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Der Papst im Gespräch mit Migranten auf Lampedusa

© AFP

Besuch auf Lampedusa: Papst beklagt „globalisierte Gleichgültigkeit“

Ausgerechnet die Flüchtlingsinsel Lampedusa hat sich Papst Franziskus für seinen ersten Besuch außerhalb des Vatikans ausgewählt. Flüchtlingsorganisationen werten das als wichtiges Zeichen.

Der Papst, der so gerne lacht, der die Gläubigen zu Beginn seiner Messen mit einem „Buongiorno“ begrüßt und ihnen zum Abschied einen „guten Appetit“ wünscht, kann auch anders. „Wer ist verantwortlich für das Blut dieser Brüder und Schwestern? Niemand! Alle sagen: Ich habe damit nichts zu tun“, donnerte Franziskus in seiner Messe auf dem Sportplatz der Insel Lampedusa. Die „Kultur des Wohlergehens“ habe die Menschen taub gemacht für die Schreie der anderen. „Wir haben uns an das Leid der anderen gewöhnt, es geht uns nichts an, es interessiert uns nicht“, rief der Papst. Die globalisierte Welt sei in eine „globalisierte Gleichgültigkeit“ verfallen.

Der Papst war am Morgen auf Lampedusa angekommen. Vor der Messe ließ er sich mit dem Schnellschiff „CP 282“ der Küstenwache aufs Meer hinausfahren, um für die ertrunkenen Flüchtlinge einen Blumenkranz in die Wellen zu werfen und für sie zu beten. Mit der „CP 282“ sind seit dem Jahr 2005 schon rund 30 000 schiffbrüchige Flüchtlinge aus dem Meer gefischt worden. Andere hatten weniger Glück: Laut Schätzungen sind in den vergangenen 25 Jahren etwa 20 000 Migranten im Mittelmeer umgekommen. In seiner Messe fragte der Papst: „Wer hat über das alles geweint? Über den Tod unserer Brüder und Schwestern? Über die jungen Mütter, die ihre Kinder trugen? Über die Männer, die etwas zum Unterhalt ihrer Familien suchten? Wir leben in einer Gesellschaft, welche die Erfahrung des Weinens vergessen hat!“

Dass Franziskus für seine erste Papstreise außerhalb Roms Lampedusa gewählt hat, wird auch von Flüchtlingsorganisationen als wichtiges Zeichen gewertet. Laurent Jolles vom UN-Flüchtlingswerks UNHCR erklärte, die Reise des Papstes habe „einen großen menschlichen und symbolischen Wert“ und werde dazu beitragen, die öffentliche Meinung für das Schicksal der weltweit 45 Millionen Flüchtlinge zu sensibilisieren. Der im Vatikan für Flüchtlinge zuständige Kardinal Antonio Maria Vegliò bezeichnete den Papstbesuch als „starkes Signal“ an die Regierungen der Welt, ihre Einwanderungspolitik zu überdenken.

Gefordert wären zunächst Italien und seine EU-Partner. Roms Flüchtlingspolitik ist von einem gewissen Hang zur Improvisation gekennzeichnet, der in Zeiten großen Ansturms zu unhaltbaren humanitären Zuständen in Aufnahmezentren führt, besonders auf Lampedusa. So waren nach dem „Arabischen Frühling“ 2011 auf dem Sportplatz, auf dem Franziskus nun seine Messe hielt, tagelang tausende nordafrikanische Flüchtlinge zusammengepfercht.

Andererseits sehen die Italiener nicht ein, warum sie allein für die Flüchtlinge zuständig sein sollen, nur weil Lampedusa zufälligerweise italienisches Territorium ist, kaum 100 Kilometer vor der tunesischen Küste liegt und sich damit als „Tor zu Europa“ geradezu anbietet. Der Verweis aus Brüssel und Berlin, so funktioniere eben der Schengen-Vertrag, wird in Rom als egoistisch empfunden.

Der nüchterne, aber sehr bewegende Lampedusa-Besuch des Papstes ist auch ein klarer Bruch mit den Reisen seines Vorgängers. Jorge Bergoglio, der Einwanderersohn aus der südlichen Hemisphäre, sieht die Welt naturgemäß mit anderen Augen als Benedikt XVI. und setzt andere Schwerpunkte. Franziskus will eine „Kirche der Armen für die Armen“, und auf Lampedusa fand er „jene Brüder und Schwestern, die unserer Hilfe am dringlichsten bedürfen“. Das protzige Papamobil blieb am Montag im Vatikan. Auf der Insel bewegte sich der Papst in einem alten Jeep, der ihm von einem einheimischen Bauern zur Verfügung gestellt wurde.

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