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Sigmar Gabriel wird von der eigenen Partei bei seiner Wiederwahl mit 74,3 Prozent abgestraft.

© REUTERS

Parteitag der SPD: Schwere Hypothek für Sigmar Gabriel

Es sollte vielleicht nur ein kühl kalkulierter Denkzettel werden, jetzt ist es eine kleine Katstrophe geworden. Die 74,3 Prozent für Sigmar Gabriel werden Auswirkungen haben - auf ihn, die SPD und die Koalition. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Tretbar

Man muss das der SPD lassen. Die Sozialdemokraten haben das einmalige Talent, sich selbst in Krisen zu stürzen. Lustvoll geradezu. Sigmar Gabriel muss das nun erfahren. 83,6 Prozent vor zwei Jahren waren kein glanzvolles Ergebnis, aber ordentlich und ehrlich. Aber jetzt. 74,3 Prozent, fast zehn Prozentpunkte weniger in einer Zeit, in der er sich selbst als Kanzlerkandidat seiner Partei ins Spiel gebracht hat. Das ist ein kleine Katastrophe für ihn - und die SPD.

Sieht man von den Umfragewerten ab, ist die Ausgangslage so schlecht nicht. Seit Jahren steht Angela Merkel in ihrer Partei schwer unter Druck. Die Flüchtlingspolitik setzt der Union mehr zu als der SPD. Die Aufmerksamkeit lag klar bei den Christdemokraten. Die SPD konnte recht zufrieden sein. Sie hat ein paar vorweisbare Ergebnisse in der großen Koalition. Die Flügelkämpfe sind vergleichsweise lahm. Und Sigmar Gabriel hat zuletzt keine größeren Pannen hingelegt.

Doch jetzt haben die Funktionäre, vor allem die linken und die berufsjugendlichen in der Partei zugeschlagen. Gabriel ist ihnen seitjeher ein Dorn im Auge. Natürlich war es unklug von Sigmar Gabriel, sich auf offener Bühne mit der Juso-Vorsitzenden Johanna Uekermann zu streiten. Sie warf Gabriel vor, unglaubwürdig zu sein. Und er hat sich reizen lassen. Hat nach dem Staatsmann Gabriel wieder den Raufbold Sigmar raushängen lassen. Menschlich kann man es ihm nicht verdenken, sich gegen die linke Juso-Funktionärin zu wehren, politisch war das nicht klug. Und doch war das nur ein letzter Auslöser. Die Verweigerung von rund einem Viertel der SPD-Delegierten wirkt kühl kalkuliert. Es sollte vielleicht nur ein Denkzettel werden, jetzt ist es eine schwere Hypothek für die kommenden Monaten geworden.

Sigmar Gabriel und damit die SPD werden wieder unberechenbarer

Gabriel muss mit diesem Ergebnis umgehen. Seine erste Reaktion lässt nichts gutes ahnen. Möglicherweise setzt er jetzt alles auf eine Karte und setzt seinen "Jetzt-Erst-Recht-"Kurs knallhart - gegen einen Teil seiner Partei durch. Das kann den Streit neu entfachen, Flügelkämpfe verschärfen und sich damit letztlich auch auf das Klima und die Stabilität in der großen Koalition erschwerend auswirken. Und das in einer Zeit großer Herausforderungen mit der Flüchtlingspolitik und dem Syrien-Einsatz. Gabriel und auch die SPD werden wieder ein Stück unberechenbarer.

Sigmar Gabriel wird von der eigenen Partei bei seiner Wiederwahl mit 74,3 Prozent abgestraft.
Sigmar Gabriel wird von der eigenen Partei bei seiner Wiederwahl mit 74,3 Prozent abgestraft.

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Ob er jetzt überhaupt Kanzlerkandidat seiner Partei werden kann? Mit so einem Ergebnis? Allein, dass die Frage wieder gestellt wird, ist ein Problem für die Sozialdemokraten. Gabriel hat mit seinem Auftritt nach der Wahl gezeigt, dass er dazu bereit ist. Er wird es vielleicht aus reiner Verantwortung für seine Partei tun. Leichter ist die Aufgabe mit so einem Ergebnis aber definitiv nicht geworden.

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