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Kanzlerkandidat Martin Schulz (SPD) beim Parteitag der Bocholter SPD in Bocholt (Nordrhein-Westfalen).

© dpa

SPD-Kanzlerkandidat: Schulz sendet in Flüchtlingspolitik unterschiedliche Signale

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann will Flüchtlinge im Meer stoppen. Seinem Kanzlerkandidaten geht es nicht um eine deutsche, sondern immer um eine europäische Lösung.

Von Hans Monath

Der Text von Thomas Oppermann, der so heftige Kritik provoziert hat, stand auch am Dienstag noch an prominenter Stelle auf der Homepage der SPD-Bundestagsfraktion. Unter dem Titel „Wir brauchen eine kontrollierte Einwanderung“ plädiert der Vorsitzende der SPD-Bundestagsabgeordneten darin für einen breiten Ansatz in der Flüchtlingspolitik – von der Bekämpfung von Fluchtursachen in den Herkunftsländern über eine schnellere Integration bis zur Verabschiedung eines Einwanderungsgesetzes.

Dass Oppermann zur Bekämpfung der mafiaartig organisierten Schleuserkriminalität eine engere Zusammenarbeit „nicht nur mit dem zerrissenen Libyen, sondern auch mit stabileren Transitländern in Nordafrika – etwa Marokko und Tunesien“ empfahl, empfanden andere SPD-Politiker angesichts der unhaltbaren Zustände in den libyschen Flüchtlingslagern zumindest als unglücklich.

Der scheidende Parteichef Sigmar Gabriel, Parteivize Ralf Stegner und Innenpolitikerin Eva Högl machten dies auf jeweils eigene Weise deutlich. Inzwischen hat der Fraktionschef klargestellt, dass er gegenwärtig kein Zurückschicken von Flüchtlingen nach Libyen fordert. Dazu sei „dieses Land zu instabil“, erklärte er. Doch zu dem Rückführungsansatz, den ursprünglich Innenminister Thomas de Maizière (CDU) entwickelt hatte und den die SPD lange bekämpfte, steht Oppermann. „Je mehr Flüchtlinge in seeuntüchtigen Booten aufs Meer geschickt werden, desto mehr Flüchtlinge werden ertrinken“, warnt er. Ziel sei es, den „tödlichen Kreislauf“ zu durchbrechen und die „unerträgliche Situation der Flüchtlinge“ zu verbessern.

Der Chef der SPD-Parlamentarier weiß genau, was er tut. Denn der Jurist aus Göttingen ist ein erfahrener Innenpolitiker – zu gern hätte er 2005 das Innenressort als Minister übernommen. Bereinigt er im Wahljahr womöglich eine Position, die seine Partei angreifbar machen könnte? Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel jedenfalls vermied es während seiner Pressekonferenz am Montag, Oppermann irgendwelche Vorwürfe zu machen. Stattdessen lobte er, wie breit der seine Flüchtlingspolitik aufgestellt habe.

Eine klare Aussage zur vorgeschlagenen Rückführungspraxis vermied Schäfer-Gümbel und machte stattdessen deutlich, dass die SPD noch dabei sei, ihr Konzept zu erarbeiten. Manche Mitglieder der Fraktionsspitze sind ohnehin überzeugt, dass Oppermanns Zeitungsbeitrag mit dem designierten Kanzlerkandidaten Martin Schulz abgestimmt war.

Deutsche glauben an Schulz als "kurzfristiges Phänomen"

Für welche Flüchtlingspolitik aber steht Schulz? Der Umfragehöhenflug des Kandidaten erklärt sich auch aus dem Umstand, dass er für eine große Zahl von Sozialdemokraten und Wählern eine Projektionsfläche für jeweils eigene Hoffnungen ist – weil er auf viele konkrete Fragen noch keine eindeutigen Antworten gegeben hat. Nimmt man die bisherigen Aussagen von Schulz zur Flüchtlingspolitik, so zeigt sich, dass er beide Pole bedient. So verteidigte er etwa in seiner Antrittsrede im Willy-Brandt-Haus am Sonntag vor einer Woche leidenschaftlich den Schutzanspruch von politisch Verfolgten. Dem Ex-Präsidenten des EU-Parlaments geht es dabei nie um eine deutsche, sondern immer um eine europäische Lösung für die Flüchtlinge.

Gleichzeitig sendet er eine strenge Botschaft, die autoritätsgläubigen Genossen gefallen dürfte: „Wer in Deutschland straffällig wird und sich nicht an die Regeln hält, der wird die volle Härte deutscher Gesetze und der deutschen Sicherheitsbehörden spüren.“ Je konkreter Schulz’ Antworten ausfallen, um so eher läuft er Gefahr, Erwartungen zu enttäuschen.

Über die Hälfte der Deutschen (55,8 Prozent) glaubt, dass es sich beim aktuellen Aufschwung der SPD nur um ein kurzfristiges Phänomen handelt. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey in Kooperation mit dem Tagesspiegel. Nur 36,9 Prozent gehen von einem nachhaltigen Aufschwung aus. Zumindest auf die eigenen Leute kann Schulz sich verlassen: 84,3 Prozent der SPD-Anhänger erwarten, dass sein Aufschwung stabil bleibt.

Der Tagesspiegel kooperiert mit dem Umfrageinstitut Civey. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Mehr Informationen hier.

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