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Politik: Parlamentswahlen in Serbien: Der gestürzte Autokrat will sich nicht zur Ruhe setzen

Eigentlich wollte Slobodan Milosevic ja zuerst einmal mit seinem Enkel spielen und sich dann in Ruhe auf die Rolle als Oppositionspolitiker vorbereiten. So hatte es der Autokrat in seiner surrealistischen Ansprache kurz nach dem Volksaufstand vom 5.

Eigentlich wollte Slobodan Milosevic ja zuerst einmal mit seinem Enkel spielen und sich dann in Ruhe auf die Rolle als Oppositionspolitiker vorbereiten. So hatte es der Autokrat in seiner surrealistischen Ansprache kurz nach dem Volksaufstand vom 5. Oktober angekündigt. Daraus ist nichts geworden. Denn der Ex-Diktator arbeitet seit seinem Sturz unermüdlich an seinem Comeback. Das einfache Kalkül: Angesichts der sozialen Misere im Land könnte die Bevölkerung schon bald wieder in Scharen zum alten Idol zurückkehren. Der schlaue Taktiker Milosevic setzt zudem darauf, dass sich seine Gegner, heute noch vereinigt in einem Bündnis aus 18 Parteien, zerstreiten. Aus seiner durch hohe Hecken und eine Truppe loyaler Militärpolizisten abgeschirmten Villa zieht Milosevic die Fäden. Per Telefon gibt er die Durchhalteparolen an loyale Parteifunktionäre durch.

Die erste Chance auf die Rückkehr an die Macht glaubt Slobodan Milosevic bereits bei den serbischen Parlamentswahlen an diesem Samstag zu sehen: "Gibt es jemanden, der nicht bemerkt, wie viel schlechter die Lage heute ist als noch Ende September?", fragte der gestürzte Präsident kürzlich in seinem ersten Fernsehinterview. Milosevic zeigte sich uneinsichtig und stolz auf die "Verdienste" seiner knapp 13-jährigen Ära: "Mein Gewissen ist rein", wies er die Anklage des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag zurück. "Ich habe einen guten Schlaf", fügte der Drahtzieher von vier Kriegen auf dem Balkan hinzu. Nachfolger Vojislav Kostunica sei durch einen "Coup" an die Macht gekommen. Noch stärker als in den letzten Monaten an der Macht scheint der einsame Slobodan Milosevic heute unter Realitätsverlust zu leiden. Seine Sozialistische Partei hat ihn vor einem Monat zwar noch einmal im Amt als Vorsitzenden bestätigt. Allerdings erst, nachdem Milosevic alle Kritiker ausgebootet oder aus der Partei vertrieben hatte. Für die alte Regimepartei ist der Autokrat heute keine Galionsfigur mehr, sondern nur noch Hypothek. Serbien hat der Ära von Milosevic und seinen Sozialisten bereits den Rücken gekehrt.

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