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SPD-Bundesvorsitzender Martin Schulz und die SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende Andrea Nahles.

© Silas Stein/dpa

Nach dem Aus für Jamaika: Neuwahlen wären eine Unverschämtheit

Jetzt wie die SPD über Neuwahlen zu sprechen, sie sogar herbeizureden, zeugt nur von Dekadenz und der Unfähigkeit zum Kompromiss. Ein Kommentar. 

Ein Kommentar von Lorenz Maroldt

So richtig es war von der SPD, direkt nach der Wahl in die Opposition zu gehen, so falsch ist es jetzt, daran festzuhalten um jeden Preis, und sei es der von Neuwahlen. Vor dem Beginn der Jamaika-Verhandlungen zeigte die SPD Verantwortung: Die parlamentarische Demokratie lebt auch von einer starken, konstruktiven Opposition; die anzuführen, ist keine Schande, grundsätzlich nicht, und mit einem miesen Wahlergebnis im Rücken und einer radikalen Konkurrenz vor Augen erst recht.

Aber die Situation hat sich dramatisch geändert, und das Wort des Bundespräsidenten, selbst Sozialdemokrat, macht das deutlich. „Wer sich um politische Verantwortung bewirbt, darf sich nicht drücken, wenn er sie in den Händen hält.“ Und die SPD? Könnte sie plötzlich wieder in den Händen halten, aber sie ist ihr zu heiß. Sie lässt sie fallen und nimmt Neuwahlen nicht nur in Kauf, sondern redet sie geradezu herbei.

Es droht ein peinlicher Wettbewerb

Angesichts einer keineswegs dramatischen Ausgangslage nach der Wahl, die jetzt allerdings – von (Partei-)Egoismen getrieben – künstlich dramatisiert wird, wären Neuwahlen ein Zeichen politischer Dekadenz und den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber eine Unverschämtheit. Denn damit würde die Verantwortung für die scheinbar unauflösbare Situation von kompromissunfähigen Politikern auf die Wählerinnen und Wählern abgeschoben, die sich gerade erst entschieden hatten.

Ihnen wird mitgeteilt: Macht’s gefälligst beim nächsten Mal besser. Aber was? Ein paar Prozentpünktchen mehr für die SPD, damit die aus Ihrer Schmoll-Ecke kommt? Und wenn es dann immer noch nicht reicht: gleich nochmal? Ein solchen Wahlkampf möchte niemand erleben, dem es ernst ist mit der Politik und der Gesellschaft. Die letzten inhaltlichen Reste gehen dann wohl unter in einem peinlichen Wettbewerb, wer wem am erfolgreichsten Regierungsunfähigkeit und Verantwortungslosigkeit attestiert.

"Merkel muss weg" - das ist nur Selbstzweck

Vor diesem Hintergrund ist die Drohung mit Neuwahlen nicht nur unanständig und gefährlich für die politische Kultur, sondern diskreditiert auch das einzige Regierungsszenario, das bei der SPD diskutiert wird: Nur wenn Merkel abtritt, lautet es, könnte es sein, dass sich die SPD doch noch zu Gesprächen mit der Union bequemt. Dann wäre, so heißt es, das Wahlziel „Merkel muss weg“ ja doch noch erreicht.

Aber „Merkel muss weg“ ist für die SPD nur ein Selbstzweck, weil sie an der wendigen Kanzlerin verzweifelte. Wenn Merkel weg ist, ist damit noch kein einziges inhaltliches Problem gelöst, das der SPD im Wahlkampf wichtig zu sein schien. Tatsächlich stand Merkel fast keinem davon ernsthaft im Weg. Auch an einem anderen Kanzler der Union müsste sich die SPD als Koalitionspartei, wenn sie es denn wenigstens mit sich selbst ernst meinte, bis zur Lähmung der Regierung reiben. Denn auch ohne Merkel hat sie ja nur 20,5 Prozent - und entsprechend wenig Ansehen und Gewicht.

Die politische Verantwortung, die der Präsident anmahnt, geht über die bisher üblichen Ansprüche hinaus. Sie setzt konstruktives Denken und Handeln voraus. Das aber ist ganz offenbar nicht allen gegeben.

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