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Kreislaufzusammenbruch: Das ewige Problem des Matthias Platzeck

Matthias Platzeck musste ins Krankenhaus. Schon wieder. Mit seiner neuerlichen Schwäche wackelt nun auch das Machtgebäude der Brandenburger SPD.

Plötzlich ist alles anders. Dabei schien noch vor ein paar Tagen alles bestens. Es war ein lauer Sommerabend, warm, nur ein paar Wolken zogen am Himmel vorbei. Freibier gab es und Würstchen. Und Matthias Platzeck, der dieses Jahr 60 wird, der Brandenburg nunmehr seit 2002 regiert, fast der dienstälteste Länderchef in Deutschland ist, von Klaus Wowereit abgesehen, war blendend drauf. Warum auch nicht?

Das Hochwasser war so gut wie gebändigt, und sein „Ländchen“ war wieder einmal unbeschadet davon gekommen, während anderswo im Osten ganze Landstriche untergingen. Er stand auf der Bühne, im Volkspark zu Potsdam, zusammen mit Peer Steinbrück und Frank Walter Steinmeier. Er schwor rund 2000 Sozialdemokraten für die Bundestagswahl ein, „auf der größten SPD-Party im Osten, ja bundesweit“, wie sie in Potsdam stolz sagen. All der Stress, die Anspannung der letzten Wochen, als er fast täglich an den Deichen war und sich daneben als Aufsichtsratschef um das Flughafen-Desaster zu kümmern hatte? Nichts davon war ihm anzumerken an dem Abend, der zusammen mit Steinbrück und Steinmeier in der Potsdamer Villa Haacke ausklang. Spät, sehr spät sogar. Es folgte ein typisches Wochenende, Eröffnung des Forster Rosengartens, Kontrollbesuch in der Elbestadt Wittenberge, dann noch Jauch.

Doch nun, seit Montagmorgen, liegt Platzeck im Potsdamer Krankenhaus. Auf Anraten seiner Ärzte „wegen Kreislaufproblemen“, wie Regierungssprecher Thomas Braune erklärte. Alle Termine für die Woche seien abgesagt.

Nein, kein Zusammenbruch, darauf legt Braune allergrößten Wert. Doch schon jetzt sind die Erinnerungen wieder da, an den April 2006, der für ihn, für seine Partei und auch für viele Brandenburger ein Schock war. Damals musste Platzeck nach nur 147 Tagen vom Vorsitz der Bundes-SPD zurücktreten, erklärte schonungslos seine Kapitulation. „Ich musste in den letzten Tagen die mit Sicherheit schwierigste Entscheidung meines bisherigen Lebens treffen – nämlich die, auf dringenden ärztlichen Rat den Vorsitz der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands niederzulegen“. Er beschrieb damals detailliert, wie er erst einen Hörsturz erlitten, diesen aber entgegen dem Anraten seiner Ärzte zunächst ignoriert hatte, den folgenden Kreislauf- und Nervenzusammenbruch, dann ein zweiter Hörsturz. „Es war eine Fügung. Ich musste die Signale, die mein Körper ausgesendet hat, respektieren.“

Seitdem war es ruhiger geworden, er regierte im Lande weiter, ohne bundespolitische Ambitionen. Er überstand Krisen, den Affären-Rücktritt seines engsten Vertrauten Rainer Speer. Und Spekulationen um seine Robustheit traten in den Hintergrund. Ganz weg, waren sie nie.

Schaute man genauer hin, konnte man sehen, dass Platzeck seinen Regierungsstil verändert, sein Pensum etwas reduziert hatte. Er trat nicht mehr bei jedem Dorffest auf, joggte morgens fast täglich im Babelsberger Park. Sein Land ließ sich trotzdem ganz passabel regieren, und die Werte, die seine Partei dank seiner Popularität holte und holt, die stimmten ja. Bislang. Selbst aus dem jüngsten Flughafen-Desaster seit vorigem Mai kamen in Brandenburg die Sozialdemokraten mit Blessuren davon, sind in der Mark bei allen Landtagswahl-Umfragen immer noch stärkste Partei, anders als Klaus Wowereit und seine Truppe in Berlin. Und jedes Jahr gab es mindestens einen offiziellen Platzeck-Termin in Potsdam, der stets auch ein subtiles, beruhigendes Bulletin an seine Landsleute war, dass der „Landesvater“ gesund sei: Platzeck als Blutspender beim DRK in Potsdam.

Gerade erst, im Januar, da hing er wieder an der Kanüle. Es war ein Jubiläum, das 50. Mal. Umgerechnet zweieinhalb Wassereimer Blut habe er sich schon abnehmen lassen, erzählte er. Drei- bis viermal pro Jahr hänge er an der Nadel, sagte Platzeck: „Es tut nicht weh, sondern gut.“

Aber nun, wo er im Krankenhaus liegt, sind sie wieder da, die bohrenden Fragen. Ob da nicht doch noch mehr ist? Zumal in jüngster Zeit eine Häufung auffiel. Im April hatte er wegen einer Virus–Erkältung eine Israel-Reise absagen müssen. Anfang Mai erschien Platzeck, kurzfristig, nicht zur Aufsichtsratssitzung am Flughafen. Ein Hexenschuss, einer, der mit einem Sportunfall zusammenhing, wie er zwei Tage später erklärte, auf seiner Stirn prangte eine Platzwunde. In den letzten zwei Jahren habe er wegen Krankheit acht Tage gefehlt. Nein, um seine Gesundheit müsse man sich keine Sorgen machen.

Und nun Krankenhaus, wie damals. Hat sich Matthias Platzeck überschätzt, ist er mit der Doppelbelastung als Regierungschef und Aufsichtsratsvorsitzender des Pannenflughafens erneut an seine Grenzen gestoßen? Es sind Fragen, die nur er beantworten kann, auf die man in Potsdam keine Antwort bekommt. Eins ist anders. Vertraute sind erstaunlich gelassen.

Als Platzeck 2006 zurücktrat, war aus seinem engsten Umfeld eine, nie bestätigte Diagnose durchgesickert, die zumindest einiges erklären würde. Er leide, so hieß es, an Bluthochdruck. Eine Volkskrankheit, die für einen, der täglich unter Hochspannung steht, in extremen Belastungszeiten gefährlich sein, zu plötzlichen Notfällen führen kann.

Platzeck hat seine Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 2014 angekündigt. Und auf der Bühne im Volkspark, da lobte Frank-Walter Steinmeier Brandenburgs Sozialdemokraten und ihren Spitzenmann als „Herzkammer der SPD in Ostdeutschland“. Wenn es stimmt, dann ist sie es, immer noch, wegen Matthias Platzeck. Und nun ist er ein Risikopatient.

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