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Unerwünschter Ratgeber: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (rechts) empfiehlt seinem Parteichef Sigmar Gabriel, im Wahlkampf 2017 keinen Anspruch aufs Kanzleramt zu erheben.

© picture alliance / dpa

Torsten Albig und der Wahlkampf der Bundes-SPD: Seltsame Ratschläge aus Kiel

Die SPD hält an ihrem Plan fest, einen Kanzlerkandidaten aufzustellen. Will Sigmar Gabriel es werden, muss er im Herbst eine Nagelprobe bestehen.

Von Hans Monath

Auf Torsten Albig kann sich die Bundes-SPD verlassen: Wenn im Sommerloch gerade niemand über die leidige Frage debattiert, wer als sozialdemokratischer Kanzlerkandidat bei der Bundestagswahl Angela Merkel herausfordern soll, gibt der schleswig-holsteinsche Ministerpräsident ein Interview, über das im Willy-Brandt-Haus alle verärgert den Kopf schütteln.

Im vergangenen Sommer hatte Albig infrage gestellt, ob seine Partei angesichts schlechter Umfragewerte und fehlender Machtperspektiven überhaupt einen Kanzlerkandidaten nominieren solle. Am Wochenende nun stellte der Ministerpräsident den Anspruch der SPD auf das Kanzleramt im Jahr 2017 erneut infrage. "Unser erstes Ziel sollte sein, dass keine Regierung in Berlin ohne die SPD gebildet werden kann", sagte er der "Rheinischen Post" und fügte hinzu: "Das wäre ein guter Erfolg." Vorrangig müsse eine Regierungsbeteiligung sein, nicht die "Fixierung auf das Kanzleramt".

Zwar hatte Parteichef Sigmar Gabriel angesichts schlechter Umfragewerte kürzlich die Parole ausgegeben: "Wenn schon 20 Prozent, dann stolze 20 Prozent." Trotzdem hält die SPD offiziell am Ziel fest, den nächsten Kanzler zu stellen und redet über die Möglichkeit einer rot-rot-grünen Koalition, um eine Alternative zur Fortsetzung der ungeliebten Juniorpartnerschaft mit Angela Merkel bieten zu können.

Anders als im vergangenen Jahr löste Albig aber nun keine breite Debatte aus. Der Ärger über seine Thesen ist trotzdem groß, auch weil die Partei in Umfragen zuletzt wieder etwas Boden gut gemacht hat – womöglich Folge öffentlicher Absetzbewegungen vom Koalitionspartner Union, die SPD-Politiker in der Debatte über Sanktionen gegen Russland und die Schaffung einer stärker sozialen Werten verpflichteten EU demonstriert hatten. In diesem Zusammenhang hatte Parteichef Gabriel Merkels "Austeritätspolitik" für die Krise der EU verantwortlich gemacht.

Nachdem die SPD im Frühsommer bei einigen Demoskopen unter die 20-Prozent-Marke gefallen war, werden nun Werte von 22 bis 23 Prozent gemessen. Allerdings geht in der SPD die Furcht um, dass die AfD nach der Welle von Gewaltexzessen von Tätern mit Flucht- oder Migrationshintergrund von einem Gefühl der Bedrohung profitieren und Wähler dazu gewinnen könnte – nicht nur, aber auch zulasten der Sozialdemokraten.
Zwei SPD-Landesverbände wollen bei Wahlen im Herbst ihre Regierungsmehrheiten verteidigen: am 4. September in Mecklenburg-Vorpommern und am 18. September in Berlin. Für die Zukunft von des Parteichefs könnte ein "Parteikonvent" am 19. September noch wichtiger werden. In Wolfsburg entscheidet die SPD über das Handelsabkommen der EU mit Kanada (Ceta).

Gabriel sieht darin "ein gutes und wichtiges Abkommen". In der Partei aber wächst der Widerstand, nicht nur der linke Parteiflügel will Nein sagen. Ein Landesparteitag in Bayern lehnte Ceta bereits mit großer Mehrheit ab. Dem linken Parteiflügel ist Gabriel seit dem Jahreswechsel weit entgegengekommen. Doch weil er sich bei Ceta nun festgelegt hat, scheint ein Kompromiss ausgeschlossen. Ein Parteichef aber, dem die eigene Truppe klar die Gefolgschaft verweigert, käme als Kanzlerkandidat kaum mehr in Betracht.

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