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Politik: Sigmar Gabriel: Edmund Stoiber, Vorbild für den Regierungschef Niedersachsens

Sigmar Gabriel, der junge Ministerpräsident aus Niedersachsen, muss sich hin und wieder die Frage gefallen lassen, ob er eine besondere Affinität zu den Bayern habe. Denn der SPD-Mann aus Goslar im Harz hat in jüngster Zeit häufig Forderungen der CSU-Landesregierung in München übernommen.

Sigmar Gabriel, der junge Ministerpräsident aus Niedersachsen, muss sich hin und wieder die Frage gefallen lassen, ob er eine besondere Affinität zu den Bayern habe. Denn der SPD-Mann aus Goslar im Harz hat in jüngster Zeit häufig Forderungen der CSU-Landesregierung in München übernommen. Sucht Gabriel die Nähe von Edmund Stoiber?

Angefangen hat es mit der Europapolitik. Ende Juni überraschte Gabriel im niedersächsischen Landtag mit einer europapolitischen Grundsatzerklärung. Manche Positionen - etwa die, dass sich Brüssel hüten solle, in Details der Landespolitik einzugreifen - klangen ganz so wie die von Stoiber zuvor gemachten Erklärungen. Zwar betonte Gabriel stets, er habe sich europafreundlich geäußert, wohingegen die Bayern europakritisch auftreten würden. Doch immerhin gilt: An Stoiber hat sich Gabriel wohl abgeschaut, wie man mit deutlichen Worten zur Europapolitik Profil gewinnen kann.

Weiter ging es mit der Blue Card, jener bayerischen Lösung für die Arbeitserlaubnis ausländischer Arbeitskräfte. Kaum hatte Innenminister Günter Beckstein in München dieses Konzept verkündet, das als Abgrenzung zur Green Card der Bundesregierung zu verstehen ist, da kam Lob aus Hannover: Flugs erklärte Gabriel seine Sympathie für diese bayerische Initiative. In der niedersächsischen Regierung gab es nicht wenige, die diese prompte Unterstützung der CSU-Politik für nicht glücklich hielten - zumal darin auch versteckte Kritik an der Arbeit des Bundes erkannt werden könne.

Der dritte Fall ist die Diskussion über das NPD-Verbot. Als die Bayern mit diesem Vorschlag vorpreschten, war es wieder Gabriel, der als einer der ersten Zustimmung signalisierte. Dann folgte am 4. August das Treffen Gabriels mit Stoiber. Ein Sprecher der niedersächsischen Staatskanzlei betonte, der Hannoveraner sei vom Münchener eingeladen worden. Dennoch ist das Treffen ungewöhnlich. Auf der Tagesordnung stand auch das Thema "Auto". Niedersachsen pflegt zu VW besondere Beziehungen - nicht erst seit sich Gabriels Vor-Vorgänger Gerhard Schröder als "Automann" profilierte. Bayern wiederum hält besonderen Kontakt zu BMW.

Was steckt hinter der merkwürdigen Bayern-Orientierung des niedersächsischen Ministerpräsidenten? Zum einen sucht Gabriel die Nähe starker Länderfürsten, um selbst als solcher anerkannt zu werden. Immerhin führt der SPD-Mann die einzige SPD-Alleinregierung mit absoluter Mehrheit in einem Bundesland, daraus erwächst eine Verpflichtung. Gabriel will die Vordenker-Position für den SPD-geprägten Norden wahrnehmen, so wie Stoiber diese Rolle für das Unionslager und den Süden hat. Insofern erscheint der Bayer in den Augen des Niedersachsen ein "gleichwertiger Partner".

Außerdem hat Gabriel in den vergangenen Monaten und Jahren hin und wieder anerkennend über die Art gesprochen, wie die Volkspartei CSU mit Bayern verwachsen ist. Es mag also durchaus ein Stück Hochachtung sein, das Gabriel gegenüber Stoiber empfindet. Schließlich passt der Termin mit Stoiber durchaus ins Kalkül des Niedersachsen: Gabriel will mit vielen Dingen der Erste und der Schnellste sein, er verspürt keinerlei Hemmungen, Programmpunkte der CDU-Opposition in Hannover aufzugreifen und sich zu Eigen zu machen. Der Ministerpräsident preschte zum Beispiel vor, indem er die "Orientierungsstufe" für die Schulklassen fünf und sechs in Frage stellte (eine alte CDU-Forderung).

Kritiker werfen Gabriel Aktionismus vor. Andere meinen, er habe gut von Schröder gelernt und handele nach der Devise: Alle wichtigen Positionen muss ich selbst vertreten, die Opposition darf keinerlei Spielraum bekommen. In dieses Schema passt es gut, wenn sich Gabriel stärker auf die politische Mitte zubewegt, indem er in möglichst vielen Feldern einheitliche Meinungen mit der konservativen Regierung in Bayern anstrebt.

Noch etwas anderes spricht aus Gabriels Verhalten: Der Ministerpräsident suche Orientierung, habe sein Profil als Regierungschef noch nicht gefunden, halte nach Vorbildern Ausschau. So fällt auf, wie eng die Beziehungen zwischen Gabriel und Kanzler Schröder derzeit sind. Die Achse Hannover-Berlin ist, ungeachtet der Green-Card-Debatte, so stabil wie seit langem nicht mehr.

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