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Politik: „Krippenplätze allein schaffen keine Wahlfreiheit“

Bischof Walter Mixa über seine Kritik an der Bundesregierung, die Rolle der Mütter und des Berufs

Herr Bischof, sind Sie nun für oder gegen den Ausbau der Krippenplätze?

Meine Kritik an der Politik der Bundesregierung richtet sich in erster Linie gegen die einseitige Förderung der frühkindlichen Fremdbetreuung. Dadurch werden finanzielle Mittel gebunden, die den Familien fehlen, die ihre Kinder in den ersten drei Jahren selbst erziehen wollen. Selbstverständlich weiß ich auch, dass in der aktuellen Situation mehr Krippenplätze akute Notlagen lindern können. Mein Bistum stellt derzeit über 1400 Krippenplätze für bis zu Dreijährige zur Verfügung. Das sind übrigens doppelt so viele wie im Amtsbezirk von Bischöfin Käßmann. Dennoch widerspreche ich einer Politik, die aus der Notlösung einen gesellschaftspolitischen Regelfall machen will.

Müssen auch Väter mehr zuhause bleiben und Erziehungsjahre einlegen?

Wir brauchen insgesamt in unserem Land familiengerechte Arbeitsplätze und nicht arbeitsgerechte Familien. Mütter wie Väter müssen sich mehr Zeit für ihre Kinder nehmen, was bei den heutigen Arbeitsbedingungen sicher nicht immer einfach, aber auf jeden Fall lohnend ist.

Woher nehmen Sie Ihre Überzeugung, „dass nur die Frauen eine so persönliche Beziehung zu dem Kind aufbauen können“?

Jeder von uns hat eine Mutter gehabt und weiß daher, dass die Beziehung des Kindes zu seiner Mutter durch nichts vollwertig ersetzt werden kann. Das bedeutet natürlich nicht, dass nicht auch der Vater eine persönliche Beziehung zum Kind aufbaut. Diese ist sogar besonders wichtig, unterscheidet sich aber grundlegend von der Beziehung zur Mutter.

Auf welcher Grundlage basiert Ihre Aussage, wonach 70 Prozent der Frauen in Arbeit gezwungen würden, wenn es mehr Krippenplätze gäbe? Wieso 70 Prozent?

So habe ich das niemals formuliert. Ich habe vielmehr kritisiert, dass die Familienexperten der großen Koalition eine 70 bis 80-prozentige Erwerbstätigkeit von Frauen anstreben. Das macht die erwerbstätige Mutter zum ideologischen Programm. Wir müssen in unserer Gesellschaft die wertvolle Arbeit von Müttern und Hausfrauen viel stärker anerkennen. Sie nehmenheute schon die wichtige Aufgabe wahr, ein menschliches Zuhause mit einer humanen Atmosphäre zu schaffen. Wenn ich sage „Hausfrau“ so bedeutet dies natürlich, dass auch Hausfrauen und selbsterziehende Mütter über eine berufliche oder akademische Ausbildung verfügen sollten.

Für viele Akademikerinnen ist der Beruf sehr wichtig, weil sie sich hier entfalten können, Selbstbestätigung bekommen. Haben Sie Verständnis dafür?

Selbstverständlich! In meiner jahrzehntelangen pastoralen Praxis als Stadtpfarrer bin ich aber auch immer wieder Akademikerinnen begegnet, die sich in den ersten Lebensjahren ihrer Kinder mit Begeisterung der Kindererziehung widmeten, um etwas später nach und nach wieder in den Beruf einzusteigen. Sie haben das nie bereut, sondern die Jahre mit ihren Kindern als echte Bereicherung empfunden.

In vielen Familien arbeiten Väter und Mütter, auch weil die Familien von einem Gehalt gar nicht leben könnten...

Dies ist der Kernpunkt meiner Kritik. Wir sollten Familien, die auf zwei Gehälter angewiesen sind, durch ein großzügig bemessenes Erziehungsgeld in die Lage versetzen, sich unter Verzicht auf die zeitweise Erwerbstätigkeit eines Partners der Erziehung ihrer Kinder widmen zu können. Diese Wahlfreiheit schafft die einseitige Ausweitung der Krippenplätze nicht.

Tauschen Sie sich mit Vätern und Müttern aus? Welche Wünsche und Hoffnungen werden an Sie herangetragen?

Ich habe für meine Position in den letzten Wochen rund 3000 e-mails von Müttern und Eltern, darunter auch viele Akademiker, erhalten. Über 80 Prozent der Zuschriften haben mich ermutigt, meine Position offensiv darzustellen und den Eltern, die sich heute noch schwer tun, sich in den ersten Lebensjahren allein der Erziehung ihrer Kinder zu widmen, eine Stimme zu geben. Natürlich bin ich bei zahllosen Besuchen in den Pfarreien meines Bistums, das 1,5 Millionen Katholiken zählt, ständig auch im intensiven Gespräch mit jungen Familien.

Die Fragen stellte Claudia Keller

Das gesamte Interview im Internet: www.tagesspiegel.de

Walter Mixa , 1941 im oberschlesischen Königshütte geboren, wurde am 16. Juli 2005 von Papst Benedikt XVI. zum Bischof von Augsburg ernannt. Schon seit 2000 ist er Militärbischof.

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