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Jeder Dritte wählte nicht: Enttäuschte SPD-Anhänger blieben daheim

Wären sie allesamt Anhänger einer einzigen Partei, könnten sie die politische Landschaft gehörig umkrempeln: Die Nichtwähler und Wähler der sonstigen kleineren Parteien in Berlin erreichten bei der Bundestagswahl am Sonntag zusammengerechnet einen Anteil von 37,7 Prozent.

Exakt 29,9 Prozent der Wahlberechtigten gingen nicht zur Urne, 7,8 Prozent entschieden sich für das buntgewürfelte Spektrum unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde – von der Piratenpartei über die Violetten bis zur NPD. Damit hat die Zahl der Wahlverweigerer und Anhänger sonstiger Gruppierungen in Berlin auffällig zugenommen.

Wie lässt sich das erklären? Wahlforscher haben bereits einen hauptsächlichen Grund ausgemacht: Die erhebliche Mobilisierungsschwäche der SPD. „Viele enttäuschte traditionelle Anhänger der Sozialdemokraten sind wohl zu Hause geblieben“, sagt Politikwissenschaftler Professor Richard Stöss vom Otto-Suhr-Institut der Freien Universität (FU). Vor allem Hartz IV-Empfänger und ältere Menschen mit kleiner Rente gehörten zu diesem Kreis. Sie fühlten sich von der SPD nicht mehr gut vertreten. Dies bestätigte gestern der Landeswahlleiter. Nach seiner Auswertung büßte die SPD auffällig viele Stimmen in Wohngebieten mit vielen Langzeitarbeitslosen ein. Dort gab es zugleich mehr Nichtwähler.

Dass die Zuwächse bei den Wahlverweigerern und Protestparteien offenbar erheblich zu Lasten der Sozialdemokratie gehen, zeigt auch schon ein Blick auf die Verliererseite des Wahlergebnisses: Die SPD hat als einzige Partei Stimmen abgegeben – und zwar stadtweit 14 Prozent. Noch extremer sackte sie im Ostteil mit einem Minus von 16,8 Prozent ab. Addiert man dort die im Vergleich zum Westteil besonders starken Zuwächse bei Nichtwählern und Kleinstparteien mit dem leichten Gewinn der Linken zusammen, so kommt man auf einen Anteil, der nahezu dem SPD-Verlust entspricht: 16,6 Prozent.

Die Zahl der Nichtwähler stieg im Ostteil im Vergleich zu 2005 um 7,7 Prozentpunkte auf insgesamt 31,2 Prozent. Die graue Säule der sonstigen Parteien nahm um 4,6 Prozent auf 9,4 Prozent zu. Die Linke verbesserte sich im Ostteil um 4,3 Prozent. Dass sie und die Grünen gleichfalls von SPD-Überläufern profitieren, zeigten bereits die Analysen der Landtagswahlen von Hessen und Niedersachsen. Außerdem gelingt es nach Einschätzung von Wahlforschern zurzeit offenbar nur der Linken und der neuen Piraten-Partei, bisherige Nichtwähler an sich zu binden. Ohne diese beiden Parteien wäre die Wahlbeteiligung in Berlin vermutlich noch um einiges schlechter gewesen.

Für die Piraten votierten rund 57 600 Berliner, das sind 3,4 Prozent. Aus Sicht von FU-Parteienforscher Stöss hatten sie durch ihre lockere Art und „Fokussierung auf Internet-Themen“ überwiegend bei jungen Leuten Erfolg.CS

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