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Adler auf Rädern: Der „Eagle IV“ eines amerikanisch-schweizerischen Herstellers wird schon von der Bundeswehr genutzt. Auch der Nachfolger des „geschützten Führungs- und Funktionsfahrzeugs“ soll angeschafft werden.

© picture alliance / dpa

Exklusiv

Neuer Ärger für de Maizière: Ärger für de Maizière: FDP-Sprecherin Hoff schließt personelle Konsequenzen nicht aus

FDP-Sprecherin Elke Hoff schließt nach dem Debakel um das Drohnen-Projekt „Euro-Hawk“ personelle Konsequenzen nicht aus. Sie kritisiert Thomas de Maizière scharf. Doch das ist derzeit nicht das einzige Problem des Verteidigungsministers.

Von Antje Sirleschtov

Kurz vor seiner mit Spannung erwarteten Erklärung zum Stopp des Drohnen-Projektes „Euro-Hawk“ an diesem Mittwoch muss sich Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU)  vom Koalitionspartner FDP schwere Vorwürfe machen lassen.

Die verteidigungspolitische Sprecherin der Liberalen, Elke Hoff, wirft dem Minister vor, er habe versäumt, das Parlament in seine Entscheidung zum Stopp des Drohnen-Projektes einzubeziehen. Dem „Tagesspiegel" (Sonntagausgabe) sagte Hoff, „es wäre klug gewesen, eine solch bedeutsame Entscheidung vorher mit allen zu besprechen, die es angeht“.

Sie selbst, kritisierte Hoff, habe von der Entscheidung zur Einstellung des Projektes „zum gleichen Zeitpunkt wie die Presse“ erfahren. Dass es bei einem so genannten Demonstrator, der noch kein Serienmodell ist, immer wieder zu Schwierigkeiten kommen kann, sei „nicht unüblich“, sagte Hoff. Dass es 2011 Probleme bei der Überführung von den USA nach Manching gegeben habe, sei aber vom Verteidigungsministerium „ausdrücklich verneint worden“.

An den Minister richtete Hoff den Vorwurf: „Es wurde nie der Eindruck vermittelt, das Projekt stehe unmittelbar vor dem Scheitern“. Bevor er die Entscheidung zur Einstellung des Projektes trifft, hätte er „auf jeden Fall“ die zuständigen Parlamentarier mit einbeziehen müssen, sagte Hoff. „Das Parlament entscheidet schließlich auch über die Beschaffung und Finanzierung!“ Am Mittwoch müssten nun „wirklich alle Fakten auf dem Tisch liegen“. Personelle Konsequenzen im Verteidigungsministerium schloss sie ausdrücklich nicht aus.

Neben der Aufklärungsdrohne „Euro Hawk“ muss sich Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) jetzt mit einem weiteren gescheiterten Beschaffungsvorgang herumschlagen. Es geht um den Kauf von gepanzerten Transportfahrzeugen für Soldaten, die sowohl in Deutschland als auch in Afghanistan benötigt werden. Die Fahrzeuge tragen den Namen „Eagle V“, und nach jahrelanger Vorbereitung sollen eigentlich in fünf Monaten die ersten Modelle ausgeliefert werden.

Doch plötzlich ist das Millionenprojekt ins Stocken geraten. An eine kurzfristige Lieferung ist nicht mehr zu denken, wahrscheinlich wird die Beschaffung auch deutlich teuer als einst geplant, und es taucht, zumindest bei der Opposition, aber auch in Koalitionskreisen, nun die Frage auf: Hat Thomas de Maizière in seinem Ministerium noch die Übersicht?

Schauplatz des Vorgangs ist der Haushaltsausschuss des Bundestags, und zwar bei seiner letzten Sitzung am 15. Mai. Als nach langem Hin und Her an diesem Tag der Vorgang „Eagle V“ aufgerufen wird, scheint für die Haushälter alles in Ordnung zu sein. Das Finanzministerium hatte am 5. März einen Antrag gesandt, aus dem hervorgeht, dass das Verteidigungsministerium 176 Stück der Fahrzeuge benötigt und auch, dass die Ausschreibung zu einem klaren Ergebnis geführt habe. Einen „weit niedrigeren“ Angebotspreis habe das amerikanisch-schweizerische Rüstungsunternehmen General Dynamics abgegeben, wird festgestellt. „Weit niedriger“ als beim deutschen Konkurrenzkonsortium aus Rheinmetall und Krauss-Maffei. Ein Vertragsentwurf und Lieferdaten liegen den Abgeordneten vor. Und auch die Fachpolitiker, also die Mitglieder im Verteidigungsausschuss, hatten in zuvor ihre Zustimmung erteilt. „Eagle V“ sollte eigentlich nichts mehr im Wege stehen. Die Haushälter hätten lediglich dem Kauf im Wert von 19,41 Millionen Euro zustimmen müssen.

