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Olaf Scholz SPD, Bundeskanzler, und Friedrich Merz, CDU-Parteivorsitzender, bei einer Sitzung des Deutschen Bundestages am 3. Juni 2022 in Berlin.

© Imago/Photothek/Florian Gaertner

Update

„Konstruktives“ Vorgespräch: Über diese Migrationsthemen streiten Scholz und Merz

Montag wollen Bund und Länder über den Kurs in der Migrationspolitik sprechen. Ein vertrauliches Vorgespräch heute sei „konstruktiv“ verlaufen. Ein Überblick über die Forderungen.

| Update:

Union und SPD sind sich inzwischen einig, dass sich in der deutschen Migrationspolitik etwas ändern muss. Am Montag ist dazu ein Bund-Länder-Gipfel mit Bundeskanzler Scholz (SPD) und den 16 Ministerpräsidentinnen und -präsidenten geplant, bei dem es um die Begrenzung der Zuwanderung nach Deutschland sowie die Kostenverteilung zwischen Bund und Ländern gehen soll.

Mit dem Verlauf eines ersten Treffens heute zwischen Scholz, dem Unionsfraktionschef Friedrich Merz und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, zeigte sich die Union zufrieden. Die Atmosphäre sei „sachlich und konstruktiv“ gewesen. „Es ging bei dem intensiven Austausch um eine breite Palette von Migrationsthemen“, hieß es weiter aus der Fraktion. Das Gespräch sei dabei „nicht abschließend“ gewesen. In der Fraktion wurde betont, das Treffen der Unionsvertreter mit dem Kanzler sei „unabhängig zu sehen“ vom Treffen von Scholz am Montag mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder. Vor den beiden Treffen werden aus mehreren Parteien und Verbänden unterschiedliche Forderungen laut.

1. Einreisezahlen begrenzen

Die CDU-Ministerpräsidenten Boris Rhein (Hessen) und Michael Kretschmer (Sachsen) bekräftigen vor dem Treffen ihre Forderung, illegale Migration zu begrenzen. „Wir haben die Belastungsgrenze erreicht“, sagte der hessische Regierungschef Rhein, amtierender Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz. Vor Ort gebe es teilweise „dramatische Zustände“. Die kommunalen Haushalte seien „überstrapaziert, wenn nicht sogar am Ende“.

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„Die Zahlen müssen für die nächsten Jahre drastisch sinken“, sagte Kretschmer der „Sächsischen Zeitung“. 2023 würden rund 300.000 Asylbewerberinnen und Asylbewerber erwartet. „Im Grunde genommen können wir in den nächsten Jahren nicht mehr als 50.000 Menschen aufnehmen.“ Es fehle an Kapazitäten. Abschiebungen müssten durchgesetzt werden, sie lösten aber nicht das Problem.

Geflüchtete Menschen aus der Ukraine und anderen Ländern warten im Ankunftszentrum in Berlin Reinickendorf. (Archivbild)
Menschen aus der Ukraine und anderen Ländern warten im Ankunftszentrum in Berlin Reinickendorf.

© IMAGO/F. Anthea Schaap/IMAGO/F. Anthea Schaap

Rhein sagte am Freitag im Deutschlandfunk: „Pro Tag kommen 1.000 Flüchtlinge illegal nach Deutschland.“ Für ihn sei die Hauptfrage: „Wie kommen weniger in das Land hinein, illegal?“

2. Verlagerung von Asylverfahren in sichere Drittstaaten

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte die Idee von Asylzentren in Drittstaaten wieder ins Spiel gebracht. Zunächst reagierten SPD und Grüne skeptisch auf diesen Vorschlag. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Irene Mihalic, etwa kritisierte, die Union wolle so „das Recht auf Asyl faktisch aushebeln“. 

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese wies darauf hin, an derartigen Vorschlägen seien schon die Innenminister der Großen Koalition, Horst Seehofer und Thomas de Maizière gescheitert.

„So wird irreguläre und lebensbedrohliche Migration durch legale und sichere Migration ersetzt“

Aus dem Papier, in dem sich drei SPD-Politiker für Asylzentren in Drittstaaten aussprechen

Doch inzwischen kommen zumindest aus der SPD auch andere Stimmen. Wie der „Spiegel“ berichtet, sprechen sich die Sozialdemokraten Lars Castellucci, Frank Schwabe und Fabian Funke für die „Einrichtung von Migrationszentren in sicheren Drittstaaten als Anker- und Anlaufpunkt für Schutzsuchende“ aus.

Erst nach Bearbeitung ihrer Anträge sollen nach dem Vorschlag asylberechtigte Migrantinnen und Migranten in EU-Staaten einreisen dürfen. „In den Migrationszentren sollen langfristige Visa ausgegeben sowie anschließende Möglichkeiten der regulären und sicheren Einreise in die EU geschaffen werden“, schreiben die drei Sozialdemokraten.  „So wird irreguläre und lebensbedrohliche Migration durch legale und sichere Migration ersetzt“, heißt es.

