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Sigmar Gabriel muss den SPD-Abgeordneten bereits Mut zusprechen.

© AFP

Schwarz gegen Rot nach Schwarz-Rot: Die SPD setzt auf Prävention

Die Lage der SPD zu Beginn des Wahljahres ist ernst. Die Debatte um einen besseren Schutz vor Terrorangriffen verdrängt all jene Themen, mit denen sich die Partei profilieren möchte.

Von Hans Monath

Wenn es ernst wird, ist bei den Sozialdemokraten doch meist Verlass auf zumindest so viel Loyalität, wie nötig ist, um die Reihen gegen Angriffe von außen zu schließen. Einstimmig, so verkündete Fraktionschef Thomas Oppermann am Freitag in Berlin, verabschiedeten die SPD-Parlamentarier während ihrer zweitägigen Klausur einen Beschluss für eine härtere Linie bei der Abwehr islamistischer Terrorangriffe. Manche Vorschläge darin werden von einzelnen Abgeordneten und vom linken Parteiflügel kritisch gesehen. Doch den Störenfried, der der Botschaft einer harten Reaktion widerspricht, wollte dann doch niemand geben.

Denn ernst ist die Lage der SPD in der zweiten Woche des Wahljahres 2017. So ernst, dass Parteichef Sigmar Gabriel den Abgeordneten Mut zusprach. „Es bringt nichts, auf andere zu schielen“, sagte er: „Wir müssen einen Wahlkampf mit 150 Prozent Sozialdemokratie machen.“ Bei der Bundestagswahl gehe es um die Architektur des Parteiensystems und Europas. Die SPD, so riet er, solle einen „Substanzwahlkampf“ führen und nicht als Besserwisserin auftreten. Der Begriff „Substanzwahlkampf“ klingt wie ein Appell, nicht auf die Umfragen zu schauen.

Gabriel und seine Zuhörer wissen: Die Demoskopen errechnen für die SPD noch immer kaum mehr als 20 Prozent Zustimmung – und jüngst hat sie sogar noch etwas nachgegeben. Was die Kanzlerkandidatur angeht, scheint der Parteichef noch immer unentschieden. Viele SPD-Abgeordnete fürchten, dass sie aus dem Parlament fliegen, wenn ihr Kandidat beim Wähler nicht ankommt – und Gabriel kommt ausweislich der Umfragen nur schlecht an. Schließlich verdrängt die Debatte um einen besseren Schutz vor Terrorangriffen seit dem Anschlag im Dezember all jene Themen aus der öffentlichen Debatte, mit denen die SPD sich profilieren möchte – etwa soziale Gerechtigkeit und moderne Familienpolitik.

Die Parteiführung hatte zwischen den Jahren verabredet, sich von Forderungen der Union nach schärferen Reaktionen nicht in die Rolle des Verhinderers treiben zu lassen. Sowohl Gabriel wie Oppermann mahnten, wenn die SPD auf dem Feld der inneren Sicherheit angreifbar bleibe, könne sie auch keine soziale Gerechtigkeit schaffen. Möglichst schnell wollen die Sozialdemokraten das Thema Terror vom Tisch haben, weshalb Justizminister Heiko Maas (SPD) sich schon am Dienstag mit Innenminister Thomas de Maizière (CDU) auf Fußfesseln für Gefährder und eine längere Abschiebehaft geeinigt hat. „Die Probleme lösen, aber nicht permanent über Sicherheit diskutieren“, mahnte Oppermann. „Das würde die Leute nur verunsichern.“

Allein auf schärfere Gesetze aber will sich die SPD nicht verlassen, sie will auch die gesellschaftlichen Ursachen von Radikalisierung bekämpfen. „Wir wollen eine Offensive gegen Islamismus und Salafismus mit mehr Prävention verbinden“, heißt es in dem Papier. Konkret bedeutet das: die Zusammenarbeit mit friedlichen Moscheegemeinden ausbauen, die Finanzierung radikaler Prediger unterbinden, extremistische Moscheen schließen.

Die Beschlüsse folgen dem Leitmotiv Gerechtigkeit

Während die Sozialdemokraten bei der inneren Sicherheit darauf achten, dass der Abstand zur Union nicht zu groß wird, suchen sie in der Debatte um die Verwendung der Milliarden-Überschüsse in den Staatskassen lustvoll Streit mit dem CDU-Finanzminister, der Steuersenkungen in Aussicht stellt. Oppermann und Gabriel fordern dagegen Vorrang für Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Digitalisierung. Dass nur starke öffentliche Investitionen die Voraussetzung für Wohlstand erhalten können, gehört zu den Grundüberzeugungen der SPD.

Dem Leitmotiv Gerechtigkeit folgen die Beschlüsse für mehr Steuergerechtigkeit und gegen exzessive Manager-Boni. Die pauschale Abgeltungsteuer für Kapitaleinkünfte soll fallen, weil die unterschiedlichen Steuersätze für Kapital und Arbeit ungerecht seien. Boni für Manager sollen auf 500000 Euro pro Jahr begrenzt werden, indem höhere Summen nicht mehr steuerlich absetzbar sind.

Auch mit Angeboten für Familien und Arbeitnehmer will die SPD attraktiv werden. Sie verspricht einen Rechtsanspruch für Kita-Kinder und Grundschüler. Bei der Steuer plant sie einen Familientarif, der auch Nicht-Verheiratete und Alleinerziehende besserstellt. Das Kindergeld will die Partei nach Einkommen und Kinderzahl gestalten und es mit dem bisherigen Kinderzuschlag für Einkommensschwache zusammenführen. Das soll vor allem ärmeren Familien helfen. Um vor allem Frauen den Übergang zwischen Vollzeit- und Teilzeitphasen zu erleichtern, soll ein Anspruch auf befristete Teilzeit eine Rückkehr zur ursprünglichen Arbeitszeit ermöglichen.

Über ihren Kanzlerkandidaten will die SPD erst Ende Januar entscheiden. Nur der Abgeordnete Matthias Miersch hatte im Vorfeld der Klausur öffentlich indirekt angesprochen, wovor sich ein Teil der Fraktion fürchtet. Der Chef der Parlamentarischen Linken (PL) sagte der „Süddeutschen Zeitung“, er hoffe, „dass in der engeren Parteiführung sorgfältig abgewogen wird, welcher Kandidat die besten Chancen hat und dabei auch demoskopische Ergebnisse berücksichtigt werden“. Angesichts von Gabriels schlechten Werten konnte das nur als Bitte an den Parteichef verstanden werden, eben nicht zu kandidieren.

Doch auf der Klausur war die wichtigste Frage für die SPD am Jahresanfang kein Thema, zumindest keines, das in der Fraktionssitzung verhandelt wurde. Statt über ihre existenziellen Sorgen zu sprechen, disziplinierten sich die Abgeordneten. Sogar der notorisch Gabriel-kritische Parteinachwuchs lobte derweil das Plädoyer des Vorsitzenden für öffentliche Investitionen. Der revanchierte sich per Tweet: „Historischer Moment: Die Jusos stimmen mir zu.“

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