zum Hauptinhalt
Peer Steinbrück und Katrin Göring-Eckardt vor einem Werbeplakat.

© dpa

Update

Nach einem Sieg bei der Bundestagswahl: Rot-Grün will Mindestlohn zum 1. Februar 2014 einführen

73 Tage vor der Bundestagswahl führen Peer Steinbrück und Katrin Göring-Eckardt rot-grüne Einigkeit vor. Ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn soll nach einem Wahlsieg schnell kommen.

Über dieses unerwartete Kompliment muss Peer Steinbrück dann doch lachen. „Mir ist der Klartext-Steinbrück von heute sehr lieb“, sagt Katrin Göring-Eckardt über den SPD-Kanzlerkandidaten, der neben ihr auf dem Podium sitzt. Die Spitzenkandidatin der Grünen ist an diesem Donnerstag zusammen mit Steinbrück in die Bundespressekonferenz gekommen, um die Pläne für einen gesetzlichen Mindestlohn vorzustellen.

Schon zum 1. Februar 2014 könne Rot-Grün einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro einführen, kündigen die beiden Wunsch-Koalitionspartner an. Es gebe bereits einen Gesetzentwurf, der mit den SPD-geführten Bundesländern abgestimmt sei und in den ersten hundert Tagen nach der Wahl auf den Weg gebracht werden könne.

Doch Steinbrück und Göring-Eckardt sind nicht nur gekommen, um die Vorzüge eines flächendeckenden Mindestlohns zu erläutern. Die zweite Botschaft, die von dieser Pressekonferenz ausgehen soll, ist: SPD und Grüne wollen gemeinsam am 22. September die Regierung Merkel ablösen. Und trotz der schlechten Umfragewerte für die SPD haben sie die Hoffnung nicht aufgegeben, dass es zum Regierungswechsel kommen könnte. „Wir können wahrscheinlich beide noch zulegen“, gibt Göring-Eckardt zu. Aber sie sehe eine „gute Chance für den Politikwechsel“. Steinbrück tröstet sich mit dem Verweis auf mehrere Bundestagswahlen in der Vergangenheit, bei denen die Umfragen drei Monate vor der Bundestagswahl nichts mit dem tatsächlichen Ergebnis zu tun gehabt hätten.

Vor Kurzem wollten die Grünen noch einen eigenständigen Wahlkampf

Im Dezember 2012 gab es schon einmal einen gemeinsamen Auftritt, damals stand Rot-Grün allerdings noch etwas besser in den Umfragen da. Steinbrück war gerade von der SPD offiziell zum Kanzlerkandidaten nominiert worden, gemeinsam mit Jürgen Trittin, Fraktionschef der Grünen und ebenfalls Spitzenkandidat, stellte er ein Papier zur Bankenunion in Europa vor. Weitere gemeinsame Auftritte seien möglich, sagt Steinbrück nun. Göring-Eckardt betont aber auch, dass die Grünen einen „eigenständigen Wahlkampf“ führen.

Doch bei den Mindestlohn-Plänen fällt es der Grünen-Politikerin nicht schwer, Gemeinsamkeit mit der SPD zu demonstrieren. 6,8 Millionen Menschen in Deutschland würden weniger als 8,50 Euro pro Stunde verdienen, jeder vierte Arbeitnehmer sei im Niedriglohnsektor beschäftigt, davon 60 Prozent Frauen, rechnet Göring-Eckardt vor. Deutschland sei das letzte alte EU–Land, das noch keinen gesetzlichen Mindestlohn habe. Sogar in den USA sei in den 30er Jahren unter dem damaligen Präsidenten Roosevelt ein Mindestlohn eingeführt worden, ergänzt Steinbrück.

Ein Mindestlohn sei „sozial gerecht und ökonomisch vernünftig“, fährt der SPD-Kanzlerkandidat fort. Berechnungen ließen einen Kaufkraftzuwachs von 19 Milliarden Euro erwarten. „Das ist ein eigenständiges Konjunkturprogramm“, sagt er. Auch immer mehr Unternehmer seien für einen Mindestlohn. „Geschäftsmodelle, die auf Dumpinglöhne aufbauen, funktionieren nicht.“ In anderen Ländern seien bei der Einführung von Mindestlöhnen auch keine Arbeitsplätze verloren gegangen.

Steinbrück wirft Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, mit ihrem Versprechen einer Lohnuntergrenze nicht ernsthaft etwas für Niedriglöhner tun zu wollen. Es werde „Hunderte“ Untergrenzen geben, aber keinen flächendeckenden Mindestlohn, kritisiert der SPD- Mann. Die „Bedienung in einem Kieler Restaurant“, die bei einem Mindestlohn von 8,50 Euro 162 Euro mehr im Monat verdienen würde, ginge laut Steinbrück bei der Union leer aus. „Die hat einfach nur Pech gehabt.“

Die Vergangenheit spielt keine Rolle mehr

Warum SPD und Grüne nicht in ihren Regierungsjahren von 1998 bis 2005 einen gesetzlichen Mindestlohn eingeführt hätten, will ein Journalist wissen. „Gerhard Schröder hätte durchaus einen Mindestlohn mit der Agenda 2010 verbinden können“, versichert Steinbrück. Aber die Gewerkschaften seien damals sehr distanziert gewesen. Der DGB rang sich erst später zur Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn durch, weil sich die IG Metall zunächst vor einem Eingriff in die Tarifautonomie fürchtete.

Von Dissonanzen zwischen SPD und Grünen aus gemeinsamem Regierungsjahren will Steinbrück heute jedenfalls nichts mehr wissen. Als NRW-Ministerpräsident in den Jahren 2002 bis 2005 hatte er den Grünen das Leben schwer gemacht – und umgekehrt. Das sei zehn Jahre her, winkt Steinbrück ab. Damals habe es auch gespaltene Abstimmungen in einem Ausschuss gegeben. „Da musste man sich zusammenraufen.“

Auch die Zeiten von „Koch und Kellner“, wie Gerhard Schröder das Verhältnis der beiden Partner einmal beschrieben hat, seien vorbei. Zwischen SPD und Grünen werde es einen fairen Umgang auf Augenhöhe geben, verspricht Steinbrück. „Wir werden uns an mitteleuropäischen Höflichkeitsregeln orientieren.“

Zur Startseite