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Vor einem Jahr im bayerischen Seeon-Seebruck war die Stimmung zwischen Alexander Dobrindt und Markus Söder (r, CSU) gelöst.

© dpa / Sven Hoppe

Klausur im Kloster Seeon: Die CSU ist auf der Suche nach mehr Einfluss im Bund

Die bayerische Partei strebt raus aus der Opposition, träumt von Regierung und Kanzlerschaft. Doch in Kloster Seeon ringt sie damit, Gehör zu finden.

Der Rückzug ins Kloster hat eigentlich etwas Asketisches und Besinnliches. Bei der CSU gerät der traditionelle politische Jahresauftakt im bayerischen Kloster Seeon allerdings stets zum Schaulaufen. Weil die Oppositionspartei zeigen will, dass sie die bessere Alternative zur Ampelregierung ist.

Zugleich hängt ihr Vorsitzender Markus Söder noch seinen eigenen Träumen von der Kanzlerschaft nach und gab sich dafür bei seinem Besuch in Israel kurz vor Weihnachten betont staatsmännisch. Auf der Klausur der CSU-Landesgruppe an diesem Wochenende ist Söder nur zu Gast, Hausherr ist Alexander Dobrindt, der die CSU im Bundestag anführt

Die stille Einkehr fernab der Öffentlichkeit ist auch wegen der hochrangigen Gästeliste nicht zu erwarten: Unter anderem sind die stellvertretende Ministerpräsidentin von Bulgarien, Mariya Gabriel, der dänische Einwanderungsminister Kaare Dybvad Bek und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geladen.

Alle Kinder, die in Bayern leben, sind unsere Kinder.

Markus Söder, Bayerns Ministerpräsident, in seiner Neujahrsansprache

All diese Expertenbeiträge sollen bis zum Abschluss der Klausur am Montag Eingang in das Beschlusspapier der Landesgruppe finden. Damit will die Bundes-CSU wegweisend sein und findet vermutlich doch auf nationaler Ebene wenig Niederschlag. Denn als Oppositionspartei fehlt im Bundestag die Gestaltungskraft, und zuvor müssten sich die Bayern sowieso auf jeden Vorschlag mit ihrer Schwesterpartei auf eine Stoßrichtung einigen.

Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz gilt als wahrscheinlicher Kandidat der Union für die nächste Bundestagswahl.
Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz gilt als wahrscheinlicher Kandidat der Union für die nächste Bundestagswahl.

© dpa/Michael Kappeler

Zwar hat dies im vergangenen Jahr unter anderem beim Thema Migration funktioniert, jedoch mehr deswegen, weil die Einwanderungsexperten in der CDU sowieso einen schärferen Kurs eingeschlagen hatten. Daher bleibt die Frage, wie stark der Einfluss der Landesgruppe in der Bundestagsfraktion aktuell ist.

Beim neuen Wahlgesetz kämpft die CSU dafür mehr oder weniger für sich, denn die Bayern wären stärker betroffen. Um das Parlament zu verkleinern, hatte der Bundestag beschlossen, die Grundmandatsklausel zu streichen. Käme die CSU, die nur in Bayern wählbar ist, bundesweit nicht über die Fünf-Prozent-Hürde, würde die Grundmandatsklausel ihr zumindest den Einzug in den Bundestag garantieren – sofern die CSU mindestens drei Direktmandate gewinnt. Im schlimmsten Fall könnten die Christsozialen den Einzug in den Bundestag verpassen.

Weil die Ampel schwächelt, wittert die CSU ihre Chance

Um das vermeintlich günstige Momentum einer besonders unbeliebten Ampelregierung auszunutzen, rief zuletzt vom Generalsekretär bis zum Parteichef fast täglich ein CSU-Politiker nach Neuwahlen. Doch dass die Ampelkoalition wirklich vorzeitig zerbricht, gilt trotz der wochenlang andauernden Haushaltsdiskussionen als unwahrscheinlich. Söder muss sich also gedulden und in Bayern den Laden am Laufen halten. Die Aufgabe gilt als wenig herausfordernd für den selbstbewussten Ministerpräsidenten.