Der Beginn des Eagle-Story reicht bis 2008 zurück

Doch plötzlich taucht ein Antrag von Union und FDP auf, in dem – sehr knapp gehalten – mitgeteilt wird, der Haushaltsausschuss wolle beschließen, die Vorlage des Finanzministeriums 17(8)5924) „zur Kenntnis“ zu nehmen und ansonsten erst einmal 100 und nicht 176 der Fahrzeuge zu kaufen. Den Rest könne man „später“ erwerben. Begründung für den bemerkenswerten Vorgang: keine. FDP und Union lassen abstimmen, der Antrag der Koalition wird bestätigt.

Nun könnte man meinen, die Haushälter der Koalition seien sparsame Parlamentarier. Der Beginn des Eagle-Story reicht nämlich bis 2008 zurück, als man noch mitten im Afghanistankrieg feststeckte. Mittlerweile ist der Abzug aber festgelegt. Wozu braucht man noch all die Panzerwagen – zumal man sie ohnehin am Ende des Afghanistaneinsatzes nicht wieder nach Deutschland zurücktransportieren wird? Diese Frage mag sich der eine oder andere Haushälter der Koalition gestellt haben. Für den FDP-Abgeordneten Jürgen Koppelin jedenfalls sieht die Sache „ganz klar“ so aus. Deshalb wurden erst mal 100 „Eagle V“ bestellt. Würden später mehr benötigt, könne man ja nachordern, meint Koppelin, der im September den Bundestag verlässt.

An diesem Grund für die ungewöhnliche Wende im Fall „Eagle V“ haben andere jedoch Zweifel. Im Ministerium von Thomas de Maizière beteuert man, die Truppe in Afghanistan und anderswo benötige selbstverständlich die volle Stückzahl der Fahrzeuge. Auch sei es keineswegs egal, wer sie herstellt. Der Vorgänger von „Eagle V“, der „Eagle IV“, hergestellt von General Dynamics, ist nämlich bereits im Einsatz. Man hat Ersatzteile, die Soldaten kennen das Fahrzeug. Sie wissen, wo sie zu schrauben haben, wenn was kaputt ist. General Dynamics stellt das Fahrzeug teilweise in Deutschland her.

Der einzige Schönheitsfehler am „Eagle V“ ist: Das Geld aus dem Auftrag zur Herstellung des „Eagle V“ fließt nicht in die Kassen deutscher, sondern ausländischer Rüstungshersteller. Man muss es an dieser Stelle klar sagen: Es gibt viele – aufseiten der Opposition und der Koalition –, die so denken und es hinter vorgehaltener Hand auch sagen. Aber niemanden im Bundestag und auch nicht im Verteidigungsministerium, der es offen aussprechen will: Hier sind deutsche Rüstungsinteressen im Spiel. Die Koalition wollte den Auftrag nicht an General Dynamics vergeben, lautet der Verdacht. Deshalb wurde der Auftrag gesplittet. Wenigstens diese Chance sollten Rheinmetall und Krauss-Maffei bekommen: Wenn der zweite Teil irgendwann aktiviert wird, dann könnte er so gestaltet werden, dass die Deutschen zum Zuge kommen. Teurer wird’s wohl auf jeden Fall. Schließlich müssen die Amerikaner ihre Bestellung nun auf der Grundlage der Hälfte der einst geplanten Lieferung neu kalkulieren. Offen ist auch die Frage, ob sie nun die ersten Fahrzeuge schon im November liefern können.

Und Thomas de Maizière? Der Verteidigungsminister stand an jenem Mittwoch vielleicht wegen des „Euro Hawk“ derart unter Druck, dass er nicht in der Lage war, die Bestellung für die 176 von seinen Soldaten benötigten Fahrzeuge gegenüber den Haushältern auch zu verteidigen. „Der Minister“, resümiert nun der SPD-Chefhaushälter Carsten Schneider, „hat die Kontrolle über ein weiteres Beschaffungsvorhaben verloren“. Dies sei bei einem „elementaren Projekt“ wie diesem, das dem Schutz der Soldaten diene, „besonders bedenklich“.

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