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Über wie viel Autorität verfügt Sigmar Gabriel, Vorsitzender der SPD, nach dem demütigenden Ergebnis bei seiner Wiederwahl noch?

© REUTERS

Mitgliederbefragung zum Einsatz in Syrien: SPD leistet Widerstand gegen Sigmar Gabriel

Der SPD-Chef will die Basis abstimmen lassen, bevor die Bundeswehr in Syrien kämpft. Es sollte ein Geschenk an die Basis sein, doch das ging für Gabriel nach hinten los.

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Es war ein großes Versprechen an die SPD-Basis. Über mögliche direkte Kampfhandlungen deutscher Soldaten in Syrien und den Nachbarländern werde er die Parteimitglieder abstimmen lassen, verkündete SPD-Chef Sigmar Gabriel zu Beginn seiner Parteitagsrede Ende vergangener Woche: "Sie sind die Einzigen, die sich entscheiden müssen, wie sich die SPD dann verhält."

Was als Geschenk an die Basis gedacht war, könnte sich für Gabriel noch als Bumerang erweisen. Denn die Bundestagsfraktion der SPD stellt sich quer. Im Fraktionsvorstand meldete sich am Montag der Verteidigungspolitiker Rainer Arnold zu Wort: Es sei keine Sache der Mitglieder, über eine mögliche Ausweitung des Syrien-Einsatzes zu befinden. Die Entscheidung liege allein bei den Abgeordneten. Der Klarstellung schloss sich auch Fraktionschef Thomas Oppermann an, wie Sitzungsteilnehmer versichern.

Es sind nicht nur Verteidigungspolitiker der Fraktion, die sich in ihren Rechten beschnitten sehen. Auch Außenpolitikern sei "der Stift aus der Hand gefallen", als Gabriel seinen Vorschlag aus dem Hut zauberte, heißt es nun. Selbst Außenminister Frank-Walter Steinmeier soll vom Parteichef erst kurz vorher informiert worden sein.

Der Widerstand gegen Gabriels Mitgliederbefragung wirft die Frage auf, über wie viel Autorität der Vorsitzende nach dem demütigenden Ergebnis bei seiner Wiederwahl (74 Prozent) noch verfügt. Auf dem Parteitag hatte er trotzig auf die Abstrafung reagiert – mit einer Kampfansage, die viele Delegierte an den Basta-Kanzler Gerhard Schröder erinnerte. Das 74-Prozent-Votum deutete Gabriel als Auftrag, seinen Kurs der Mitte gegen alle Widerstände durchzusetzen: "Jetzt ist mit Dreiviertelmehrheit in der Partei entschieden, wo es langgeht, und so machen wir es jetzt auch."

Gibt es eine Rückkehr der Basta-Politik?

Mit aller Macht gegen eine widerspenstige Minderheit? In weiten Teilen der SPD wird massiv bezweifelt, dass dieser Kurs Erfolg haben kann. Zwar haben viele Verständnis dafür, dass Gabriel auf den Schock emotional reagierte. Auf Dauer aber werde der Vorsitzende sich so selbst schwächen und die SPD spalten statt zusammenzuführen, lautet die Vorhersage – und das nicht nur auf dem linken Parteiflügel. Gabriel sitze außerdem einem Irrtum auf, wenn er aus seinem persönlichen Wahlergebnis eine Dreiviertelmehrheit für seinen inhaltlichen Kurs ableite. Etliche Delegierte hätten aus Parteidisziplin für ihn gestimmt und damit keine Richtungsentscheidung verbunden.

Ob Gabriel bereits erkannt hat, dass "Basta" ihn ins Abseits führen kann, ist offen. In der ersten Fraktionssitzung nach dem Parteitag pries Fraktionschef Oppermann am Dienstag die Verdienste des Vizekanzlers und Parteichefs. Anlass: die Halbzeit der großen Koalition. Deshalb habe Gabriel das Parteitagsergebnis auch "nicht verdient". Dafür gab es von den Abgeordneten ordentlich Applaus. Doch der Gepriesene ließ es damit nicht gut sein. Er habe das Ergebnis sehr wohl verdient, meinte Gabriel. Denn er habe für einen klaren Kurs geworben, über den die Delegierten klar abgestimmt hätten.

Vielen SPD-Politikern ginge es nur darum, selbst gut dazustehen

Zudem beklagte der Parteichef nach Teilnehmerangaben, es habe sich in der SPD eine "Kultur der Durchstechereien" etabliert. Es gebe eine Reihe von SPD-Politikern, denen es nur darum gehe, selbst gut dazustehen. Wer wollte, konnte darin eine versteckte Kritik des Vorsitzenden an seinen Stellvertretern sehen. Die nämlich hatten Gabriel auf dem Parteitag nicht verteidigt, als er in der Aussprache nach seiner Rede teilweise massiv kritisiert wurde – am härtesten von Juso-Chefin Johanna Uekermann. Nur Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und Fraktionsvize Axel Schäfer warfen sich für Gabriel in die Bresche. Uneingeschränkte Solidarität sieht anders aus.

Wie gefährlich gegenseitige Schuldzuweisungen werden können, ist Fraktionschef Oppermann offenbar sehr bewusst. Er will verhindern, dass die alten Flügelkämpfe in seiner Fraktion wieder aufbrechen. Auf der Sitzung am Dienstag warf die Chefin der hessischen SPD-Landesgruppe, Ulrike Gottschalck, Fraktionsvize Schäfer vor, dass er die Juso-Vorsitzende Uekermann in seinem Büro beschäftige. Das ging Oppermann entschieden zu weit. Man dürfe Berufstätigkeit und politisches Mandat nicht vermischen, mahnte er.

Der Mitgliederentscheid zu einem möglichen Kampfeinsatz spielte in der Fraktionssitzung keine Rolle – auch weil dessen Gegner Gabriel nicht weiter beschädigen wollten. Der Parteichef machte am Mittwoch ein erstes Zugeständnis. Eine SPD-Sprecherin erklärte, das freie Abgeordnetenmandat sei von dem Vorschlag nicht betroffen: Die politische Haltung der SPD sollte bei einer Frage von Krieg und Frieden in den Parteigremien aber „nicht ohne die Beteiligung der Mitglieder erfolgen“.

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