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Manuela Schwesig scheut keine Konflikte. Auch den Koalitionspartner geht sie zuweilen hart an.

© Paul Zinken/dpa

Konflikte in der großen Koalition: Manuela Schwesig - Frontfrau der SPD

Familienministerin Manuela Schwesig drängt mit Macht nach vorne. Das gilt für ihre SPD ebenso wie für die große Koalition. Im Kampf mit der Union soll die 40-Jährige das Profil der Sozialdemokraten schärfen.

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Jetzt spricht sie schon vor den Vereinten Nationen. Am Montag tritt Manuela Schwesig im UN-Hauptquartier in New York ans Pult. 6000 Delegierte aus aller Welt hören zu, wie die deutsche Familienministerin sich für Frauenrechte ins Zeug legt. Für sie ist es ein großer Auftritt, und es soll nicht der letzte gewesen sein. Mit Macht drängt die 40-jährige Sozialdemokratin nach vorne. In ihrer Partei und in der großen Koalition.

Noch aus New York schickt Schwesig eine Botschaft zurück über den Atlantik. Es ist eine Kampfansage an ihren Kabinettskollegen Wolfgang Schäuble (CDU). Der Finanzminister will zwar das Kindergeld erhöhen, aber Alleinerziehende und Eltern mit geringem Einkommen ausdrücklich nicht besser stellen. „Mit dem Vorschlag bin ich nicht einverstanden“, verkündet die Familienministerin. Ein Referentenentwurf aus Schäubles Ressort sei „nicht mit mir abgestimmt“, doziert sie: „Es kann nicht sein, dass die Alleinerziehenden leer ausgehen, obwohl Herr Schäuble Steuermehreinnahmen hat.“

Schwesig gegen Schäuble: Mit voller Absicht kanzelt die jüngste Ministerin im Kabinett Merkel den Doyen der Regierungsmannschaft ab – und das in aller Öffentlichkeit. Kann das gut gehen?

Die Partei steht zu ihr

Auf eines kann die Politikerin aus Ostdeutschland zählen: Sie muss die Auseinandersetzung mit dem politischen Schwergewicht der Union nicht alleine führen. Denn ihre Partei, die SPD, steht zu ihr. Schwesig soll als Frontfrau den Kampf mit der Union aufnehmen.

Die Sozialdemokraten, die seit Monaten verdrossen auf ihre mageren Umfragewerte starren, glauben endlich ein Gewinnerthema entdeckt zu haben: die Frauen- und Familienpolitik. Konkret geht es neben den Leistungen für Alleinerziehende und Eltern mit geringem Einkommen um die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen („Entgeltgleichheitsgesetz“). „Das ist ein Profilierungsthema für die SPD, bei dem wir die Mehrheit der Bevölkerung im Zweifel hinter uns haben“, schwärmt SPD-Vize Ralf Stegner.

Kalkulierter Konflikt

Für den kalkulierten Konflikt mit dem Koalitionspartner scheint Schwesig wie geschaffen. Auf manche Unionspolitiker wirkt die Politikerin aus Mecklenburg-Vorpommern mittlerweile wie ein rotes Tuch – so hartnäckig vertritt sie ihre Themen. Bereits wenige Wochen nach Amtsantritt präsentierte sie Anfang 2014 die Idee einer reduzierten Arbeitszeit für Eltern kleiner Kinder, bei der der Staat Einnahmeausfälle zumindest teilweise ersetzt („Elternarbeitszeit“).

Zwar machte Regierungssprecher Steffen Seibert deutlich, dass dafür kein Geld in der Kasse ist. Ihr Ziel verfolgt Schwesig unverdrossen weiter. Ein wichtiges Projekt konnte die SPD-Politikerin vergangene Woche abschließen: Als der Bundestag die Frauenquote beschloss, sprach sie von einem „historischen Schritt“.

Wie ein Sprechautomat

In der Bundes-SPD wurde Schwesig lange nicht als politisches Schwergewicht wahrgenommen - dafür fehlten der Politikerin aus Mecklenburg-Vorpommern Hausmacht und Erfahrung. Zudem beklagen manche Parteifreunde bis heute, dass die Diplom-Finanzwirtin auch bei Debatten im kleinen Kreis ermüdungsfrei wie ein Sprechautomat die immergleichen Thesen vortrage.

Es war Sigmar Gabriel, der den Themen der Familienministerin ein neues Gewicht gab. Im Dezember verkündete der Parteichef, dass sich die SPD künftig um die Probleme der „gehetzten Generation“ kümmern wolle - jener 30 bis 50-Jährigen, die ihren anstrengenden Job und ihre Familie unter einen Hut bringen müssen. Bei diesen Menschen schneidet die SPD noch schlechter ab als bei anderen Wählergruppen. Wer danach mit Schwesig sprach, konnte spüren, dass sie sich machtpolitisch aufgewertet fühlte.

Ihren Aufstieg im Ansehen der Genossen verdankt Schwesig aber auch Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU). Im Streit um die Frauenquote hielt er ihr Ende vergangenen Jahres Weinerlichkeit vor. Ein älterer Konservativer, der eine junge Politikerin auf Modernisierungskurs nach Machomanier abwertet – das Publikum fand das nicht in Ordnung, die Beliebtheitswerte der Ministerin machten einen großen Sprung.

Die SPD wirkt gestrig

Nach diesem Erfolgsrezept soll Schwesig in der Koalition nun weiterkämpfen. Kauders Widerstand gegen das im Koalitionsvertrag verankerte „Entgeltgleichheitsgesetz“ kam der SPD da gerade recht. „Eine solche Altherrenpolitik muss auch die Frauen in der Union empören“, polterte Generalsekretärin Yasmin Fahimi. Es sei ein Skandal, dass Frauen in Deutschland im Schnitt 22 Prozent weniger verdienten als Männer.

Je stärker sich Unionspolitiker gegen die Vorschläge von Schwesig stemmen, umso mehr Profil erhofft sich die SPD. Im Grunde soll die alte Schlachtordnung wiederhergestellt werden, wonach die SPD für gesellschaftliche Modernität steht und die Union für Stillstand und Rückschritt. Derzeit ist es für viele Wähler genau umgekehrt, wirkt die CDU unter Chefin Angela Merkel auf sie modern, die SPD dagegen unfroh und gestrig.

Dem Entgeltgleichheitsgesetz, das Transparenz im Lohngefüge von Unternehmen schaffen soll, kommt dabei große Bedeutung zu. „Das Thema ist kein linkes Randthema, sondern zielt in die Mitte der Gesellschaft“, sagt SPD-Wahlkämpfer Frank Stauss. „Es bewegt viele Menschen über Parteigrenzen hinweg.“ Das weiß auch Schwesig. Themen, mit denen die SPD in ähnlicher Weise punkten könnte, sind bisher nicht in Sicht.

Stolz verkündete ihr Ministerium am Dienstag, Schwesig habe in New York auch Ban Ki-Moon und Hillary Clinton getroffen. Schäuble und Kauder können warten.

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