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rot-rot-grünes Gipfeltreffen: Gespaltene Opposition

Auch nach einem Jahr schwarz-gelben Regierens finden die Oppositionsparteien nicht zueinander. In Gesprächsrunden zwischen SPD, Grünen und Linke ist von "Ernüchterung" und "klaren Differenzen" die Rede. Ein rot-rot-grünes Dümpeln.

Von Matthias Meisner

Berlin - Es hätte ein Gipfeltreffen besonderer Art werden können. Für Ende Juni hatten sich sowohl SPD-Chef Sigmar Gabriel als auch der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir und Linken-Fraktionschef Gregor Gysi den Termin des von jungen Abgeordneten organisierten ersten rot- rot-grünen Sommerfests im Kalender notiert. Doch am Tag der Bundespräsidentenwahl mit dem Zerwürfnis über den rot-grünen Kandidaten Joachim Gauck wollte schließlich abends der eine nur dann zur Party in den S-Bahn-Bögen an der Berliner Jannowitzbrücke kommen, wenn auch der andere dabei ist. Im Ergebnis fehlte die Prominenz aus der ersten Reihe ganz.

Dieses Fernbleiben hat mehr als symbolische Bedeutung – bis heute. Seit einem Jahr regiert Schwarz-Gelb, doch der rot- rot-grüne Crossover dümpelt noch immer nur vor sich hin. Als „Beziehungskiste“ beschreibt die Wochenzeitung „Freitag“ die schwierige Annäherung der Oppositionsparteien, von „Ernüchterung“ ist die Rede und „inhaltlichen Knackpunkten“. Auch aus den Korrekturen der SPD- Regierungspolitik sei „keineswegs eine bündnispolitische Zwangsläufigkeit“ entstanden.

Diese Einschätzung wird im Grundsatz von fast allen geteilt, die an diesen Gesprächen beteiligt sind. Angela Marquardt, früher mal PDS-Vizechefin und heute Geschäftsführerin der „Denkfabrik“ in der SPD-Bundestagsfraktion, sagt, die Sache entwickele sich schwierig. Zum einen, weil auf Hinterbänkler-Ebene so viel parallel laufe, zum anderen, weil sich das Verhältnis auf der Ebene der Parteiführungen nicht entspanne. Mit Blick auf das Jahr 2011 mit sechs Landtagswahlen sagt sie: „Dafür ist die Zeit nicht da, dafür ist die Stimmung nicht da.“ Das von Linkspartei- Vize Katja Kipping herausgegebene Magazin „Prager Frühling“ analysiert: „Die Differenzen sind klar und nicht klein: Hartz IV, Afghanistan, Europa, Nato, Rente.“ Diese Punkte seien „nicht über Sprachregelungen, Formelkompromisse und ähnliche verbale Nettigkeiten einzuebnen“. Kipping selbst beobachtet dennoch „in einzelnen Fragen ein richtig gutes Zusammenspiel, etwa beim Kampf gegen die Atomlobby“.

Ein erstes rot-rot-grünes Bündnis auf Landesebene als Pilotprojekt ist nicht in Sicht. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz könnte die Linke im Frühjahr leicht an der Fünfprozenthürde scheitern, in Sachsen-Anhalt will die SPD keinen linken Ministerpräsidenten wählen. Im Saarland, wo Rot-Rot-Grün 2009 mal greifbar schien, liegt die SPD inzwischen im Clinch mit den Grünen, die sich an der ersten Jamaika-Koalition mit CDU und FDP beteiligt haben. SPD-Landeschef Heiko Maas glaubt nicht an ein Linksbündnis nach der nächsten Wahl. Spannend wird die Entwicklung in Nordrhein- Westfalen. Dort versucht die rot-grüne Minderheitsregierung, mit wechselnden Mehrheiten zu regieren. Linken-Fraktionschef Wolfgang Zimmermann berichtet, die Fraktionsführungen und Fachpolitiker würden inzwischen regelmäßig „offiziell und inoffiziell“ miteinander reden, der Umgang sei „geschäftsmäßig, aber durchaus freundlich und nicht feindselig“. Eine ausdrückliche Tolerierung der Minderheitsregierung – wie 1994 bis 2002 mit Hilfe der PDS in Sachsen-Anhalt – strebt keine Seite an, auch jetzt schon beschreibt Zimmermann die Rolle seiner Fraktion als „komfortabel“.

Vor Monaten hoffte mancher, ein rot- rot-grüner Dialog könne Machtoptionen für linke Politik öffnen. Davon kann spätestens nach dem Zerwürfnis um die Bundespräsidentenwahl keine Rede mehr sein. Tarek Al-Wazir, Grünen-Fraktionschef im hessischen Landtag, sieht die Ereignisse dort nicht aufgearbeitet. „Ist die Linkspartei in der Lage, Verantwortung zu übernehmen, oder bleibt sie auf Bundesebene eine reine Protest- und Oppositionspartei? Diese Frage muss mit zunehmender Schärfe gestellt werden.“ Zudem dürfe nicht vergessen werden, dass die Linkspartei eine Anti-Rot-Grün-Gründung sei, ein Linksbündnis wäre somit „alles andere als ein Selbstläufer“. Eine Ausschließeritis hält er dennoch für falsch. Jede Variante müsse denkbar bleiben, „nicht nur solche, die einem sympathisch sind“.

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