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Partei-Kugelschreiber sind überall gleich.

© imago/Christian Ohde

Parteien in Deutschland: Ein Trend zum Regionalen

Ob SPD, FDP, Grüne, AfD, Linke - Parteien haben zunehmend in Kerngebieten ihre Erfolge. Nur die CDU scheint noch ein überregionales Profil zu haben.

Es gibt zwei Landtagswahlen im kommenden Jahr, und die eine in Bayern wird die andere in Hessen in den Schatten stellen. Das politische Jahr 2018 wird, beginnend im Januar, erheblich von der CSU mitbestimmt werden. Das wird sich bereits in den Koalitionsgesprächen mit der SPD zeigen. In München wird mehr als sonst die weiß-blaue Sicht dominieren. Deutschlands Regionalpartei Nummer eins kämpft auch mit ihrem neuen Helden Markus Söder um ihre Dominanz im Freistaat, und da hat das gesamtstaatliche Interesse zurückzustehen. Die 6,2-Prozent-Partei (das bundesweite CSU-Ergebnis bei der Bundestagswahl) trumpft in Berlin ohnehin vor allem dann auf, wenn es daheim nicht so läuft. Freilich ist das Regionale nicht mehr allein für die Christsozialen prägend. Das deutsche Parteiensystem ist seit Jahren in Bewegung, und ein Trend ist seine stärker werdende Regionalisierung – über das Maß hinaus, das in einem Bundesstaat mit langer föderaler Tradition als normale Ausdifferenzierung gesehen werden kann.

Am deutlichsten lässt sich das mittlerweile bei den Sozialdemokraten beobachten. Es ist eine Entwicklung, die zwar nicht ganz neu ist, die sich aber doch zu verstärken scheint: Die SPD wird immer mehr zu einer Partei, deren Wähler- und Anhängerbasis im Wesentlichen im großen Streifen von Rheinland-Pfalz über Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen bis in den Nordosten verortet werden kann. Ihr Schwerpunkt hat sich, seit Gerhard Schröder erfolgreich am Zaun des Kanzleramts gerüttelt hat, zudem von Düsseldorf nach Hannover verlagert. Aus Niedersachsen kommen seither die Zampanos der Partei und prägen das Bild: Frank-Walter Steinmeier, Sigmar Gabriel, jetzt immer mehr Stephan Weil. Die Genossen an Rhein und Ruhr fallen merklich ab, seit sie dort nicht mehr dauersiegen.

Regional verkümmert

Die SPD im Süden, nie sonderlich stark, aber doch präsent, ist mittlerweile zur Kleinpartei verkümmert, eine „Kraft“ unter mehreren, in Baden-Württemberg von den Grünen in einer Weise verdrängt, die man demütigend nennen kann. In Thüringen ist das der Linken gelungen, im historischen Stammland Sachsen regiert die SPD mit, ohne außerhalb des Landes bemerkt zu werden. Geografisch gesehen ist die Sozialdemokratie nur noch eine Halbvolkspartei. Und das Problem, das sich der SPD damit stellt, ist die Prägung durch regionale Teilparteien, deren Führungsleute, deren spezifische Interessen und Anliegen (die zum Teil wiederum regional motiviert und begründet sind). Das kann dann den Trend der Regionalisierung verstärken.

Grüne und FDP teilen das Schicksal, im Westen ihre Wähler und ihre Mitglieder zu haben, im Osten dagegen nachhaltig zu schwächeln. Sie sind Milieuparteien und leben von den materiell besseren Verhältnissen in der alten Bundesrepublik. Doch selbst im Westen treten bei beiden Parteien regionale Unterschiede stärker zutage als noch vor einigen Jahren. So hat Winfried Kretschmann seine Landes-Grünen auch mit einem Regionalzuschnitt erfolgreich gemacht, der auf eine landesspezifische Verbindung von Ökologie und Ökonomie setzt, die der Rest der Partei so nicht mitvollzieht. Christian Lindners Version der Freidemokratie wiederum basiert nach wie vor auf der Stärke in Nordrhein-Westfalen, seit jeher das Zentrum der Partei (was nur die Partei im zweiten Stammland Baden-Württemberg anders sehen). Die rheinisch-norddeutsche FDP aber ist stets etwas anderes gewesen als die südwestdeutsche.

Linke oder AfD - welche ist die Ost-Partei?

Bei der Linken ist es umgekehrt, noch immer: Ost sticht West. Auch wenn sich das abschleift, vor allem mit der langsam wachsenden Stärke in Großstädten bundesweit, bleibt diese Regionalprägung doch vorerst bestimmend. Die AfD wiederum ist tatsächlich eine Zweiparteienpartei. Im Westen, wo die Meuthens und die Weidels dominieren, hat sie sich irgendwo zwischen Union, FDP und rechtsradikaler Schwurbelei eingerichtet, läuft aber Gefahr, irgendwann wieder Anhänger in diese drei Richtungen abzugeben (Lindner weiß schon, wo er Konvertiten suchen muss). Im Osten ist die AfD anders aufgestellt und erreicht mit einer auf die Region zugeschnittenen Mischung aus Nationalem (auch mit völkischem Einschlag), Grundsatzprotest und Ostalgie ihre stark gewachsene Zahl von Wählern. Die Ost-AfD könnte es so schaffen, die Linke als Ost-Regionalpartei abzulösen. Gesamtdeutsch jedenfalls ist sie nicht gestrickt, trotz aller nationalen Wallungen.

Vom Regionalisierungstrend im Parteiensystem kann die CDU profitieren. Sie ist zur Ankerpartei geworden, in allen Landesteilen ist sie imstande, Wähler in genügender Zahl zu finden (nimmt man die Stadtstaaten einmal aus). Das hat mit Angela Merkels Ausrichtung der Partei auf eine pragmatische Mitte hin zu tun – Wähler, die sich hier verorten, gibt es überall zur Genüge. Es hat aber auch damit zu tun, dass die CDU – schon immer so gesamtstaatlich wie föderal orientiert – regionale Blößen vermeidet und sich geografisch breit aufgestellt präsentiert. Dass die SPD es nicht schafft, daran anzuknüpfen, dürfte wiederum damit zu tun haben, dass sie ihre schleichende Regionalisierung zu lange übersehen hat. Will sie wieder zur Kanzlerpartei werden, muss sie daran arbeiten.

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