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Sigmar Gabriel auf dem Parteikonvent der SPD am vergangenen Sonntag

© dpa

SPD hält Linke hin: Gabriel will erst in zehn Jahren über Linksbündnis im Bund reden

Oskar Lafontaine wird 79 Jahre alt sein, Gregor Gysi 75 und Sigmar Gabriel immerhin 64 - denn erst in zehn Jahren hält der SPD-Vorsitzende die Zeit für gekommen, über eine Zusammenarbeit mit der Linken im Bund nachzudenken.

Von Matthias Meisner

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat seine Genossen aufgerufen, im Umgang mit der Linkspartei Geduld zu haben. "Ich bin einfach dafür, dass die SPD im 150. Jahr auch ein wenig historische Geduld besitzt", sagte Gabriel in einem Interview für neue Ausgabe der "Frankfurter Hefte". Bei der Linkspartei müsse seine Partei "sicher noch zehn Jahre" warten, fügte er hinzu. "Dann werden die Klugen dort so weit sein, sich zu überlegen, was man mit uns gemeinsam machen kann." Eine von maßgeblichen Teilen der Linken angestrebte rot-rot-grüne Zusammenarbeit im Bund vertagte der SPD-Chef so auf die Mitte der überübernächsten Legislaturperiode. Er selbst wird dann 64 Jahre alt sein - und die wichtigsten Protagonisten der Linken, Oskar Lafontaine, dann 79, und Gregor Gysi, dann 75, wohl im politischen Ruhestand.

Der Wiedereinzug der Linken in den Bundestag könnte eine rot-grüne Mehrheit verhindern

In der Begründung hielt sich Gabriel an das, was er seit Monaten zur Linkspartei sagt. Es handele sich um "zwei Parteien in einer: im Osten eine klassisch sozialdemokratische Partei - noch nicht einmal eine besonders linke -, und im Westen ist sie ein Sammelbecken für Altkommunisten und diejenigen, die von der SPD enttäuscht sind". Sie seien jetzt in einer Partei, "und so lange sie nicht klären, was sie sein wollen, wird die SPD auch nicht mit ihnen zusammenarbeiten können". Die von enttäuschten SPD-Anhängern gegründete WASG und die im Osten starke PDS hatten sich 2007 vereinigt, anschließend errang die Linke bei der Bundestagswahl 2009 ein Rekordergebnis. Sie kam damals auf 11,9 Prozent. Auch wenn dieses Ergebnis am 22. September für die Linke unerreichbar zu sein scheint, so könnte ihr Wiedereinzug in den Bundestag doch verhindern, dass Rot-Grün auf eine eigenständige Mehrheit kommt.

Auch die Linke will nicht ohne Weiteres mit der SPD zusammenarbeiten

Der Linken-Vorsitzende Bernd Riexinger entgegnete unter Hinweis auf die Querelen in der SPD-Führung, auch dort seien "zwei Parteien am Werk, aber in einer schlechten Ehe". Riexinger sagte dem Tagesspiegel: "Wir haben uns zusammengerauft und rechtzeitig vor der Wahl unsere Geschlossenheit wieder gefunden." Die SPD aber zerlege sich 90 Tage vor der Wahl. "Das ist bedauerlich. Wenn man nach der Wahl reden wollte, wüsste man ja gar nicht, welche Telefonnummer die richtige ist." Im Moment sei "die Selbstbeschäftigung der SPD das größte Hindernis für den Wechsel". Auf dem Linken-Bundesparteitag am vergangenen Wochenende hatte Riexinger die Abgrenzungspolitik der SPD nach links "hirnlos und kindisch" genannt. Auch Riexingers Ko-Chefin Katja Kipping und Fraktionschef Gysi hatten dort die Tonlage gegenüber den Sozialdemokraten verschärft. Gysi verlangte, die SPD müsse endlich bereit sein, sich für die Agenda 2010 zu entschuldigen. Angela Marquardt, früher stellvertretende Vorsitzende der PDS und heute Aktivistin der SPD-Linken, twitterte: "Ich habe durch Erfahrungen in zwei politischen Systemen gelernt, mit Zehnjahresprognosen vorsichtig zu sein."

Der größte Feind der SPD sind nicht die anderen Parteien

Gabriel ging in den "Frankfurter Heften" auch auf die Grünen ein. "Da wird immer erzählt, das seien Kinder der SPD", sagte er. "Das sind sie in Teilen auch, aber wenn man sich mal anschaut, wie sie entstanden sind, ist es auch eine Bewegung der ländlichen Regionen gegen die Städte und gegen die Moderne gewesen." Es gebe zwischen SPD und Grünen bis heute Trennlinien - "beispielsweise bei der Frage, wie wichtig industrielle Produktion für unser Land ist. Das ist auch eine soziale Trennlinie." Der SPD-Vorsitzende versicherte jedoch, der Wettbewerb mit Grünen und Linkspartei sei für die SPD "nicht wirklich gefährlich". Größter Feind der Sozialdemokratie seien nicht andere Parteien, sondern der Fatalismus. "Heute haben wir ein Ohnmachtsgefühl und einen Überschuss an Fatalismus." Ihm gehe es deshalb stärker darum, sich um Nichtwähler zu kümmern.

Auch die Grünen-Chefin Claudia Roth wandte sich gegen Gedankenspiele über eine Zusammenarbeit mit der Linken nach der Bundestagswahl. In der "Rheinischen Post" nannte sie die Linke außenpolitisch „regierungsunfähig“. „Die Linke weigert sich strikt, zwischen einzelnen Militär-Einsätzen zu differenzieren. Ob nun der Einsatz in Afghanistan, im Kosovo, im Libanon oder in Mali: für die Linke alles gleich“, sagte Roth. Auch eine rot-grüne Minderheitsregierung, die von der Linken toleriert wird, sei „nicht vorstellbar“. Auf Landesebene sei „das ein gutes Modell“ gewesen, so Roth. „Doch angesichts der globalen Herausforderung eine Bundesregierung ohne eigene Mehrheit zu bilden“, komme für sie nicht in Frage.

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