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Rechtsextremismus: Der gute Adolf

Eine Dorfgemeinschaft in Niedersachsen kriegt sich wegen eines Neonazis in die Haare, der seit über 20 Jahren im Kirchenvorstand sitzt und seit fast 40 Jahren ehrenamtlich engagiert ist.

Sogar aus München und Berlin seien sie angereist, empört sich Christa Schlünz. „Das ist doch paradox.“ Schon wochenlang gehe das so, ergänzt Hedwig Schaper. Fernsehteams und Reporter seien in das kleine, knapp 2000 Einwohner zählende Dorf nahe Helmstedt regelrecht eingefallen. „Was wollen die hier bloß?“ Die beiden Frauen stehen am Gartenzaun und werden immer erregter. „Der Adolf“, sagt die eine, „hat doch niemandem etwas getan. Was wollen die eigentlich von ihm?“ „So ist es“, antwortet die andere, „genauso ist es!“

Adolf Preuß, der Grund für das riesige Medieninteresse, wohnt einige Häuser weiter. Der Landwirt hat den Ruf, „der gute Nachbar“ zu sein. Wenn der Rasen vor der Kirche gemäht werden muss, ist Preuß zur Stelle. Er holt mit seinem Traktor das Gestrüpp für das Osterfeuer ab. Muss das Gras vor dem Sportplatz gedüngt, die Fassade der Kirche gestrichen oder ein Zelt für ein Sommerfest aufgestellt werden, meldet sich Preuß. Seit bald 40 Jahren ist das so. Kein Wunder, dass der Mann die zweitmeisten Stimmen bei den Gemeinderatswahlen im vergangenen Jahr bekommen hat.

Dass er der rechtsextremen NPD angehört, und das schon seit vier Jahrzehnten, wissen die Leute. Aber weil Adolf Preuß keine großen politischen Reden schwingt, hat es seine Mitbürger auch nicht weiter interessiert. Hier mag man den Mann, der sich so selbstlos für die Allgemeinheit einsetzt. „Wir lassen uns keinen Unfrieden nach Süpplingen bringen“, betont Hedwig Schaper.

Kann jemand gleichzeitig ein Neonazi und ein guter Mann von nebenan sein? Die evangelisch-lutherische Landeskirche geriet in Erklärungsnöte. Seit 23 Jahren sitzt Preuß im Kirchenvorstand, ist dort das fleißigste Mitglied. Passen NPD-Mitgliedschaft und Arbeit für die Kirche zusammen? Die Kirchenoberen aus der Ferne wollten Preuß aus dem Kirchenvorstand herausdrängen – und den engagierten Pastor, der sich für Preuß aussprach, gleich mit. Entsprechend angespannt war die Stimmung während einer „Gemeindeversammlung“, zu der „aus aktuellem Anlass“ eingeladen wurde. 150 Süpplinger waren in die Kirche gekommen, und die Vertreter der Braunschweiger Landeskirche hatten ihre Mühe, den richtigen Ton zu treffen. Wären sie offen auf Distanz zu Preuß gegangen, dann hätte sich die Ortsgemeinschaft umso stärker mit ihm solidarisiert. Hätten sie zu viel Verständnis für ihn gezeigt, dann wäre ihre Botschaft, dass NPD und Christentum schwer miteinander vereinbar sind, kaum zu vermitteln gewesen.

Die Kirche verkündet, was sie vorher intern verabredet hatte: Preuß sei wegen der bloßen Mitgliedschaft in der NPD nicht aus dem Kirchenvorstand abzulösen, aber man werde sorgfältig mit ihm erörtern, ob bestimmte Punkte im NPD- Programm mit dem christlichen Glauben vereinbar sind. „Wenn er erklärt, die NPD-Politik sei für ihn bindend, dann haben wir ein Problem“, sagt der Sprecher der Landeskirche, Michael Strauß. Probst Andreas Weiß, selbst früher Pastor in Ostdeutschland, begründet, warum er die Gemeinde zwingen will, sich mit der NPD zu befassen: „Ich möchte nicht, dass geschwiegen wird.“

Die Reaktionen in der Kirche sind geteilt. Mehrere vorwiegend ältere Leute sagen, sie verstünden „die ganze Aufregung nicht“. Einige Jüngere hingegen fordern von Preuß klare Entscheidungen: „Adolf, wie kannst du als Christ bei der NPD mitmachen?“ Bürgermeister Harald Schulze (CDU), im Hauptberuf Geschichtslehrer an einem Gymnasium in Sachsen-Anhalt, meint: „Entweder sollte man das Thema totschweigen oder offensiv sein und die NPD verbieten“, sagt er, „denn alles andere bedeutet nur Reklame für diese rechtsextreme Partei.“

Preuß selbst wirkt an diesem Abend in der Kirche so, als verstehe er nicht, was sich über ihm zusammenbraut. Sichtlich nervös ringt er nach Worten und verwahrt sich in der Versammlung gegen „unzutreffende Anschuldigungen“. Für die Gespräche mit dem Kirchenvorstand aber, sagt er später, stehe er „selbstverständlich zur Verfügung“. Anders hatte man es von dem stets entgegenkommenden NPD-Mann auch nicht erwartet.

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