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Im Fokus. Susanne Gaschke gerät im Norden immer mehr unter Druck.

© dpa

Kieler Drama, nächster Akt: Streit um Oberbürgermeisterin Gaschke eskaliert

Die Steueraffäre um die Kieler Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke erreicht die Landespolitik. Inzwischen ist der Generalstaatsanwalt eingeschaltet. Denn Gaschke wird nun auch Nötigung vorgeworfen.

Susanne Gaschke kämpft wie einst Napoleon vor Waterloo, doch ihre Mission erscheint recht aussichtslos. Es wird immer einsamer um die Kieler SPD-Oberbürgermeisterin. Der Fall ist längst zu einer Affäre geworden und verbreitet Unruhe bis in die führende Landespolitik, und vor allem sorgt er für gewaltige Verwerfungen innerhalb der Nord-SPD.

Der Auslöser: Gaschke, noch bis vor einem Jahr Redakteurin der „Zeit“, erlässt einem Augenarzt Zinsen und Säumniszuschläge in Höhe von 3,7 Millionen Euro - per Eilentscheidung in einem seit 15 Jahren laufenden Verfahren und ohne die Ratsversammlung einzubeziehen. Der Mediziner zahlt dafür in Raten Gewerbesteuern über 4,1 Millionen Euro ab. Sie waren für alte Immobiliengeschäfte angefallen.

Neueste Episode der Kieler Affäre ist die Ankündigung der FDP, unterstützt von der Piratenpartei, am 31. Oktober in der nächsten Ratsversammlung einen Abwahlantrag der Oberbürgermeisterin zu stellen, die bisher alle Rücktrittsforderungen der Liberalen, CDU, Linken und mittlerweile auch Grünen zurückgewiesen hatte. Gaschke wollte sich eigentlich in eben dieser Ratssitzung vor den Kommunalparlamentariern für ihr Verhalten entschuldigen, das ihr mittlerweile ein Disziplinarverfahren eingebracht hat. Sie hatte es versäumt, die Ratspolitiker mit in den Entscheidungsprozess um den schon 15 Jahre währenden Steuerfall einzubeziehen.

Für die Abwahl ist eine Zweidrittelmehrheit nötig, die aber nur mit einigen SPD-Stimmen erreicht würde. Kiels Sozialdemokraten stärken Gaschke noch den Rücken, während große Teile der Landespartei sich von ihr abgewandt haben. Die Affäre, die im Kieler Rathaus begann, ist somit inzwischen auch zu einem sorgenvollen Thema von SPD-Landeschef Ralf Stegner geworden, der derzeit eigentlich Wichtigeres zu tun hat, da er sich für seine Partei auf Bundesebene um Koalitionsstrategien bemüht und für den Posten des SPD-Generalsekretärs in Stellung bringt. Da Gaschke ihren Amtsvorgänger und jetzigen Ministerpräsidenten Torsten Albig (SPD) mit in die Affäre hineingezogen hat, muss Stegner nun einen landespolitischen Flurschaden vermeiden.

Als OB ist die 46 Jahre alte Schnellsprecherin seit zehn Monaten im Amt. Vor ihrem Wahlsieg gegen Ex-Stadtkämmerer Gert Meyer von der CDU hatte sie sich im Rennen um die SPD-Kandidatur gegen Landeswahlleiterin Manuela Söller-Winkler durchgesetzt. Diese ist jetzt als Abteilungsleiterin im Innenministerium für die Prüfungen zum Steuerdeal zuständig. Im Rathaus sind auch Stimmen zu hören, nach denen die Seiteneinsteigerin Gaschke einen neuen Führungsstil pflege und Mitarbeitern offen zuhöre. Andere halten sie für beratungsresistent, sie ziehe sich im kleinen Kreis in eine Wagenburg zurück.

Gaschke hat von Anfang an betont, sie habe nur zu Ende geführt, was Albig in dem Steuerfall bereits auf den Weg gebracht hatte. Als die Kommunalaufsicht die Sache nun zu bewerten hatte, warf sie Albig aufgrund einer von ihm verschickten SMS vor, er habe Einfluss auf das Prüfverfahren genommen. Das verneinte der Regierungschef am Mittwoch im Innen- und Rechtsausschuss. Auch Innenminister Andreas Breitner (SPD) attestierte Albig, dass dieser zu keinem Zeitpunkt ins Behördenverfahren eingegriffen habe. Der Innenminister bezichtigte dagegen Gaschke und ihren Ehemann, den SPD-Bundestagsabgeordneten Hans-Peter Bartels, Druck auf ihn ausgeübt zu haben. Nach Angaben von Breitner hätten ihm beide gedroht, die private Albig-SMS an die Medien weiterzuleiten, wenn Albig der Oberbürgermeisterin keine Rückendeckung geben sollte und wenn der Minister das erste Ergebnis der Kommunalaufsicht nicht zurückhalten würde.

Darauf ließ Breitner sich nicht ein. Er unterrichtete den Generalstaatsanwalt von dem Fall und teilte mit, dass er sich von den Eheleuten als Mitglied eines Verfassungsorgans genötigt gefühlt habe. Wird dieser Tatbestand vor Gericht als erfüllt angesehen, drohen drei Monate bis zehn Jahre Freiheitsstrafe, wobei bereits der Versuch der Nötigung strafbar ist. Bartels sagte, er lasse sich nicht kriminalisieren, und reagierte mit einer Unterlassungsverfügung gegen Breitner, auf die dieser sich jedoch nicht einlassen will. Auch Oberbürgermeisterin Gaschke kündigte juristische Schritte gegen den Minister an.

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