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Der Bundesvorsitzende der FDP, Christian Lindner, beim Dreikönigstreffen.

© dpa

Lindner, Tauber und der Auftritt ohne Pult: Freier Blick auf den Maßanzug

Obwohl Lindners Auftritt ohne Pult bestimmt nichts mit Eitelkeit zu tun hatte, fiel Tauber vor allem der angeblich "überteuerte Maßanzug" auf. Eine Glosse.

Eine Glosse von Lars von Törne

Das zentrale Element eines anständigen Parteitags ist natürlich das Rednerpult. Es verhindert, dass der Vortragende umfällt, bietet dessen Händen und Notizen Halt, nimmt das Wasserglas auf und bedeckt diskret Problemzonen und ungünstige Bekleidung. Außerdem lässt sich daran, im besten Kamerabereich, das Motto der Veranstaltung befestigen: „Morgen statt gestern. Alles Gute“ – oder was eben so anliegt.

Doch das Pult selbst ist von gestern. Modebewusste Top-Manager wie Steve Jobs oder Dieter Zetsche haben es so rigoros abgeschafft wie die Krawatte, das wirkt locker und sieht ein bisschen nach Stand-up-Comedy und Superverkäufer aus. Zumal, wenn ein teurer Coach noch eine Choreografie für die Hände entwickelt hat, die mangels Aufsetzfläche gern in den Hosentaschen verschwinden oder sinnlos in der Luft herumflattern.

Diese Disruption des Rednerrituals hat in der vergangenen Woche auch die deutsche Politik erreicht. Und zwar in Gestalt der FDP-Spitze, die ihre Attacken ohne Pult ungeschützt in den Saal schleuderte – allen voran Christian Lindner, der zwar noch Krawatte trug, aber sonst in allen Details die sportive Dynamik eines Silicon-Valley-Milliardärs nachahmte. Man hätte ihm blind jedes erdenkliche Elektrogerät abgekauft.

Polemischer Doppelschlag

Klar, dass die anderen Parteien alarmiert sind. Merkel, Gabriel, Gauland ohne Pult? Niemals. Der Grüne Hofreiter würde sich mit seinen langen Haaren schon im Mikrofonkabel verheddern. Also nahm sich CDU-Generalsekretär Tauber am Sonntag vorsichtshalber den FDP-Chef vor und setzte einen AfD-Vergleich an wie ein Judokämpfer einen Ashi-Uchi-Mata: Lindner sei von AfD-Gauland nur noch dadurch zu unterscheiden, dass er statt des abgewetzten Tweed-Sakkos einen „überteuerten Maßanzug“ trage.

Das ist ein hübscher polemischer Doppelschlag. Maßanzug – das steht für bittere soziale Kälte. Und „überteuert“ bedeutet: Hier gibt einer bedenkenlos das Geld anderer Leute aus, jene Kohle, die die fiesen neoliberalen Lobbyisten in die FDP-Zentrale reinschaufeln.

Woher er das alles weiß? Egal. Im nächsten Jahr verschanzt sich Lindner garantiert wieder hinter einem Pult. Damit keiner mehr seinen Anzug erkennt.

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