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Im Zentrum der Kritik. SPD-Chef Sigmar Gabriel will seine Partei stärker in der politischen Mitte verorten – und provoziert damit Widerstand.

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Kursstreit bei den Sozialdemokraten: SPD-Linke wagt die Machtprobe mit Sigmar Gabriel

Der SPD-Chef will die Partei in die Mitte rücken. Der Parteiflügel um Ralf Stegner hält mit einem Stragegiepapier dagegen. Die Debatte ist eröffnet.

Von Hans Monath

Die SPD steht vor harten programmatischen Auseinandersetzungen. Die Parteilinke legt nun eigene Vorschläge zur Ausrichtung der Partei vor – und stellt sich damit geschlossen gegen Bemühungen des Vorsitzenden Sigmar Gabriel, die Sozialdemokratie stärker in der politischen Mitte zu verorten.

"Versuche, die Programmatik der SPD in Richtung Union zu verschieben und damit eine vermeintliche Mitte anzusprechen" seien "der falsche Weg", heißt es in einem Thesenpapier, das dem Tagesspiegel vorliegt. Autoren sind Parteivize Ralf Stegner, der Sprecher der Parlamentarischen Linken (PL), Matthias Miersch, und Juso-Chefin Johanna Uekermann. Ihre Thesen sind die Antwort auf ein von Gabriel initiiertes Debattenpapier, mit dem er im Sommer empfahl, die "arbeitende Mitte" ins Zentrum der Strategie vor der Bundestagswahl 2017 zu stellen. Aus Sicht der Parteilinken nimmt er darin Abschied von klassischen Verteilungsfragen und relativierte den SPD-Markenkern soziale Gerechtigkeit. Beide Ansätze hatten den Bundestagswahlkampf der SPD vor zwei Jahren maßgeblich geprägt.

2013 habe die SPD "ein exzellentes Wahlprogramm" gehabt, sagte Stegner nun dem Tagesspiegel. Mit dem Erfüllen zentraler Wahlversprechen habe sie seither Glaubwürdigkeit wieder gewonnen. Gerechtigkeit müsse "Maßstab und Kompass unserer Politik bleiben", forderte der Parteivize. Nur so ließen sich "Millionen Wählerstimmen zurückgewinnen", die die SPD nach den rot-grünen Sozialreformen im letzten Jahrzehnt verloren habe. Auch PL-Chef Miersch sagte, es reiche nicht, Wahlversprechen umzusetzen: "Wir müssen auch über die Alltagspolitik hinaus ein klares soziales Profil zeigen, statt uns an die Union anzunähern."

Das Ursprungspapier von Gabriel ("Starke Ideen für Deutschland 2025") hatte empfohlen, die Alltagssorgen der Bürger in den Blick zu nehmen. Dies nimmt die Parteilinke auf, zieht aber andere Schlussfolgerungen. Wichtig sei, dass "wir echte und ehrliche Antworten auf die Probleme finden und nicht nur Symptome kaschieren", erklärt sie.

"Einkommen, Vermögen und Erbschaften stärker heranziehen"

Konkret verlangen die Autoren des Papiers "Morgen Gut Leben" eine gerechte Vermögensverteilung, mehr öffentliche Investitionen und ein Festhalten am Konzept der Bürgerversicherung. Zum Versuch Gabriels, für die SPD Wirtschaftskompetenz zurück zu erobern, schreiben sie: "Wirtschafts- und Verteilungskompetenz gehören untrennbar zusammen." Die SPD müsse durch staatliche Mehreinnahmen den Handlungsspielraum so erhöhen, dass neue Investitionen möglich würden: "Dafür sollen besonders hohe Einkommen, Vermögen und Erbschaften stärker herangezogen und Kapitalerträge endlich progressiv besteuert werden." Gabriel hatte empfohlen, auf die Finanzierungsfragen "nicht vorschnell mit dem Ruf nach höheren Schulden oder höheren Steuern" zu antworten.

Der Parteichef hatte in seinem Papier zudem das konservative Thema Sicherheit für die SPD reklamiert ("Die SPD steht für Sicherheit und Schutz vor Kriminalität, Gewalt und Terror"). Die Parteilinke weist dies nicht rundweg zurück, verlangt aber vor allem die Berücksichtigung sozialer und materieller Absicherung. "Gesellschaftliche Zukunftsängste sind eng mit Fragen nach sozialer Absicherung verknüpft", heißt es. Die Einführung der Bürgerversicherung solle allen "unabhängig von ihrer Lebenslage oder ihrem Erwerbsstatus eine gute Kranken- und Pflegeversicherung" sichern.

Von einem "patriotischen Selbstverständnis", wie es Gabriels Papier empfohlen hatte, ist bei der Linken keine Rede. Auch nicht von der von ihm gewünschten Dialogoffensive der SPD mit Menschen, die sich ausgegrenzt fühlen und für Fremdenangst anfällig sind. Stattdessen heißt es: "Humanitäre Flüchtlingspolitik und das Eintreten für eine offene Gesellschaft sind für uns eine Haltungsfrage."

Die SPD solle "progressive Kraft" bleiben, verlangt das Papier. Alltagsprobleme seien zwar wichtig, sagte Juso-Chefin Uekermann dazu: "Wir müssen aber auch den Mut haben, Ideen und Visionen für die Zukunft zu entwickeln."

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