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Der SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Martin Schulz spricht zum Thema Integration.

© dpa/ Kumm

Wahlkampf: Schulz will Integrationspolitik aus Innenministerium lösen

Kanzlerkandidat Martin Schulz hat bei einer Veranstaltung kräftig gegen die politische Konkurrenz gewettert. Doch was sagt die zum Thema Integration? Ein Blick in die Wahlprogramme.

Der SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz hat am Dienstagabend kräftig gegen die politische Konkurrenz ausgeteilt. In einer Rede auf Einladung des Wirtschaftsinstituts DIW und des Berliner Instituts für empirische Migrationsforschung begründete der SPD-Chef die Forderung, Integrationspolitik aus dem Innenministerium zu lösen, auch mit dem Minister. De Maizière habe das Thema Mehrstaatigkeit „hochgekocht“, dabei seien dessen hugenottische Vorfahren nur eingewandert, „weil Preußens König der Meinung war, jeder solle nach seiner Façon selig werden“. Die AfD nannte er rechtsextrem, „keine Alternative, sondern eine Schande für Deutschland“. Die Studiengebühren für Ausländer, die Grün-Schwarz in Stuttgart eingeführt hat, nannte er „Intelligenz-Maut“. Seine Parteifreundin Aydan Özoguz, Beauftragte für Integration, erwähnte Schulz nicht, nur ihr Amt: Eine „Sonderbeauftragte im Kanzleramt“ reiche für die anstehenden Aufgaben nicht.

Blickt man auf die Wahlprogramme aller Parteien, gibt es keins, das nicht auch Migration und Integration in den Blick nähme. Große Unterschiede allerdings trennen die Konzepte der Parteien schon dabei, wie viel Platz sie der Einwanderungsgesellschaft einräumen – und wo. Besonders wortkarg zum Thema sind etwa die beiden, die als quasi natürliche Koalitionspartnerinnen gelten, Union und FDP. Im CDU/CSU-Programm steht Integration am Schluss des Schlusskapitels „Zusammenhalt“. Die FDP macht zwar Vorschläge, etwa zum Staatsbürgerrecht. Unter „Gleiche Chancen“ geht es aber nur um Mann und Frau.

Negative Konnotation bei CDU und CSU

Inhaltlich ist das Papier von CDU und CSU dem der AfD näher als den Liberalen: Hier wie dort ist Migration negativ verbunden („steuern und begrenzen“, „reduzieren“, „illegal“) und wird unter Sicherheitspolitik abgehandelt. Auch von „Einwanderung in die sozialen Sicherungssysteme“ – die man ablehnt – ist außer bei der Union nur im AfD-Programm zu lesen. Das geplante Zuwanderungsgesetz soll Fachkräften gelten und sich „am Bedarf unserer Volkswirtschaft orientieren“. Positiv fördernd bezieht sich das Programm lediglich auf Einwanderinnen und empfiehlt deren Unterstützung, weil „der Erfolg von Integration maßgeblich von den Frauen abhängen“ werde. Dass sie „stattfindet und gelingt“, begrüßen die Unionsparteien dennoch, denn: „So werden wir das Entstehen von Parallelgesellschaften und von Multi-Kulti verhindern.“ Vorschläge für staatliches Engagement für eine diverse Gesellschaft – in Bildung oder Verwaltung etwa – fehlen.

Für die AfD ist das ausdrücklich Programm: „Anpassung ist die Aufgabe des Einwanderers, nicht der ,Gesellschaft‘ “, heißt es in ihrem Wahlprogramm. Anders als für die Union ist Einwanderung ein roter Faden des ganzen Textes: Im Kapitel über innere Sicherheit sind die ersten Sätze „Ausländerkriminalität“ gewidmet, im Abschnitt zur Kulturpolitik geht es gleich zu Beginn um „Leitkultur statt Multikulturalismus“. AfD-Bildungspolitik erteilt dem Islamunterricht eine Absage und sorgt sich um die „Folgen der Massenmigration“ für Schüler – aktuell sind mehr als die Hälfte der Schulpflichtigen Migrantenkinder – ebenso wie im Kapitel zum Sozialstaat, der nur erhalten bleibe, wenn er „einer klar definierten und begrenzten Gemeinschaft“ gelte.

Linke fordert "aktive Antidiskriminierungspolitik"

So radikal ist am anderen Ende des politischen Spektrums nur die Linke: Sie will alle Einschränkungen des Familiennachzugs rückgängig machen, nach drei Jahren legalem Aufenthalt in Deutschland einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung und inklusive Schulen, die die Mehrsprachigkeit von Jugendlichen und Kindern wertschätzen. Für Wirtschaft und Verwaltung fordert sie eine „aktive Antidiskriminierungspolitik“, nach außen „umfassende Visaliberalisierung“ und das Ende der Zusammenarbeit mit autoritären Regimen zur Migrationsabwehr.

Große Nähe besteht in den Migrationskapiteln der Programme von SPD und Grünen: Beide Parteien bekennen sich zur „Einwanderung als Chance“ (SPD) beziehungsweise als „Reichtum“ (Grüne) und zu den Menschenrechtspflichten Deutschlands im Asylrecht. Mehrere Staatsbürgerschaften sollen weiterhin und die Einbürgerung schneller möglich sein. „Wer in Deutschland geboren ist, ist für uns deutsch, wenn ein Elternteil einen legalen Aufenthaltstitel besitzt“, schreiben die Grünen. Beide Parteien wollen auch einen „Spurwechsel“ möglich machen – also Asylsuchenden die Bewerbung als Arbeitsmigranten erlauben.

FDP sieht Einzelnen als Schmied seines Glücks

Hier ginge auch die FDP mit, ebenso wie beim Einwanderungsgesetz, bei der doppelten Staatsbürgerschaft und der sofortigen Aufnahme von geflüchteten Kindern an deutschen Schulen. Sogar Werbung und Aufklärung für arbeitswillige Migranten in deren Herkunftsländern fordern die Liberalen und kritisieren die Abschiebung gut integrierter Flüchtlingsfamilien. Dem Ja zum Einwanderungsland – „in einer offenen Gesellschaft ist es egal, woher jemand kommt“ – folgt aber kein großer politischer Einsatz, sie auch zu gestalten. Während SPD und Grüne die Rechte von Migranten und die Antidiskriminierungsstelle des Bundes aktiv stärken wollen, sieht die FDP weiter die Einzelnen als Schmiede ihres Glücks – mit einer Ausnahme für ausländische Fachkräfte und Gründer: Um ihnen zu helfen, soll die deutsche Verwaltung probeweise Englisch als zweite Verkehrssprache einführen.

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