegen sich manche, ob ein festes Bündnis mit der Linken in Hessen nicht besser wäre als eine Tolerierung.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Bei den Sozialdemokraten im Bundestag macht sich zunehmend Sorge über das erste westdeutsche rot-rot- grüne Tolerierungsmodell breit, das scheinbar unaufhaltsam auf die SPD zuzurollen scheint. Im Zentrum des Unwohlseins steht die Frage: Was wird geschehen, wenn Andrea Ypsilantis SPD-Minderheitsregierung im Spätherbst tatsächlich zustande kommt und sich die Linke – allen voran Oskar Lafontaine – dann aber doch dazu entscheidet, die Partner, die sie 2008 im Wiesbadener Landtag toleriert, im kommenden Superwahljahr 2009 nach allen Regeln der Kunst als unsoziale Kantonisten vorzuführen? Erste Hinweise darauf konnte man schon im jüngsten Forderungspapier der Linken in Hessen lesen. Von einer Abschaffung der Ein-Euro-Jobs, ja des Arbeitslosengeldes II insgesamt, ist die Rede.

Eine, der diese Gefahr bewusst ist, ist Nina Hauer, hessische Bundestagsabgeordnete mit Vorstandssitz. Hauer warnt ihre Partei schon mal vorsichtig: „Für den Erfolg einer SPD-geführten Landesregierung ist ein Höchstmaß an Verbindlichkeit nötig“, sagte sie. Vom Parteitag der hessischen Linken am kommenden Wochenende erwarte sie daher „klare Signale der Verlässlichkeit“. Sowohl programmatisch als auch personell müsse sich die Linke in Hessen für oder gegen die Verantwortung entscheiden. „Ein bisschen schwanger geht nicht“, sagte Hauer.

Das „K-Wort“ macht in der Fraktion die Runde: K wie Koalition, eine Koalition von SPD, Grünen und Linken in Hessen. Was noch vor Wochen undenkbar war, erscheint manchen nun als ein durchaus akzeptables, ja sogar gebotenes Mittel, die hessische Machtfrage am Ende so zu klären, dass sich der bundespolitische Schaden in Grenzen hält. Und zwar in die eine oder die andere Richtung: Entweder gelingt es, die Hessen-Linken in ein festes Koalitionskorsett zu schnüren, auf dass sie ihre Träume an der Realität abprüfen müssen. Oder aber die linke Truppe gibt schon vorher auf. Hauer, Sprecherin der reformorientierten „Netzwerker“, sagt es ganz offen. Ihr wäre – wegen der Verlässlichkeit – eine Koalition mit der Linkspartei in Hessen lieber als bloße Absprachen.

Auch werden Erinnerungen an Reinhard Höppners erste Tolerierungskoalition, das Magdeburger Modell in Sachsen-Anhalt, wach. Querelen waren an der Tagesordnung, allein schon, um jedes Jahr den Haushalt aufzustellen. Und am Ende – zwei Legislaturperioden regierte die SPD in einer Minderheitsregierung – war die Sozialdemokratie in Sachsen-Anhalt auf knapp 20 Prozent heruntergeschnurrt. Die Grünen hatte das Tolerierungsmodell zwischenzeitlich sogar die parlamentarische Existenz gekostet. Einer, der das Magdeburger Modell hautnah erlebt hat und nun seine Schlussfolgerungen daraus zieht, ist der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises der SPD, Klaas Hübner. „Hände weg von Minderheitsregierungen“, warnt Hübner seine Parteifreundin Ypsilanti. Denn auf diese Art und Weise zu regieren, sagt Hübner, „lässt die SPD zum Spielball der Linken werden“.

Deutlich wird auch Finanzminister und Parteivize Peer Steinbrück. Er halte die Risiken der politischen Szenarien in Hessen für unvertretbar, sagte er dem „Stern“. „Wir stehen zwischen Pest und Cholera.“ Sollte Ypsilanti zur Wahl antreten und verlieren, werde das sie selbst, die SPD in Hessen und die Bundes-SPD vor der Bundestagswahl schwer beschädigen. Werde sie gewählt, „ist sie abhängig von der Linken und den Traumata des Herrn (Oskar) Lafontaine“. Auch störe ihn, dass die Linke dann nicht in eine politische Haftung genommen würde. Und der ehemalige stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Wolfgang Clement beklagt im „Rheinischen Merkur“ ganz pauschal: „Im Moment sehe ich in unseren Reihen zu viele, die auf eine Vereinigung mit der Linkspartei Oskar Lafontaines zuzusteuern scheinen.“ (mit ddp)

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