Einen ähnlichen Vorschlag machen die vier CDU-Abgeordneten Serap Güler, Thomas Heilmann, Thomas Röwekamp und Kai Whittaker in einem Gastbeitrag bei der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Die Politiker wollen den „Kerngedanken der Ampel-Koalition aus ihrem Koalitionsvertrag“ umsetzen, wonach die Prüfung des Schutzstatus bereits in einem Drittstaat erfolgen kann, heißt es.

„Hierzu wollen wir Vereinbarungen mit sicheren Drittstaaten, insbesondere auch afrikanischen Ländern mit rechtsstaatlichen Voraussetzungen, möglichst gemeinsam mit europäischen Partnern treffen“. Länder, für deren Flüchtlinge mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Asylantrag erfolgreich bewilligt werde, könnten als „unsichere Herkunftsstaaten“ definiert und eine zwischenzeitliche Überstellung in einen Drittstaat gleich unterlassen werden.

3. Mehr Geld für Kommunen

„Wir erwarten nicht nur eine Wende in der Migrationspolitik, sondern insbesondere auch eine dauerhafte und nachhaltige Finanzierung“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, der „Rheinischen Post“ vor den beiden Treffen. Andernfalls werde auch die notwendige Akzeptanz bei den Menschen weiter abnehmen, warnte er. Bund und Länder müssten gemeinsam ein neues Finanzierungsmodell entwickeln, forderte er.

Die Erstattung der notwendigen Kosten sollte sich an dem von den Ländern ebenfalls befürworteten sogenannten Vier-Säulen-Modell orientieren. Dazu gehöre die vollständige Erstattung der Kosten der Unterkunft für Geflüchtete im Bürgergeld, eine monatliche Pro-Kopf-Pauschale, die Integrationskosten und die Kosten für unbegleitete minderjährige Geflüchtete, sagte Landsberg. Die immer wieder diskutierten Einmalzahlungen des Bundes würden keine Planungssicherheit bieten.

Dafür, dass die Kommunen mehr Geld für die Versorgung von Geflüchteten erhalten, hatten sich auch Hessens Landeschef Rhein und der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) ausgesprochen.

4. Bezahlkarte

In der Debatte um eine Begrenzung der Fluchtzuwanderung nach Deutschland wurden zuletzt Forderungen nach mehr Sach- statt Geldleistungen für Flüchtlinge laut. Ermöglicht werden soll dies über eine sogenannte Bezahlkarte, die beispielsweise nur für bestimmte Waren und Dienstleistungen oder Geschäfte gelten könnte, Bargeldabhebungen begrenzt und Überweisungen ins Ausland ausschließt.

Wir wissen, dass auch die Sozialstandards ein wesentlicher Grund für die illegale Migration nach Deutschland sind.

Michael Kretschmer, sächsischer Ministerpräsident

Die Ministerpräsidenten der Länder haben sich für eine solche Karte ausgesprochen. Die Städte könnten sich eine solche Karte vorstellen, wenn sie einfach handhabbar wäre und möglichst bundesweit gelten würde, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages Helmut Dedy der Nachrichtenagentur epd.

„Sie könnte die monatlichen Sätze für die Bedürfnisse des täglichen Lebens und für den eigenen Haushalt umfassen“, sagte Dedy. Eine Kartenlösung wäre aber nicht ohne zusätzlichen Aufwand für die Städte machbar, ergänzte der Hauptgeschäftsführer des kommunalen Spitzenverbands. 

5. Anpassung von Sozialleistungen

In der Debatte um Sozialleistungen für Asylsuchende sprach sich der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Jens Spahn, für eine Unterteilung der Schutzsuchenden in drei Gruppen aus. „Diejenigen, die das Land verlassen müssen, diejenigen, die vorläufigen Schutz genießen und diejenigen, die ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht haben“, sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Seiner Meinung nach sollte nur die dritte Gruppe die regulären Sozialleistungen bekommen.

Sachsens Ministerpräsident Kretschmer hat vor dem Treffen betont, dass er einen Vorschlag von FDP-Bundesministern unterstützt, Sozialleistungen für Asylbewerber zu kürzen. „Wir wissen, dass auch die Sozialstandards ein wesentlicher Grund für die illegale Migration nach Deutschland sind“, erklärte Kretschmer am Samstag. „Das sind die falschen Regeln für ein Einwanderungsland.“

Finanzminister Christian Lindner und Justizminister Marco Buschmann (beide FDP) haben Kürzungen bei den Leistungen gefordert. „Unter ganz besonders engen Voraussetzungen wäre sogar eine Absenkung von Leistungen quasi auf „null“ denkbar“, schrieben sie in einem Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“. (mit Agenturen)

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