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Koalitionsverhandlungen: Der Fahrplan von Union und SPD

Der Weg zu einer großen Koalition ist noch weit – selbst wenn sich die Verhandlungsführer über die Inhalte des Koalitionsvertrages einig werden. Welche Hürden sind noch zu nehmen?

Von Hans Monath

Oft liegt die SPD mit Alexander Dobrindt vollkommen über Kreuz, doch mit einer Einschätzung traf der CSU-Generalsekretär am Donnerstag perfekt die Erwartung seiner Verhandlungspartner. „Es ist noch ein unglaublich schwieriger Weg, da darf man sich überhaupt keinen Illusionen hingeben“, warnte Dobrindt vor Beginn der großen Verhandlungsrunde. Er erwarte, dass es Anfang kommender Woche „extrem schwer wird, nervenbelastend wird, emotional belastend wird“.

Die Runde mit etwa 70 Teilnehmern, so schätzt das ein Teilnehmer ein, könne schwierige Konflikte nicht lösen. Deshalb werden zumindest auf Unionsseite Angela Merkel (CDU) und Horst Seehofer (CSU) die Streitpunkte und mögliche Kompromisslinien vorbesprechen. Am Sonntag wollen sie sich im Kanzleramt treffen, hieß es in der Union, es könnten auch noch die engeren Parteispitzen dazustoßen. Zuvor hatte es aus der Union geheißen, auch SPD-Chef Sigmar Gabriel würde dabei sein. Das wurde aber von der SPD dementiert. Am Montag wird sich dann die 15er-Runde aus den engeren Spitzen der drei Parteien treffen. Eine Einigung offiziell beschließen aber kann nur die große Verhandlungsrunde, die am Dienstag zusammentritt. Deren Beratungen könnten sich im äußersten Falle bis Donnerstag hinziehen. In dieser Entscheidungsphase der Verhandlungen dürften sich die drei Parteichefs in kritischen Situationen mehrfach zu Beratungen zurückziehen.

Spätestens Ende kommender Woche, so die Planung, soll der Koalitionsvertrag fertig sein. Trotz vieler Bedenken und Verweise auf Alternativen zur großen Koalition rechnen beide Seiten mit einer Einigung. Sobald die Inhalte feststehen, geht es auch um Köpfe: Der Koalitionsvertrag schreibt fest, welche Partei welche Ressorts besetzt. Allerdings wird in der SPD noch überlegt, ob die Partei die Namen ihrer künftigen Bundesminister dann sofort bekannt geben soll. Der Grund des Zögerns ist der an der Basis weitverbreitete Verdacht, es gehe der Führung nicht um sozialdemokratische Politik, sondern nur um prestigeträchtige Posten und Dienstwagen.

Die SPD-Spitze will ohnehin alles vermeiden, was den Erfolg des Mitgliederentscheids gefährden könnte, der Mitte Dezember abgeschlossen sein soll. Von Sonnabend kommender Woche an will das Willy-Brandt- Haus die Briefwahlunterlagen an die rund 470 000 Parteimitglieder verschicken.

Zudem will die SPD-Führungsebene mit mehr als 16 Regionalkonferenzen in allen Bundesländern die Basis von ihrer Sicht der Dinge überzeugen. Die ersten dieser Treffen starten schon an diesem Wochenende und stellen damit eine ganz besondere Herausforderung dar: Noch bevor ein Koalitionsvertrag in trockenen Tüchern ist und die SPD damit konkrete Ergebnisse bewerten kann, müssen Parteichef Sigmar Gabriel und Generalsekretärin Andrea Nahles schon am Freitag und Samstag auf vier Regionalkonferenzen in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz für die politische Chance der SPD in einer großen Koalition werben.

Der ständige Verweis der Sozialdemokraten auf ihre anspruchsvolle Basis und ihr Versuch, damit Zugeständnisse zu erreichen, hatte während der Verhandlungen viele Unterhändler von CDU und CSU geärgert. Doch die basisdemokratische Wende erhöhte auch den Druck auf die Union, ihre Politik den Mitgliedern besser zu erklären. Etliche große CDU- Landesverbände, so Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, wollen nun ihre Basis einstimmen auf das Arbeitsprogramm der großen Koalition und sich dabei auch kritischen Fragen stellen.

Ob die große Koalition dann zustande kommt, wird in einem denkmalgeschützten ehemaligen Postbahnhof in Berlin-Kreuzberg festgestellt: Mehrere hundert freiwillige SPD-Helfer werden am 14. Dezember in der Veranstaltungshalle „Station Berlin“ in der Nähe des Verkehrsmuseums unter Aufsicht eines Notars die Stimmzettel der Mitglieder auszählen. Mindestens 20 Prozent und damit rund 93 000 Genossen müssen sich beteiligen, damit das Ergebnis bindend wird. Noch am Abend desselben Tages, eines Sonnabends, will die SPD das Ergebnis des politischen Experiments bekannt geben, das auch über die Berechenbarkeit und Stabilität deutscher Politik entscheidet.

Vielen in der SPD ist erst auf dem unruhigen Parteitag in Leipzig klar geworden, dass der Mitgliederentscheid keineswegs ein Selbstläufer wird. Sofern die Mehrheit der SPD-Mitglieder für die große Koalition votiert, soll Angela Merkel dann am 17. Dezember zum dritten Mal zur Kanzlerin gewählt werden.

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