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Parteichef Sigmar Gabriel holte wie viele seiner Kollegen kein gutes Ergebnis.

© dpa

SPD-Bundesparteitag: Die rote Basis zeigt die gelbe Karte

Bei den Vorstandswahlen der SPD schneiden die Befürworter einer großen Koalition eher schlecht ab. Generalsekretärin Andrea Nahles und Parteivize Olaf Scholz bekamen ähnlich wie am Vortag Parteichef Sigmar Gabriel einen ordentlichen Dämpfer verpasst. Nur ein Sozialdemokrat kann sich jetzt wirklich freuen.

Von Hans Monath

Es war nicht der Moment, um auf dem SPD-Parteitag gemeinsam glücklich in die Kameras zu lächeln. Kaum war die Wahl der engeren Parteiführung am Freitagmittag gelaufen, wollte Tagungspräsident Torsten Albig ein Ritual einleiten. „Jetzt bitte ich die Mitglieder des Parteivorstands zum Gruppenfoto“, rief der Kieler Ministerpräsident, musste sich aber nach einem Zuruf schnell korrigieren: „Nein, kein Gruppenfoto.“

Ein Dokument harmonischen Miteinanders hätte am zweiten Tag des Parteitreffens auch etwas seltsam gewirkt. Schon am Vortag hatten die 600 Delegierten ihrem Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel einen ordentlichen Dämpfer verpasst und ihm bei der Wiederwahl acht Prozent weniger zugestanden als noch vor zwei Jahren. Diesen Trend setzten sie am Freitag entschieden fort: Mit wenigen Ausnahme mussten alle neun Mitglieder der engeren Parteiführung Einbußen hinnehmen, manche wurden sogar abgestraft. Die schlechtesten Ergebnisse fuhren Generalsekretärin Andrea Nahles (67,2 Prozent) und Parteivize Olaf Scholz (67,3 Prozent) ein.

Ärger über eine Scheinwahl

Schon im Vorfeld hatten manche Sozialdemokraten geunkt, die 43-Jährige werde womöglich als Sündenbock herhalten müssen. Etliche Sozialdemokraten machten die Organisatoren des „Wahlkampfs von unten“ für Pannen der Kampagne verantwortlich. Dazu kam der Ärger über eine „Scheinwahl“: Die Politikerin will in einer großen Koalition eine andere Funktion übernehmen – als Ministerin oder als Fraktionschefin. Ihren Job übernimmt in vier Wochen ein anderer.

Olaf Scholz, der gegenüber seinem Ergebnis von 2011 fast 18 Prozent verlor, hatte in seiner Vorstellungsrede gar nicht erst um die Herzen der Delegierten geworben. Sein kühles Selbstbewusstsein stößt manchen ab, ebenso wie die harte Haltung des Hamburger Bürgermeisters im Streit um die Asylbwerber in seiner Stadt. Kurz vor der Bundestagswahl hatte Scholz mangelnde Wirtschaftskompetenz der SPD beklagt und indirekt signalisiert, dass er manches anders machen würde. Viele sahen darin eine Attacke auf Parteichef Gabriel.

Die Stimmenkönigin stürzt vom Thron

Aber auch die „Stimmenkönigin“ von 2011, die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, stürzte diesmal vom Thron und verlor als Parteivize elf Prozent (85,6 Prozent). Kraft hatte nach der Bundestagswahl massiv gegen eine Neuauflage des Regierungsbündnisses mit der Union unter Führung von Angela Merkel Stimmung gemacht, um dann nach den Sondierungsverhandlungen plötzlich umzuschwenken. Auch auf dem Parteitag konnte sie nicht plausibel erklären, warum sie nun dafür wirbt, die Chancen dieses Bündnisses auszuloten.

Zum neuen Star unter den Parteivizes machten die Delegierten mit 88,9 den hessischen Partei- und Fraktionschef Thorsten Schäfer-Gümbel. Der 44-Jährige hatte nach dem Ypsilanti-Desaster die zerstrittene hessische SPD wieder zusammengeführt. Bei der Landtagswahl erzielte sie mehr als 30 Prozent. Schon vor der Bundestagswahl hatte Schäfer-Gümbel deutlich gemacht, dass er in der Bundes-SPD selbstbewusst mitmischen will. Nur geringe Einbußen gab es für die Parteivizes Manuela Schwesig und Aydan Ozoguz.

Noch besser als Schäfer-Gümbel schnitt allerdings der Beauftragte des Parteivorstands für Europa ab. Nach einem emotionalen, kämpferischen Plädoyer für ein sozialeres Europa und der Warnung vor einem Auseinanderfallen des Staatenbunds stimmten 97,9 Prozent der Delegierten für Martin Schulz, den Spitzenkandidaten für die Europawahl und Kandidaten der europäischen Sozialdemokraten für das Amt des EU-Kommissionschefs.

Als Parteivize wird Schäfer-Gümbel Nachfolger des Berliner Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit, der nicht mehr angetreten war. Parteichef Gabriel nannte Wowereits Abschied einen „Einschnitt in der jüngeren Geschichte der SPD“ und würdigte den Berliner als Vorkämpfer einen modernen Integrationspolitik und als einen Politiker, der in der Parteiführung „Urbanität, kulturelle Vielfalt, Vielfältigkeit und Zugewandtheit“ verkörpert habe. „Dein Blick von unten auf die ganz normalen Lebensverhältnisse der Menschen ist unersetzlich für die SPD“, meinte der Parteichef.

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