Dabei strotzt seine CSU daheim nicht gerade vor Stärke. Das „schlechteste Ergebnis der Geschichte“ wurde bei der Landtagswahl noch einmal – wenn auch nur knapp – unterboten. Vor der Wahl koppelte der ein oder andere CSU-Altvordere Söders Stärke und seine bundespolitischen Ambitionen an das Ergebnis der Landtagswahl. Nachdem die CSU im Herbst 2023 mit einem blauen Auge davongekommen war, legte man den Mantel des Schweigens über das Ergebnis.

Söder bleibt innerhalb der CSU trotzdem unangefochten, vor allem weil kein Nachfolger oder keine Nachfolgerin Ansprüche erhebt. Neben öffentlichkeitswirksamen Auftritten wie in Israel ist Söder fast jeden Tag mit einer Wortmeldung in den Medien vertreten.

Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, gilt als die modernere Alternative in der Riege möglicher Kanzlerkandidaten der Union. Auch im Vergleich zu Markus Söder (CSU, rechts).
Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, gilt als die modernere Alternative in der Riege möglicher Kanzlerkandidaten der Union. Auch im Vergleich zu Markus Söder (CSU, rechts).

© dpa/Sven Hoppe

Der Franke hofft auf eine neue Chance, sich außerhalb von Bayern als starker Mann zu profilieren und wartet auf einen Ausrutscher des häufig unglücklich agierenden CDU-Chef Merz. Dieser scheint in der Union derzeit relativ unumstritten und gilt als Favorit auf die nächste Kanzlerkandidatur. Den letzten unionsinternen Machtkampf um die Kanzlerkandidatur mag Söder verloren haben, dass sich der bayerische Landesfürst aber endgültig geschlagen gibt, glaubt parteiintern niemand.

Passend dazu schlug der bayerische Ministerpräsident deshalb in seiner Neujahrsansprache eine andere Tonart als der Sauerländer Merz an und bewies damit wieder einmal, dass er ein gutes Gespür für die Stimmung im Volk hat. Knapp ein Jahr nachdem Friedrich Merz die Silvesterrandalierer in Berlin und Nordrhein-Westfalen als „kleine Paschas“ bezeichnete und damit stark polarisierte, klang Söder milder. Er bediente sich dabei an einer alten Rede des Kollegen Hendrik Wüst und sprach in Zusammenhang mit dem Thema Integration davon, dass „alle Kinder, die in Bayern leben, unsere Kinder sind“.

Mit den Freien Wählern hat Söder in Bayern einen sperrigen Regierungspartner an der Backe. Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger scheut sich nicht, seine Partei als Alternative rechts der CSU zu positionieren. Seine Partei könnte damit einen Erfolg bei der Europawahl im Juni einfahren, was einen Ansehensverlust für die CSU bedeuten würde. Es ist an Söder, seine Partei so auszurichten, dass der konservative Markenkern wieder mehr zur Geltung kommt, aber gleichzeitig die Brandmauer zur AfD nicht ins Wackeln gerät. Eine Gratwanderung für die CSU, die doch Volkspartei sein will.

Die CSU hat bei dieser Klausur zum Jahresauftakt also wahrlich genügend Aufgaben vor sich. Sie will prägend sein für die Haltung der Union im Bund, für die Wähler die Volkspartei verkörpern und auf die drängendsten Fragen der Gegenwart Antworten geben. Grund genug also an diesem Wochenende im ehemaligen Benediktinerkloster Seeon zumindest einem Leitspruch der Mönche gerecht zu werden: Ora et labora – bete und arbeite – heißt es, und arbeiten werden die Bundestagsabgeordneten mit Sicherheit.

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